Immobilien Ein Jahr Mietendeckel: Zehn Fakten, die Vermieter und Mieter kennen sollten

Wohnungen, Häuser und Grundstücke in Berlin bleiben begehrt.
Frankfurt Es ist ein in Deutschland beispielloses Experiment – mit bis heute ungewissem Ausgang. Genau vor einem Jahr, am 23. Februar, setzte der Berliner Senat das „Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen“ in Kraft. Der sogenannte Mietendeckel sollte dafür sorgen, dass die Preise in den meisten Berliner Wohnungen eingefroren werden – und Menschen mit geringem Einkommen leichter eine Wohnung finden.
Der Vorstoß sorgte für einen Aufschrei bei vielen Vermietern und Immobilienfirmen. Als „sehr fragwürdig“ kritisierte Rolf Buch, der Chef des größten deutschen Wohnungsunternehmens Vonovia, den Schritt. Mieter feierten ihn dagegen lautstark.
Kaum ein Thema weckt seit Jahren so starke Emotionen wie die Wohnungsnot und steigende Mieten. Zumal in der Hauptstadt, wo die Mietsteigerungen zuvor besonders drastisch ausgefallen waren.
Umso mehr stellt sich die Frage, wie nach genau einem Jahr eine erste Zwischenbilanz ausfällt: Welche Wirkung hat das Gesetz gezeigt? Und wird die Regelung Bestand haben?
Im Folgenden die wichtigsten zehn Fakten, die Mieter und Vermieter in der Debatte kennen sollten:
1. Wie viele Wohnungen sind vom Mietendeckel betroffen?
Mit dem Gesetz wurden die Mieten für rund 1,5 Millionen vor 2014 gebaute Wohnungen rückwirkend zum 18. Juni 2019 eingefroren. Ab 2022 ist lediglich eine jährliche Erhöhung von 1,3 Prozent als Inflationsausgleich erlaubt. Wird eine Wohnung wieder vermietet, muss sich der Vermieter an festgelegte Obergrenzen halten, womöglich die Miete sogar senken. Die Höchstgrenze liegt bei 9,80 Euro pro Quadratmeter. Im November mussten einige Vermieter die Mieten in laufenden Verträgen absenken.
Vom Mietendeckel ausgenommen sind nur seit 2014 gebaute Neubauten.
2. Sind die Mieten durch das Gesetz deutlich gesunken?
Tatsächlich ist ein Effekt unbestreitbar. Die Angebotsmieten in Berlin sind laut Immobilienscout24 binnen Jahresfrist um 7,8 Prozent gesunken. So werden Bestandswohnungen, die vor 2014 fertiggestellt worden sind, im Januar 2021 im Schnitt zu 9,64 Euro je Quadratmeter zur Miete angeboten. Im Januar 2020 hatte der Wert noch bei 10,46 Euro gelegen.
Die Berliner Miet- und Kaufpreise hätten sich seit Inkrafttreten des Deckels für betroffene Immobilien schwächer entwickelt als in anderen deutschen Großstädten, heißt es auch in einer am Dienstag veröffentlichten Ifo-Studie. Die Wachstumsraten bei den Kaufpreisen hätten seit dem dritten Quartal um fünf bis neun Prozentpunkte unter den Raten der Kontrollgruppe gelegen, sagte Ifo-Chef Clemens Fuest. Dagegen seien die Miet- und Kaufpreise bei nicht gedeckelten Immobilien zuletzt stärker gestiegen als im Durchschnitt der übrigen Großstädte.
3. Gibt es nun mehr Angebote am Wohnungsmarkt in Berlin?
Eher nicht. Das Angebot an neu inserierten Mietwohnungen mit gedeckelten Mieten ist laut Immoscout24 in Berlin deutlich gesunken, sodass ein Wohnungssuchender inzwischen mit einem härteren Konkurrenzkampf rechnen muss. So ist das Angebot an neu inserierten Wohnungen, die unter den Mietendeckel fallen, um 30 Prozent eingebrochen. Das Angebot an Mietwohnungen insgesamt fiel innerhalb eines Jahres um 19 Prozent.
Die Wohnungssuche in Berlin sei „schwieriger denn je“, schlussfolgert der Geschäftsführer von Immoscout24, Thomas Schroeter. In vielen anderen deutschen Metropolen hingegen stieg das Angebot im gleichen Zeitraum um elf bis 66 Prozent; nur Hamburg verzeichnete einen minimalen Rückgang.
4. Hat das Gesetz den Neubau von Wohnungen angekurbelt?
Für Vonovia-Chef Rolf Buch ist das Urteil klar. Es sei Fakt, „dass das Vorgehen des Berliner Senats nicht die beabsichtigte Wirkung auf den Markt hatte. Das Angebot an freien Wohnungen ist nicht gestiegen, sondern gesunken“, sagte er jüngst. Das Angebot an Wohnraum gehe zurück, Investitionen und Projektentwicklungen verlagerten sich in das Umland der Hauptstadt, kritisierte auch der Berliner Immobilieninvestor Jakob Mähren.
Tatsächlich wurden von Januar bis September in Berlin weniger Baugenehmigungen erteilt als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. In der Hauptstadt wurden demnach im Wohnungs- und Nichtwohnungsbau etwa 2482 Genehmigungen für Bauvorhaben übermittelt, wie das Amt für Statistik mitteilte. Das war ein Minus von 13,7 Prozent.
Der Baumotor müsse erst einmal anlaufen, hält der Berliner Bausenator Sebastian Scheel dagegen. Die Zeit, die Berlin durch den Mietendeckel bekomme, müsse genutzt werden, um den angespannten Wohnungsmarkt zu entspannen.
5. Haben sich die Hoffnungen in das Gesetz erfüllt?
Das ist Ansichtssache. Der Berliner Bausenator Scheel hält das Gesetz nach wie vor für richtig. Von den sieben großen Städten Deutschlands habe allein Berlin einen Rückgang bei den Angebotsmieten zu verzeichnen gehabt. Weltweit gebe es in großen Städten ein Mietenproblem und Verdrängung. Dass der Mietendeckel auch in ähnlicher Weise in spanischen Städten übernommen werde und in London diskutiert werde, zeige, dass Berlin eine gute Lösung gefunden habe.
Immobilienbesitzer und Wohnungsfirmen sehen das jedoch völlig anders. „Um den Menschen in der Stadt zu helfen, benötigen wir mehr Wohnungen und damit mehr Neubau“, kritisierte Michael Zahn, Vorstandschef des Dax-Konzerns Deutsche Wohnen, der stark in der Hauptstadt engagiert ist. „Der Mietendeckel bewirkt das Gegenteil.“
6. Wann wird über die Rechtmäßigkeit des Berliner Mietendeckels entschieden?
Die Fraktionen von CDU/CSU und FDP im Bundestag haben beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe im vergangenen Mai einen Antrag auf Normenkontrolle gegen das „Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen“ in Berlin eingereicht.
Hinter dem Begriff „Normenkontrolle“ steckt die Möglichkeit, ein beschlossenes Bundes- oder Landesgesetz in Karlsruhe daraufhin überprüfen zu lassen, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Außerdem haben mehrere Fachgerichte das höchste deutsche Gericht in dieser Sache angerufen.
Mit einer Entscheidung rechnen Experten im zweiten Quartal 2021. Einen Eilantrag gegen den Mietendeckel lehnten die Verfassungsrichter im November ab, da den Vermietern kein schwerer Nachteil dadurch drohe, dass seit November die zweite Stufe der Regelung gültig ist, die Mietsenkungen vorsieht.
7. Müssen sich Mieter auf Nachzahlungen einstellen, wenn das Gericht das Gesetz verwirft?
Prinzipiell schon. Seit der Mietendeckel in Berlin gilt, tauchen in vielen Inseraten und Verträgen zwei Mietpreise auf. Der eine orientiert sich an der gesetzlich festgelegten Obergrenze für Kaltmieten gemäß dem Mietendeckel-Gesetz. Der andere beschreibt den Marktpreis, den der Vermieter nehmen würde, gäbe es das Gesetz nicht. Er soll fällig werden, falls ein entsprechendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts das Gesetz kippt. Das lassen sich manche Vermieter bei Neuabschlüssen zusichern. Sollte der Mietendeckel kippen, könnten also Nachzahlungen drohen.
„Wir wären in diesem Fall dazu verpflichtet, die reduzierten Mieten zurückzufordern“, sagte jüngst eine Deutsche-Wohnen-Sprecherin. Der Berliner Senat sieht solche „Schattenmieten“ kritisch. „Für Betroffene ist das eine schwierige Situation“, sagte Bausenator Scheel. Er empfiehlt Mietern, die eingesparte Miete bis zu einer endgültigen juristischen Klärung auf die Seite zu legen.
8. Werden andere Städte dem Beispiel Berlins folgen?
Konkrete Pläne in anderen deutschen Städten sind bisher nicht bekannt. Viele Politiker warten ab, was das Bundesverfassungsgericht entscheiden wird.
In München konnte eine Initiative zwar rund 35.000 Stimmen für ein Volksbegehren für einen Mietenstopp sammeln. Doch der Bayerische Verfassungsgerichtshof erklärte im vergangenen Sommer das Begehren als nicht mit dem Bundesrecht vereinbar. Auch in Frankfurt wird immer wieder über ein Einfrieren der Wohnungspreise diskutiert. Doch in der hessischen schwarz-grünen Landesregierung stoßen die Vorstellungen der Frankfurter Stadtpolitiker bisher auf keine Resonanz.
9. Gibt es Erfahrungen im Ausland?
New York hatte 1962 einen Mietendeckel eingeführt. Zwar belegt das Beispiel, dass ein solch radikaler Schritt die Mieten langfristig deutlich langsamer ansteigen lässt. Im Gegenzug kam es allerdings zu einem fortschreitenden Verfall der Bausubstanz.
Immobilienexperten verweisen auch auf Lissabon: Dort wurde 1947 ein Mietendeckel eingeführt, der über Jahrzehnte bestehen blieb. Auch hier blieben Investitionen aus, Gebäude verfielen.
In Stockholm ist dagegen die Höhe der Miete schon länger streng reguliert, mit dem Ziel, Mieter zu schützen. Wer allerdings in Stockholm eine Wohnung sucht, muss viele Jahre warten. Elf Jahre kann es dauern, in begehrten Lagen auch mal 30. Hiervon profitiert der Schwarzmarkt. Oftmals fließen im Rahmen einer Mietvertragsschließung Abstandszahlungen von bis zu 50.000 Euro. Gutverdiener profitieren häufig, da nur sie diese Geldbeträge aufbringen können.
10. Wird der Berliner Mietendeckel verlängert?
Aller Voraussicht nach nicht. Berlins Bausenator Scheel hat für Berlin bereits klargestellt: Der Mietendeckel in der Hauptstadt sei temporär angelegt, um „das Marktungleichgewicht zu bereinigen. Wir mussten uns Zeit verschaffen“, sagte er der Tageszeitung „taz“ im November. Ziel sei es, in fünf Jahren einen ausgeglichenen Markt herzustellen. Senken die Verfassungsrichter in Karlsruhe in diesem Jahr allerdings den Daumen, dürfte es um den Mietendeckel noch deutlich früher geschehen sein.
Mehr: Die Bilanz zum Wohngipfel fällt mager aus – Große Koalition verfehlt ein Hauptziel
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Ach wie recht hat doch Herr Peters, alles was er jetzt schildert, wurde vor Einführung des "Mietendeckels" schon angekündigt. Es kann ja auch nur in Berlin sein, dass die einen solchen Unsinn verzapfen, Berlin wurde schließlich aus dem "dritten Reich" kommend noch einmal vierzig Jahre lang sozialistisch indoktriniert. Die These nach der "Wende" lautet ja : "Jetzt machen wir ja den demokratischen Sozialismus." Als ob das möglich wäre!!! Wann lernen wir mal ein Wenig aus der Geschichte? In den letzten Jahren hat die Dummheit in der Bevölkerung mächtig zu genommen, ja - nicht nur Dummheit, sondern Blödheit! Aber trösten wir uns, selbst die Amerikaner hatten einen solchen Bl.....mann für vier Jahre als Präsidenten. Wenn wir uns nicht bald einmal wieder ein paar Jahre soziale Marktwirtschaft gönnen, werden die zahlreichen roten, grünen und rosanen Sozialisten uns erheblich schädigen.
Das Ganze ist ein solch unfassbarer Unfug, dass mir dieser Versuch einer nüchternen Darstellung schon sauer aufstößt. Hier wurde
- Nicht ein m2 neuer Wohnraum geschaffen
- Dem Mietmarkt substanziell Wohnraum entzogen
- Effektiv kein Euro Mietersparnis erreicht
Die vermeintliche Mietsenkung von 7,8% ist eine reine Luftnummer. Für eine frisch renovierte Altbauwohnung im Prenzlauer Berg darf nun statt 18-19 EUR nur noch knapp 8 EUR pro m2 verlangt werden, für eine Wohnung in der Platte in Marzahn 8,50 EUR. Das ist ganz offensichtlich grotesk.
Profiteure (zumindest temporär) der Regelung sind also die Mieter im teuren Prenzlauer Berg, die sich hochpreisige Wohnungen bereits leisten konnten und wollten: statt 2000 EUR pro Monat für 110 m2 zahlen diese nun noch 800 EUR – was für eine Freude! Die Mieter in Marzahn hingegen profitieren nicht.
Für Vermieter im Prenzlauer Berg stellt sich die Frage, ob sich eine Vermietung bei einem solchen Mietzins noch lohnt oder ein Verkauf an Eigennutzer nicht der bessere Weg ist. In der Konsequenz wird hochwertiger bzw. ehemals hochpreisiger Wohnraum vielfach einfach nicht mehr zur Vermietung angeboten; auch hierdurch wird der durchschnittliche Mietpreis gedrückt.
Zudem sind sämtliche Mietsenkungen unter Vorbehalt. Sollte das BVerfG das Gesetz erwartungsgemäß kassieren, werden die zwischenzeitlichen Mietstundungen fällig und sich die schönen Ersparnisse in Luft auflösen. Eine plötzliche Nachzahlung über mehrere tausend Euro dürfte für viele Mieter dann ein Problem werden – nicht alle werden vorausschauend die eingesparte Miete auf die hohe Kante legen.
Das Ganze ist deswegen so ärgerlich, weil diese Effekte so vorhersehbar waren.
Das Ganze ist ein solch unfassbarer Unfug, dass mir dieser Versuch einer nüchternen Darstellung schon sauer aufstößt. Hier wurde
- Nicht ein m2 neuer Wohnraum geschaffen
- Dem Mietmarkt substanziell Wohnraum entzogen
- Effektiv kein Euro Mietersparnis erreicht
Die vermeintliche Mietsenkung von 7,8% ist eine reine Luftnummer. Für eine frisch renovierte Altbauwohnung im Prenzlauer Berg darf nun statt 18-19 EUR nur noch knapp 8 EUR pro m2 verlangt werden, für eine Wohnung in der Platte in Marzahn 8,50 EUR. Das ist ganz offensichtlich grotesk.
Profiteure (zumindest temporär) der Regelung sind also die Mieter im teuren Prenzlauer Berg, die sich hochpreisige Wohnungen bereits leisten konnten und wollten: statt 2000 EUR pro Monat für 110 m2 zahlen diese nun noch 800 EUR – was für eine Freude! Die Mieter in Marzahn hingegen profitieren nicht.
Für Vermieter im Prenzlauer Berg stellt sich die Frage, ob sich eine Vermietung bei einem solchen Mietzins noch lohnt oder ein Verkauf an Eigennutzer nicht der bessere Weg ist. In der Konsequenz wird hochwertiger bzw. ehemals hochpreisiger Wohnraum vielfach einfach nicht mehr zur Vermietung angeboten; auch hierdurch wird der durchschnittliche Mietpreis gedrückt.
Zudem sind sämtliche Mietsenkungen unter Vorbehalt. Sollte das BVerfG das Gesetz erwartungsgemäß kassieren, werden die zwischenzeitlichen Mietstundungen fällig und sich die schönen Ersparnisse in Luft auflösen. Eine plötzliche Nachzahlung über mehrere tausend Euro dürfte für viele Mieter dann ein Problem werden – nicht alle werden vorausschauend die eingesparte Miete auf die hohe Kante legen.
Das Ganze ist deswegen so ärgerlich, weil diese Effekte so vorhersehbar waren.