Gescheiterte Deutsche-Wohnen-Übernahme: „Das kann noch ein Desaster für Anleger werden“
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ImmobilienDSW-Chef über gescheiterte Deutsche-Wohnen-Übernahme: „Das kann noch ein Desaster für Anleger werden“
Der Deal von Vonovia und Deutsche Wohnen ist vorerst geplatzt. Aktionärsschützer Marc Tüngler, erklärt, worauf Anleger sich nun einstellen müssen.
Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) warnt die Aktionäre der Deutschen Wohnen, dass drastische Kurseinbrüche möglich sind.
Frankfurt Nach dem Aus für die geplante milliardenschwere Übernahme des deutschen Immobilienkonzerns Deutsche Wohnen warnen Aktionärsschützer Kleinanleger vor neuen Risiken bei der Aktie des Berliner Dax-Konzerns. „Wenn die Vonovia sich endgültig von dem Deal abwendet und sagt, das war es, dann würde der Kurs ordentlich leiden“, sagte Marc Tüngler, Jurist und Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), dem Handelsblatt.
Dann würde es ein Rennen darum geben, wer als Erster aus der Aktie komme, weil alle noch möglichst höhere Kurse mitnehmen wollten. „Es könnte also noch ein Desaster für die Anleger der Deutschen Wohnen werden.“
Dennoch rät die DSW den Aktionären, jetzt Ruhe zu bewahren. „Ich würde den Kleinanlegern raten, abzuwarten und aktuell nichts zu tun“, sagte er. Denn Tüngler ist zuversichtlich, dass Vonovia noch einen neuen Anlauf unternimmt. „Das Spiel geht weiter“, sagt er voraus. „Wenn man genau hört und liest, was Vonovia-Chef Buch auch im Interview mit dem Handelsblatt gesagt hat, dann ist daraus abzulesen, dass er weiterhin den Ehrgeiz hat, diesen Zusammenschluss irgendwie noch hinzubekommen.“
Investoren sollten allerdings nicht erwarten, dass Vonovia bei einer neuen Offerte deutlich mehr Geld bieten würde. „Ich würde sogar behaupten wollen, dass – wenn eine Offerte kommt – diese sich nur darin im Wesentlichen unterscheidet, dass Vonovia die klare Ansage macht, dass es das definitive Angebot ist – und die Investoren eine zweite, letzte Chance haben“, sagte Tüngler.
Marc Tüngler ist ein deutscher Rechtsanwalt und Mitglied in verschiedenen Aufsichtsratsgremien. Der 53-Jährige führt zugleich die Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).
Die Organisation wurde 1947 gegründet und sieht sich mit rund 30.000 Mitgliedern als führende deutsche Aktionärsvereinigung. Sie vertritt jedes Jahr auf über 700 Hauptversammlungen die Interessen von Kleinaktionären.
Wie sollten Kleinanleger bei der Deutschen Wohnen jetzt agieren? Für die Anleger der Deutschen Wohnen steht natürlich am meisten auf dem Spiel. Aber ich würde den Kleinanlegern raten, abzuwarten und aktuell nichts zu tun. Die Deutsche-Wohnen-Aktionäre haben das Glück, dass der Kurs der Papiere bisher nicht in den Keller gerauscht ist. Aber eines ist auch klar: Wenn die Vonovia sich endgültig von dem Deal abwendet und sagt, das war es, dann würde der Kurs ordentlich leiden. Wenn tatsächlich rund 30 Prozent der Anteile bei Hedgefonds und Finanzinvestoren liegen, die sich aus taktischen und strategischen Gründen kurzfristig eingedeckt haben, birgt das eine große Gefahr.
Und die wäre? Diese Adressen haben keinen Grund, länger in der Aktie zu bleiben, wenn der Deal endgültig abgesagt wird. Und es könnte ein Rennen darum geben, wer als Erster aus der Aktie kommt, weil alle noch möglichst höhere Kurse mitnehmen wollen. Es könnte also noch ein Desaster für die Anleger der Deutschen Wohnen werden. Mein Gefühl sagt mir, dass die Geschichte noch nicht vorbei ist.
Und was empfehlen Sie Aktionären der Vonovia? Die Vonovia-Anleger haben bei dem Deal eher am Seitenrand gestanden und können daher etwas entspannter sein. Wichtig ist, dass Herr Buch jetzt nicht einknickt und der Deal dadurch wesentlich teurer wird. Das ist für die Investoren des Bochumer Konzerns relativ wichtig, weil auch Buch als Vonovia-Chef einen Ruf zu verlieren hat. Das darf man nicht unterschätzen. Sollte er jetzt noch deutlich drauflegen, würde dies eigentlich eine enorme Schwäche des bisherigen Angebots und der strategischen Idee dahinter zeigen.
Deutsche Wohnen in Berlin
Nach der gescheiterten Übernahme der Deutschen Wohnen rätseln viele Anleger, wie sie sich verhalten sollen.
Einfach das alte Angebot erneuern kann Vonovia jetzt nicht? Nein, das alte Angebot ist jetzt durch. Vonovia muss zwar nicht ganz bei null anfangen, aber sie müssten ein neues Angebot formulieren. Das wird aber sicher nicht innerhalb von wenigen Tagen passieren. Das Tragische an dem Ausgang ist, dass Vonovia nun die Finanzierung neu aufstellen muss. Die Banken haben allerding ein gesteigertes Interesse, dass der Deal funktioniert, weshalb ich nicht glaube, dass dies zu einem Problem wird, aber das muss alles noch einmal neu aufgestellt werden.
Glauben Sie, dass Vonovia in diesem Fall auch die Offerte noch etwas anhebt? Da wäre ich eher skeptisch. Sollte sich Vonovia-Boss Rolf Buch entscheiden, ein neues Angebot vorzulegen, dann wird es wohl eher ziemlich ähnlich wie das aktuelle aussehen. Wenn Sie sich die Dealstrukturen der Vonovia in der Vergangenheit ansehen, waren die Bochumer immer sehr konsequent. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Vonovia den Preis noch einmal erhöht. Investoren sollten also nicht erwarten, dass die Bäume in den Himmel wachsen.
Was heißt das konkret? Ich würde behaupten wollen, dass – wenn eine Offerte kommt – diese sich im Wesentlichen nur darin unterscheiden würde, dass Vonovia die klare Ansage macht, dass es das definitive Angebot ist – und die Investoren eine zweite, letzte Chance haben.
Warum? Weil Vonovia auch mit dem spitzen Bleistift rechnen muss. Wir reden immer über die Aktionäre der Deutschen Wohnen. Aber Vonovia-Boss Rolf Buch ist vor allem seinen Aktionären verpflichtet. Insofern kann ich mir nicht vorstellen, dass er jetzt noch mal zwei Euro oder mehr drauflegt.
Etwa 30 Prozent betrug nach den Worten von Vonovia-Chef Rolf Buch am Ende der Anteil von Hedgefonds an der Deutschen Wohnen. Haben sich die Finanzinvestoren verrechnet? Ja, auf jeden Fall. Verrechnet ist dabei eine eher freundliche Formulierung. Die Hedgefonds haben sich letztlich einfach verzockt. Viele haben offensichtlich ihre Anteile zurückgehalten und darauf gesetzt, dass sie dann noch mehr kassieren können. Jetzt wurde aber bereits die erste Hürde nicht genommen, was die Investoren natürlich in eine Zwickmühle bringt. Alle wissen, dass es nur ein kleines Paket gebraucht hätte, um den Deal durchzubringen. Bei einem zweiten Anlauf dürften also einige Hedgefonds etwas vorsichtiger agieren. Das Problem ist aber, ob die übrigen Investoren, die angedient haben, dies bei einem zweiten Mal auch tun werden. Schließlich müssten sie ein neues Angebot auch neu annehmen.
Haben die beratenden Banken Fehler gemacht? Ich glaube, es wäre zu einfach, die Schuld jetzt bei den beratenden Banken abzuladen. Aber ich denke, die Institute hätten die Hedgefonds vielleicht etwas mehr ins Gebet nehmen und ihnen die Lage erklären müssen. Vielleicht hätte auch deutlicher gesagt werden müssen, dass man nicht noch mal etwas drauflegt. Allerdings glaube ich zugleich, dass Hedgefonds grundsätzlich eher beratungsresistent agieren. Augenscheinlich musste erst das Worst-Case-Szenario eintreten – und das tut es jetzt. Jetzt wissen sie, dass ihre gesamte Strategie scheitern kann und sie bei einem zweiten Anlauf etwas anders machen müssen.
Es sieht so aus, dass Übernahmen vor einem großen Problem stehen, weil passive Investments immer dominanter werden.
Was bedeutet der Misserfolg für Großübernahmen in Deutschland? Vonovia sieht als eines der Probleme, dass rund 20 Prozent der Anteile bei passiven Investoren liegen, die gar nicht andienen konnten, weil ihre Fonds einen Index nachbilden. Das ist ein großes Dilemma. Vor allem weil weiter sehr viel Geld in die passiven Produkte fließt. Es sieht so aus, dass Übernahmen vor einem großen Problem stehen, weil passive Investments immer dominanter werden. Das bringt enorme Unsicherheit in die Deals rein. Vor zehn Jahren haben wir das nahezu gar nicht thematisiert. Heute wackelt so ein Megadeal, weil niemand bei den passiven Produkten wirklich entscheiden kann beziehungsweise darf, weil man dort an die passive Ausrichtung des Fonds nach einem Index gebunden ist. Für zukünftige Übernahmen ist das ein großes Problem. Bei großen Gesellschaften kann das praktisch wie eine Giftpille gegen eine Übernahme wirken.
Wären Sie dafür, die gesetzlichen Regelungen dafür neu zu fassen? Gesetzlich lässt sich da eher wenig machen. Es geht ja mehr um die Anlagestrategie und Ausrichtung der Fonds. Das Problem ist doch letztlich, dass ein passiver ETF keine Entscheidung treffen darf, solange die Aktie in den entsprechenden Indizes enthalten ist.
Und wie könnte eine Lösung lauten? Das ist eine Zwickmühle, die wir so leicht nicht gelöst bekommen. Eigentlich müsste ein Unternehmen während eines Übernahmeangebots zeitweise aus dem Index herausgenommen werden, um das Dilemma zu lösen. Aber wie sollte das ohne Verunsicherung umgesetzt werden? Da ist eine einfache Lösung für mich kaum in Sichtweite. Herr Tüngler, vielen Dank für das Interview.
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