Venezuela kämpft mit Hyperinflation: Gewogen, nicht gezählt
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Hyperinflation in VenezuelaGewogen, nicht gezählt
Die einst so starke Währung Venezuelas ist kaum noch etwas wert. Statt sie zu zählen, landen Geldscheine immer öfter auf der Waage. Nun soll die Regierung heimlich Angebote für größere Geldscheine eingeholt haben.
05.11.2016 - 08:39 Uhr
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Venezolanischer Bolívar und US-Dollar
Für grundlegendste Einkäufe werden in Bolivien Hunderte von Scheinen benötigt.
(Foto: AFP)
Düsseldorf An einem Delikatessen-Stand im Osten von Caracas entfernt Humberto Gonzalez mehrere Scheiben Käse von seiner Waage und ersetzt diese mit einem Stapel an Bolivar-Geldscheinen, die ihm ein Kunde in die Hand gedrückt hat. Die Währung ist so stark entwertet und jeder Kauf verlangt derart viele Scheine, dass er diese wiegt statt zu zählen. „Es ist traurig“, sagt Gonzalez. „Zu diesem Zeitpunkt glaube ich, dass der Käse mehr wert ist.“ Es ist zugleich auch ein sehr deutliches Anzeichen dafür, dass das Land in eine Phase der Hyperinflation geraten könnte. Genaues ist nicht bekannt. Denn Venezuela weigert sich, regelmäßige Daten zu den Verbraucherpreisen zu veröffentlichen.
Größte Banken im Devisenhandel (2016)
Morgan Stanley
2016: Rang 10
2015: Rang 13
Quelle: Euromoney, Mai 2016
XTX Markets
2016: Rang 9
2015: nicht im Ranking vertreten
HSBC
2016: Rang 8
2015: Rang 7
Goldman Sachs
2016: Rang 7
2015: Rang 9
Barclays
2016: Rang 6
2015: Rang 3
Bank of America Merrill Lynch
2016: Rang 5
2015: Rang 6
Deutsche Bank
2016: Rang 4
2015: Rang 2
JP Morgan
2016: Rang 3
2015: Rang 4
UBS
2016: Rang 2
2015: Rang 5
Citigroup
2016: Rang 1
2015: Rang 1
Das Wiegen von Geld ist zwar nicht überall im Land zu beobachten, aber es nimmt zu. Es spiegelt Szenen der turbulenten Hyperinflation-Phasen des vergangenen Jahrhunderts wider: Deutschland nach dem ersten Weltkrieg, Jugoslawien in den 1990-er Jahren und Zimbabwe vor einem Jahrzehnt. „Wenn sie damit anfangen, Geld zu wiegen, dann ist das ein Anzeichen für eine außer Kontrolle geratene Inflation“, meint auch Jesus Casique, Direktor beim Beratungsunternehmen Capital Market Finance.
„Aber die Leute in Venezuela haben keine Ahnung, wie schlimm es wirklich ist, weil sich die Regierung weigert, Zahlen zu publizieren.“ Was einst eine der stärksten Währungen der Welt war, ist inzwischen zu einem wahren Ärgernis verkommen. Selbst für die grundlegendsten Einkäufe werden hunderte von Scheinen benötigt. Kunden stopfen diese in ihre Sporttaschen, bevor sie sich auf Straßen mit hoher Kriminalität begeben. Ladenbesitzer lagern tausende in Boxen und in überquellenden Schubladen.
Ein Land vor dem Niedergang
Nicolás Maduro
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Seit dem Tod von Hugo Chávez im Jahr 2013 ist Nicolás Maduro an der Macht. Seine Amtszeit ist bislang geprägt von einer humanitären Krise, ständigen Protesten und einem Niedergang der Wirtschaft. Entsprechend unzufrieden ist die venezolanische Bevölkerung – das zeigt sich regelmäßig bei Aufständen auf der Straße.
Venezolaner protestieren gegen die Regierung. Auf dem Schild der Frau steht „Wir sterben vor Hunger“. Angesichts der angespannten Lage in Venezuela rief der sozialistische Staatschef den Ausnahezustand aus – unter großem Protest der Opposition und der Bevölkerung. Die konservative Mehrheit im Parlament wies diese Maßnahme als nicht verfassungsgemäß zurück, das Oberste Gericht des Landes billigte anschließend jedoch die Entscheidung von Maduro. Das Gericht wird seit geraumer Zeit beschuldigt, dem Präsidenten nahe zu stehen und nicht objektiv zu urteilen.
(Foto: AFP)
Umstrittener denn je
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Das rechte Oppositionsbündnis MUD (Mesa de Unidad Democrática, Tisch der demokratischen Einheit) versucht seit Monaten, Maduro mit einem Volksentscheid abzusetzen. Die Gegner des Präsidenten sammelten dafür nach eigenen Angaben schon 1,8 Millionen Unterschriften, zudem gibt es immer wieder Massenproteste gegen Maduro. Die Regierung will das Referendum verhindern. Bei der Parlamentswahl im Dezember 2015 hatte die Opposition deutlich gewonnen – der Oberste Gerichtshof erklärte jedoch die Wahl von drei Abgeordneten der Opposition für ungültig, die damit ihre Zwei-Drittel-Mehrheit wieder verlor. Über sich selbst sagt der Sozialist: „Ich bin verrückt wie eine Ziege.“
In Venezuela fehlt es besonders an Medikamenten und Lebensmitteln. Eine Hilfsorganisation verteilt hier Medikamente in der Hauptstadt Caracas. Der Andrang ist groß, denn für viele geht es schlichtweg ums Überleben. Die Zustände in den Krankenhäusern sind katastrophal – häufig müssen Kranke und Verletzte wochenlang auf ihre Behandlung warten.
(Foto: AP)
Wirtschaftlich am Abgrund
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Die Benzinpreise seien „absurd“, sagte die Regierung zu Jahresbeginn – und erhöhte den Preis um bis zu 6000 Prozent. Schätzungen zufolge soll die Wirtschaft in diesem Jahr um rund acht Prozent schrumpfen, die Inflation auf 700 Prozent steigen. Mit ein Grund dafür: der Absturz der Ölpreise und Engpässe in der Produktion. Auch der Strom fällt regelmäßig aus.
(Foto: AP)
Keine Hoffnung, keine Zuversicht
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„Kein Essen“ – mit diesen Worten protestiert diese Frau vor Polizisten gegen den verhängten Ausnahmezustand in Venezuela. Auf einem anderen Transparent steht etwa in großen Lettern „Wir hungern“ oder „Ich möchte Venezuela in Freiheit“.
(Foto: AFP)
Auf Konfrontationskurs
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Ein kostümierter Regierungsgegner liegt nach dem Einsatz von Tränengas regungslos auf der Straße. Die „verrückte Ziege“ Maduro jedenfalls geht derzeit mit seinen Gegnern im In- und Ausland auf Konfrontationskurs. Die USA bezichtigt er, eine Invasion vorzubereiten. Verteidigungsminister General Vladimir Padrino rief das Volk daher unter dem Motto „Unabhängigkeit 2016“ zur Teilnahme an Militärübungen auf.
(Foto: AP)
Angesichts fehlender offizieller Daten müssen Volkswirte Schätzungen zur Inflationsrate abgeben. Für dieses Jahr liegen diese zwischen 200 Prozent und 1.500 Prozent. Bis jetzt hatte sich die Regierung geweigert, Geldscheine mit größeren Nennbeträgen zu drucken. Der 100-Bolivar-Schein ist aktuell der wertvollste – doch er entspricht gerade einmal rund neun Euro-Cent. Wie dem auch sei: Vor ein paar Wochen hat die Regierung fünf Gesellschaften, die Geldscheine herstellen, still und heimlich darum geben, Angebote für größere Geldscheine einzureichen, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg von einer informierten Person erfuhr. Es gehe dabei um Nennwerte von 500, 1.000, 5.000, 10.000 und vielleicht sogar 20.000. Der Anfrage zufolge sollen die neuen Geldscheine für die Zeit der Weihnachts-Bonuszahlungen bereitstehen. Normalerweise würde ein solcher Auftrag zwischen vier und sechs Monate an Zeit benötigen – und bislang wurde keiner erteilt.
Um Zeit und Kosten gering zu halten, erwägt die Regierung, nur die Farben und nicht das Design von bestehenden Geldscheinen zu ändern und Nullen zu ergänzen, berichtet die informierte Person weiter. Die Zentralbank erklärte gegenüber Bloomberg, sie wolle keinen Kommentar abgeben.
Steve Hanke, ein Volkswirt an der Johns Hopkins University, sagt, eine Neu-Denominierung von Geldscheinen „ist das Hissen einer weißen Flagge. Keiner will das machen, aber letztlich haben sie keine andere Wahl.“ Für den Moment leben die Menschen von Venezuela in einer Art von Paradoxon: Sie schwimmen im Geld, können es sich aber nur selten leisten, etwas zu kaufen.