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Immobilie Neuer Mietspiegel: Das ändert sich für Deutschlands Mieter und Vermieter

Vor wenigen Tagen wurde das Gesetz zur Mietspiegelreform veröffentlicht, das mehr Durchblick bei den Wohnungspreisen bieten soll. Was kommt auf die Betroffenen zu?
28.08.2021 - 11:32 Uhr Kommentieren
Um die Höhe einer angemessenen Miete gibt es immer wieder Streit. Quelle: dpa
Neubauviertel in Frankfurt

Um die Höhe einer angemessenen Miete gibt es immer wieder Streit.

(Foto: dpa)

Frankfurt Ihnen wird große Bedeutung beigemessen – entsprechend erbittert wird darum gestritten: die Mietspiegel in Deutschland. Die Datensammlung listet die Mietpreise von ähnlich ausgestatteten Immobilien einer bestimmten Lage auf und bildet so eine wichtige Berechnungsgrundlage, um zu überprüfen, ob eine Mieterhöhung berechtigt ist oder nicht.

Monatelang haben Mieter- und Vermieterverbände in diesem Jahr um eine Neuregelung der Spiegel gerungen. Nun wurde endgültig das Gesetz über die Reform des Rechts vor wenigen Tagen im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, das zum 1. Juli 2022 in Kraft tritt.

„Mit der Reform wird die seit Jahren anhaltende Diskussion über verlässliche Grundsätze beim qualifizierten Mietspiegel endlich beendet und mehr Rechtssicherheit geschaffen“, betonte Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW. Doch was ändert sich für Mieter und Vermieter bald konkret? Und welche Auswirkungen wird die Reform auf die Entwicklung der Mieten in Deutschland haben? Ein Überblick, was Experten zu den wichtigsten Fragen sagen.

1. Was unterscheidet den neuen Mietspiegel von seinem Vorgänger?

„Aus unserer Sicht ist die wichtigste Errungenschaft der Umstand, dass jetzt alle Städte ab 50.000 Einwohner einen Mietspiegel aufstellen müssen“, sagt Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes. „Das war unsere langjährige Forderung, und wir sind erfreut, dass sie am Ende umgesetzt wurde. Auch die Pflicht zur Auskunftserteilung, die Vermieter und Mieter trifft, sei in Ordnung.

Mieter und Vermieter seien, wenn sie für eine Stichprobe per Zufallsprinzip ausgewählt wurden, künftig verpflichtet, Angaben zur Größe der Wohnung, zu dem Mietpreis und Ähnlichem zu machen, ergänzt Inka-Marie Storm, Chefjustiziarin des Eigentümerverbandes Haus & Grund. Bisher waren diese Angaben freiwillig.

Wichtig dabei: Wer künftig nicht komplett und richtig antwortet, muss mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro rechnen. Allerdings gilt diese Auskunftspflicht nur dort, wo ein qualifizierter Mietspiegel erstellt wird. Bei einem einfachen Mietspiegel ist kein Bußgeld zu befürchten.

Künftig haben die Ersteller der Mietspiegel nämlich weiter die Möglichkeit, sich zwischen einem einfachen und einem qualifizierten Mietspiegel zu entscheiden. Der qualifizierte muss auf einer repräsentativen Stichprobe beruhen und auch wissenschaftlichen Grundsätzen standhalten. Für den einfachen Mietspiegel ist dagegen kein besonderes Verfahren vorgeschrieben, dieser muss aber ebenfalls dokumentieren, wie er auf seine Zahlen gekommen ist.

Beide Mietspiegel müssen also nachvollziehbar sein, denn bei gerichtlichen Streitfällen kommen diesen Instrumenten jedenfalls eine wichtige Indizwirkung zu. „Das bedeutet also: Mietspiegel sind eine wichtige Grundlage zur Bestimmung der ortsüblichen Mieten“, betont die Juristin.

2. Ab wann gilt der neue Mietspiegel?

„Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern, die wie beispielsweise Bremen bislang keinen Mietspiegel haben, haben nun bis zum 1.1.2023 Zeit, einen einfachen Mietspiegel zu erstellen“, sagt Storm. Entscheidet sich eine Stadt, die noch keinen Mietspiegel hat, für einen qualifizierten Mietspiegel, läuft die Übergangsfrist bis zum 1.1.2024.

Um einen qualifizierten Mietspiegel handelt es sich, wenn dieser nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen für zwei Jahre erstellt und von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter anerkannt wird.

Viele Details zu den Inhalten und dem Erstellungsverfahren der Mietspiegel wird jedoch erst eine Mietspiegel-Verordnung klären, die noch beschlossen werden muss. Die Neuregelung ist auch eine Reaktion darauf, dass Mietspiegel in gerichtlichen Auseinandersetzungen zuletzt verstärkt infrage gestellt wurden.

„Wir hätten uns allerdings gewünscht, dass bei Angriffen auf den Mietspiegel durch die Vermieterseite im Gerichtsprozess die Darlegungs- und Beweislast umgekehrt würde – was nicht geschehen ist“, kritisiert Siebenkotten. Immer noch könnten Vermieter die Qualifiziertheit des Mietspiegels bestreiten und es liege dann am Mieter zu beweisen, dass er doch qualifiziert ist.

3. Wie sehr wird die Mietspiegel-Reform den Markt verändern?

„Die Auswirkungen können erheblich sein, vor allem für die Städte, die nunmehr erstmalig einen Mietspiegel erstellen müssen“, sagt Steffen Sebastian, Professor für Immobilienfinanzierung an der Universität Regensburg und Leiter der gif-Mietspiegelkommission, die die Bundesregierung bei der Reform beraten hatte. Denn die vorletzte Reform, nach der nunmehr die Mieten der letzten sechs Jahre einzubeziehen sind, habe dazu geführt, dass eine ganze Reihe von Mietspiegeln auf der Basis des alten Vier-Jahres-Zeitraums nicht mehr gültig seien.

„Nach meinen Berechnungen muss wegen der Reform jetzt in rund 70 Städten ein neuer Mietspiegel erstellt werden“, sagt Sebastian. Vor allem Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen würden davon stark betroffen sein. Aber auch für andere Bundesländer bringe die Reform Veränderungen mit sich.

4. Was ändert sich konkret durch die Reform?

„Wenn eine Stadt keinen gültigen Mietspiegel hat, ist es faktisch kaum feststellbar, wo die ortsübliche Vergleichsmiete wirklich liegt“, betont Sebastian. „Findige Vermieter können also leicht ihre Mieten erhöhen, wenn sie drei Vergleichsmieten finden, die höher als die eigene liegen.“

Erst wenn durch die Reform in allen Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern ein Mietspiegel vorliege, könnten Mieter unangemessene Mieterhöhungen einfach zurückweisen – ein Grund, warum die Mietervereine so auf die Neuregelung gedrängt hätten. Nur geringe Auswirkungen habe hingegen der längere Betrachtungszeitraum von sechs statt bisher vier Jahren bei der Berechnung der Mietspiegel.

„Die Auswirkungen der Einbeziehung durch ältere und damit im Zweifelsfall günstigere Mieten liegt in der Regel unter fünf Prozent“, betont der Experte. „Ich glaube, dass die Reform wenig Einfluss auf die Entwicklung der Mieten haben wird“, sagt auch Mieterbund-Präsident Siebenkotten.

Lediglich in den Städten, die bisher keinen Mietspiegel haben, könne es durch die Reform häufiger dazu kommen, dass die Mietpreisbremse gezogen wird, weil dort erstmals eine qualifizierte Datenbasis über die Entwicklung der ortsüblichen Mieten vorliege. „Andererseits erleben wir häufig, dass gerade nach der Erstellung eines neuen Mietspiegels unseren Mitgliedern zahlreiche Preiserhöhungen ins Haus flattern, weil viele Vermieter die neuen Zahlen zur Grundlage für Preisanhebungen nehmen“, schränkt Siebenkotten allerdings ein.

Es müsse darauf geachtet werden, dass die Mietspiegel das tatsächliche Marktgeschehen auch objektiv aufnehmen, um die ortsübliche Vergleichsmiete realitätsgetreu und differenziert wiederzugeben, betont Johannes Conradi, Partner der Anwaltskanzlei Freshfields. „Daher wird vor allem über Methodik und Qualitätskontrolle zu reden sein.“

5. Werden die Mieten wegen der Reform langsamer steigen?

„Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Mietspiegels, den Markt zu beeinflussen“, sagt Immobilienökonom Sebastian. Der Mietspiegel solle den Markt nur abbilden. Dennoch funktionierten viele Maßnahmen wie beispielsweise die Mietpreisbremse nur, wenn auch ein Mietspiegel vorhanden sei. „Es spricht also vieles dafür, dass die Existenz eines Mietspiegels auch den Anstieg etwas abfedern kann“, sagt der Experte der Universität Regensburg.

„Insbesondere schützt es Mieter vor unangemessenen Mietforderungen, da sich die Miethöhe leicht überprüfen lässt“, glaubt Sebastian. „Es könnte aber anfangs auch mehr Mieterhöhungen geben. Der Grund: Es wird durch einen Mietspiegel auch für Vermieter, die bisher gar nicht so stark auf die allgemeine Preisentwicklung geschaut haben, leichter, die Mietpreise nach oben anzupassen.“

Allerdings handele es sich dann nur um moderate Mieterhöhungen bis maximal zur Mietspiegelmiete. Hieraus könne sich aber sogar ein dämpfender Effekt ableiten, denn diese niedrigen Mieten würden dann nach einer Anpassung auch wieder in die Berechnung eines neuen Mietspiegels einfließen. „Es ist aber auch möglich, dass der eine oder andere Vermieter die Zeit noch vor der erstmaligen Einführung eines Mietspiegels nutzt, um mit Verweis auf drei Vergleichsmieten noch eine Erhöhung durchzusetzen“, so Sebastian. Das könnte dann tatsächlich auch zu allgemeinen Mietsteigerungen führen.

Johannes Conradi, Partner und Immobilienspezialist der Anwaltskanzlei Freshfields, ist da skeptischer. „Wenn bei der regelmäßigen Erstellung der Mietspiegel auf Objektivität, Qualität und Fehlerfreiheit geachtet wird, sollte die Reform keine großen Auswirkungen auf den Markt haben“, glaubt er. „Dass der Mietspiegel jetzt für alle Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern verpflichtend wird, hat keinen Einfluss auf den angespannten Wohnungsmarkt in den Großstädten.“

6. Wird der neue Mietspiegel künftig die Mietpreisbremse häufiger aktivieren?

„Auf jeden Fall“, sagte Sebastian. „Die Mietpreisbremse begrenzt ja den Anstieg bei Wiedervermietung auf zehn Prozent über den ortsüblichen Vergleichsmieten.“ In Städten wie Bremen, die zwar eine Mietpreisbremse haben, aber keinen gültigen Mietspiegel, sei das nicht umsetzbar. „Ohne Mietspiegel läuft die Mietpreisbremse ins Leere.“

Hinzu kommt, dass nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ohne Mietspiegel die Mietpreisbremse wahrscheinlich nicht verfassungsgemäß und damit ungültig sei. Insofern dürfte in den nächsten Jahren die Mietpreisbremse häufiger zur Anwendung kommen, da sie mit der Reform in vielen Städten überhaupt erstmals scharf gestellt wird, sagt der Experte voraus.

„Grundsätzlich hat sich mit der Reform die Rechtslage nicht grundlegend verändert, weshalb ich nicht erwarte, dass die Zahl der Streitigkeiten höher liegt als sonst, wenn ein neuer Mietspiegel erscheint“, fügt Siebenkotten an. „Letztlich hat ein solcher Spiegel stets eine befriedende Wirkung, weil er von beiden Seiten grundsätzlich akzeptiert ist.“

Das Instrument sei gerade deshalb so wertvoll, weil sich mit ihm viele Rechtsstreitigkeiten vermeiden lassen. Auch die Vermieter wüssten so, dass der Datensammlung eine große Bindungswirkung vor Gericht zugeschrieben wird.“

Mehr: Hohe Mieten bringen Millionen Deutsche in Not.

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