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Girokonto „Wir wissen nicht, was wir tun sollen“: Sparkassen kritisieren „Chaos“ infolge des Bankgebühren-Urteils

Die Sparkassen in Baden-Württemberg hoffen auf weitere Klärung durch Behörden oder Gerichte – oder auf ein Gesetz. Sie rechnen aber nur mit geringen Rückzahlungen.
30.07.2021 - 11:56 Uhr Kommentieren
Allein die Sparkassen in Baden-Württemberg verzeichneten im Juni 2021 Spareinlagen in Höhe von 162 Milliarden Euro. Quelle: dpa
Ein Sparschwein

Allein die Sparkassen in Baden-Württemberg verzeichneten im Juni 2021 Spareinlagen in Höhe von 162 Milliarden Euro.

(Foto: dpa)

Frankfurt Die Sparkassen in Baden-Württemberg setzen im Umgang mit dem BGH-Urteil zu Bankgebühren auf eine Klärung durch Behörden, Gerichte oder den Gesetzgeber. „Wir wissen nicht, was wir tun sollen. Ein Stück weit ist Chaos angerichtet worden durch die Rechtsprechung“, sagte Sparkassenpräsident Peter Schneider am Donnerstag.

Die 50 baden-württembergischen Sparkassen reagieren Schneider zufolge unterschiedlich – auch abhängig davon, ob und wann sie zuletzt Entgelte erhöht haben. Einige Kreditinstitute würden Gebühren zurückerstatten, wenn Kunden sich meldeten. „Ansonsten warten wir auf weitere Klärungen.“ Das könne durch weitere Rechtsprechung oder eine Allgemeinverfügung der Finanzaufsicht Bafin erfolgen. Schneider sieht allerdings auch den „Gesetzgeber gefordert, für Klarheit zu sorgen“.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte Ende April entschieden, dass Geldhäuser bei Änderungen von allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) die Zustimmung ihrer Kunden einholen müssen.

Die bisher üblichen Klauseln, wonach Banken von einer stillschweigenden Zustimmung ausgehen können, wenn Kunden einer Änderung nicht binnen zwei Monaten widersprechen, sind damit hinfällig. Über diesen Mechanismus haben Banken und Sparkassen bisher üblicherweise die Gebühren von Girokonten erhöht.

Geklagt hatten Verbraucherschützer gegen die Postbank, die erst für das zuvor kostenlose Konto Gebühren eingeführt und die Entgelte später noch erhöht hatte. Angesichts der in der Finanzbranche typischen und weit verbreiteten AGB sind die meisten Geldhäuser betroffen. Womöglich hat das BGH-Urteil auch Folgen für Unternehmen aus anderen Sektoren.

Streit über Ausmaß der Rückforderungen

Auch andere Teile der deutschen Kreditwirtschaft hoffen auf eine gesetzliche Regelung dazu, welche Entgelte sie womöglich zurückzahlen müssen und vor allem wie genau sie künftige Gebührenerhöhungen – mit expliziter Zustimmung der Kunden – durchsetzen können. Für Verbraucher dürfte das allerdings bedeuten, dass sich mögliche Rückzahlungen der Banken und Sparkassen noch hinziehen.

Die Bafin drückt indes aufs Tempo. Sie prüft bereits eine Allgemeinverfügung zum Thema. Bafin-Interimschef Raimund Röseler sagte dem Handelsblatt, dass die Geldhäuser sich bis Ende September um eine Lösung bemühen sollten. Danach werde man die Situation neu bewerten.

Aus Röselers Sicht ist auch noch offen, auf welches Preisniveau die Banken zurückfielen – auf die Konditionen von vor drei Jahren oder das Preisniveau bei Kontoeröffnung. Der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) geht von einer dreijährigen Frist aus, und zwar auch mit Blick auf den Zeitpunkt der Gebührenerhöhungen. Zurückfordern könnten Kunden demzufolge nur Entgelterhöhungen seit Anfang 2018. Ähnlich äußerten sich die baden-württembergischen Sparkassen.

Verbraucherschützer pochen dagegen darauf, dass die BGH-Entscheidung alle Preisanhebungen erfasst – wodurch auch weitaus mehr Bankkunden betroffen wären. Nach Auffassung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV) sind alle Entgelterhöhungen unwirksam, „die die Banken und Sparkassen in Bestandsverträge ohne aktive Zustimmung der Kunden eingeführt haben“ – also nicht nur Preiserhöhungen seit 2018.

Bislang haben bei Sparkassen und Volksbanken erst wenige Kunden Gebührenzahlungen zurückgefordert. Es gebe „sehr geringe Kundenreaktionen“, so Sparkassenpräsident Schneider. Selbst wenn die Sparkassen in Baden-Württemberg alle Gebührenerhöhungen seit 2018 zurückerstatten müssten, gehe es um einen zweistelligen Millionenbetrag.

Mit Blick auf die korrekte Zinsberechnung in Prämiensparverträgen hatte die Bafin kürzlich eine Allgemeinverfügung erlassen. Demnach müssen zahlreiche Geldhäuser Kunden Zinsen nachzahlen oder Nachzahlungen zusichern. Doch die Kreditinstitute wehren sich, mittlerweile sind 400 Widersprüche bei der Behörde eingegangen.

Spareinlagen steigen weiter deutlich

Die Sparkassen in Baden-Württemberg – wie auch in anderen Bundesländern – sehen sich weiterhin einem enormen Zuwachs an Spareinlagen gegenüber. „So viele Kredite können die Sparkassen gar nicht vergeben, wie neue Einlagen eintreffen“, sagte Schneider. Der Bestand an Spareinlagen stieg binnen eines Jahres um fast acht Prozent auf 162 Milliarden Euro.

Für die Kreditinstitute ist die Einlagenflut ein Problem, weil sie einen Teil der überschüssigen Mittel bei der Europäischen Zentralbank parken und dafür Strafzinsen von 0,5 Prozent bezahlen müssen. Schneider rechnet damit, dass die Zinsen vorerst so niedrig und auch negativ bleiben. „Wir gehen von einer Zinswende am Sankt-Nimmerleins-Tag aus“, sagte er.

Aus diesem Grunde reichen immer mehr Geldhäuser die Negativzinsen an immer mehr Kunden weiter. Auch Privatkunden sind zunehmend betroffen. Die Freibeträge, die von der Berechnung von Minuszinsen ausgenommen werden, sinken zusehends. Bei etlichen Geldhäusern betragen sie sowohl für Neu- wie auch für Bestandskunden nur noch 50.000 Euro.

„Wir haben unsere Schwierigkeiten damit, wir heißen ‚Sparkasse‘. Wir müssen den Menschen beibringen: Ihr müsst für euer Geld bei uns bezahlen.“ Das sei gegen das Grundverständnis der Sparkassen.

Angesichts des Drucks durch Negativzinsen erwarten die Sparkassen in Baden-Württemberg einen sinkenden Zinsüberschuss. Auch die höhere Risikovorsorge für Kredite belastet die Geldhäuser. Für das laufende Jahr rechnen die Sparkassen mit einem Ergebnis vor Bewertung von knapp 1,4 Milliarden Euro, das sind rund 170 Millionen Euro weniger als 2020.

Mehr: Nach Gebührenurteil: Sparkassen sehen sich massiv unter Druck

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