Zinsentscheid Die Inflation steigt, der Zins vorerst nicht – EZB hält an expansiver Geldpolitik fest

EZB-Präsidentin ist weiterhin davon überzeugt, dass die starke Teuerung vorübergehend ist.
Zürich, Frankfurt Die Europäische Zentralbank (EZB) bleibt trotz der anziehenden Inflation bei ihrer ultralockeren Geldpolitik. Erst bei der nächsten Sitzung am 16. Dezember will der Rat entscheiden, wie es mit den milliardenschweren Anleihekäufen weitergeht und welche Schritte folgen. Das kündigte EZB-Chefin Christine Lagarde am Donnerstag an. Noch wichtiger: Ein Ende des Zinstiefs ist weiterhin nicht in Sicht.
Dabei steigen die Teuerungsraten in der Euro-Zone. In Deutschland ist die Inflationsrate im Oktober auf 4,5 Prozent gestiegen – den höchsten Stand seit Oktober 1993. Im September lag sie sie bei 4,1 Prozent. Zum Jahresende erwarten Ökonomen sogar fünf Prozent, danach aber einen deutlichen Rückgang.
Lagarde ist weiterhin davon überzeugt, dass die starke Teuerung vorübergehend ist, getrieben von den hohen Energiepreisen, Angebotsengpässen im Zuge der wirtschaftlichen Erholung und Basiseffekten, wie die zeitweise Senkung der Mehrwertsteuer in Deutschland im Zuge der Coronakrise.
„Wir rechnen wir damit, dass die Inflation im Verlauf des nächsten Jahres sinken wird“, sagte Lagarde nach einer Sitzung der EZB, auf der es keine neuen Beschlüsse gab. Sie räumte aber auch ein: „Das dauert etwas länger als ursprünglich erwartet.“
Sie verwies auf Umfragen der EZB unter Unternehmen, nach denen die meisten zwar noch nicht im ersten Quartal, aber spätestens bis Ende des Jahres eine Behebung der Lieferengpässe erwarten, die zurzeit zu einem großen Teil für die hohen Preise verantwortlich sind. Mittelfristig sei weiterhin damit zu rechnen, dass die Teuerung sogar unter dem EZB-Ziel von zwei Prozent liegen werde. Im Euro-Raum lag die Inflation zuletzt bei 3,4 Prozent, die Oktober-Schätzung wird an diesem Freitag erwartet.
Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater stimmt Lagarde zu: „Gegen die gegenwärtig erhöhten Inflationsraten kann und sollte die EZB nicht einschreiten, da sie sich im kommenden Jahr wieder zurückbilden werden“, erklärte er. „Allerdings muss sie deutlicher als bisher signalisieren, dass sie die Geldpolitik straffen würde, wenn die Preisentwicklung im kommenden Jahr doch höher ausfallen sollte als erwartet. Ansonsten läuft sie Gefahr, dass ihre Glaubwürdigkeit angekratzt wird.“
Die US-Notenbank Fed dürfte bereits in der kommenden Woche den Ausweg aus der ultralockeren Geldpolitik konkret skizzieren und ist der EZB damit einen Schritt voraus. Allerdings schätzen viele Experten die Gefahr einer Überhitzung der Wirtschaft dort auch größer ein als in Europa.
Zinserhöhung „nicht annähernd“ in Aussicht
Lagarde wandte sich deutlich gegen die Erwartung der Kapitalmärkte, es könne bereits gegen Ende 2022 zu einer Zinserhöhung der EZB kommen. Das sei „nicht annähernd“ in Aussicht, betonte sie und deutete an, dass die Märkte wahrscheinlich mehr Inflation erwarteten als die EZB selbst. Der Leitzins der EZB liegt bei null Prozent, der in der Praxis wichtigere Zins für Einlagen der Geschäftsbanken bei der EZB bei minus 0,5 Prozent.
Zu den ebenfalls umstrittenen billionenschweren Anleihekäufen der Notenbank erklärte Lagarde, das unter dem Kürzel PEPP bekannte Pandemie-Notfallprogramm werde „aus heutiger Sicht“ sehr wahrscheinlich Ende März auslaufen.
Sie ließ sich jedoch keine Äußerung dazu entlocken, wie es danach weitergeht, diese Entscheidung steht für Dezember an. Unter PEPP kann die EZB insgesamt Anleihen für 1,85 Billionen Euro kaufen, wovon sie gut 1,4 Billionen bereits ausgeschöpft hat. Das Programm erlaubt sehr flexible Gewichtungen und damit auch die gezielte Unterstützung einzelner Staaten.
Die große Frage ist, ob diese Flexibilität in irgendeiner Form nach dem Auslaufen von PEPP erhalten bleiben soll, was den ordnungspolitischen Vorstellungen einiger Mitglieder im EZB-Rat widersprechen dürfte. Offen ist auch, ob ein weiteres Anleihe-Kaufprogramm im Volumen über 20 Milliarden Euro monatlich, als APP bekannt, aufgestockt wird, um einen abrupten Rückgang der geldpolitischen Unterstützung zu vermeiden.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte in der vergangenen Woche seinen Rücktritt angekündigt und keinen Hehl daraus gemacht, dass er den Notfall für beendet betrachtet, PEPP nach seiner Ansicht also in keiner Form weitergeführt werden sollte.
Mit seiner Haltung, auf eine strikte Trennung von Geld- und Finanzpolitik zu achten und hohe Inflation sehr ernst zu nehmen, sah sich Weidmann im EZB-Rat zunehmend in der Minderheit. Er bleibt nun noch bis Jahresende im Amt und damit auch Mitglied des EZB-Rats, ist also bei der Dezember-Sitzung noch dabei. Lagarde sagte auf Nachfrage bei der Pressekonferenz am Donnerstag, sie habe sehr gut mit Weidmann zusammengearbeitet. Er habe sein Amt nicht aus Frustration wegen seiner Position im Rat abgegeben.
Warnung vor überhastetem Ausstieg
Agustín Carstens, General Manager der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), warnte vor einem überhasteten Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik. „Es gibt viele Verwerfungen in den Volkswirtschaften“, sagte er kürzlich mit Blick auf steigende Rohstoffpreise und chaotische Lieferketten. Doch diese seien keine Folge der Geldpolitik. „Man sollte den Volkswirtschaften Zeit geben, auf ihren Pfad zurückzufinden“, sagte Carstens weiter.
Die BIZ hat zentrale Koordinations- und Researchaufgaben für die weltweiten Notenbanken. Es sei manchmal besser, mit etwas erhöhten Inflationsraten zu leben, statt den Ländern hohe Kosten durch steigende Zinsen und einer möglicherweise folgenden Rezession aufzubürden, erklärte Carstens.
Er mahnte jedoch, wachsam zu bleiben: „An einem Punkt kann es sein, dass geldpolitisches Handeln nötig wird.“ In vielen Industrieländern sei dieser Punkt ‧jedoch nicht erreicht. Handlungsbedarf könnte entstehen, wenn die Verwerfungen entlang der globalen Lieferketten und die steigenden Rohstoffpreise die Inflationserwartungen der Märkte nach oben treiben.
Mehr: Das sind die vier meistgenannten Kandidaten für die Weidmann-Nachfolge.
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Schon in der Vergangenheit hatte die Bundesbank kaum großen Einfluss auf die EZB. Dort haben europäische Schuldenländer seit Langem das Sagen. Jetzt aber könnte ein Dammbruch drohen: Der EZB-Rat scheint Analyse durch Hoffnung zu ersetzen, die Geldmenge wächst und wächst, begründete Inflationssorgen werden weitgehend ignoriert. Für viele Sparer ein Albtraum! Die Ampel muss zeigen, dass stabilitätsorientierte Geld- und Finanzpolitik für sie mehr ist als nur ein Lippenbekenntnis!
"Lagarde ist weiterhin davon überzeugt, dass die starke Teuerung vorübergehend ist, getrieben von den hohen Energiepreisen, Angebotsengpässen im Zuge der wirtschaftlichen Erholung und Basiseffekten, wie die zeitweise Senkung der Mehrwertsteuer in Deutschland im Zuge der Coronakrise."
Ja das Thema hat man immer, wenn die Inflation mal schnell steigt und dann nicht mehr so schnell - es sind dann die Basiseffekte. Aber man erklärt nichts anderes als die Gründe der Inflation, die ja dann nie wieder eintreten werden, und man UNTERSCHLÄGT DIE CO2 ABGABE - Lagarde wirkt auf mich UNGLAUBWÜRDIG, sie vertritt die Interessen der EU Nehmerländer und nicht die der Geberländer. Hohe Schulden in den verschiedenen Ländern macht eine Erhöhung schwierig.
Die Folge: Den verschuldeten Ländern ist ihre Verschuldung egal, da sie keine Zinsen zahlen und verschulden sich weiter.
Letztlich führt es zu einer Fehlallokation von Ressourcen - das bedeutet "jeder Schmarrn wird finanziert"! Wer zahlt? die Deutschen!
Der nächste und wichtigste Schritt: Die EZB Einlagezinsen müssen auf NULL und dürfen nicht länger negativ sein!