Immobilien Rückkehr der Investoren: Das langsame Comeback des New Yorker Immobilienmarkts

Das Gebäude ist bereits zum Großteil vermietet.
Foto/John Minchillo, AP
New York Aby Rosen sieht die Sache pragmatisch. „Als Vermieter muss man heute mehr bieten. Die Unternehmen legen mehr Wert auf Konferenzräume, Außenbereiche, aber auch auf Ausstattungen wie Meditations- und Pilatesräume“, attestiert der deutschstämmige Investor, der mit seiner Firma RFR Holding zu den prominentesten Immobilienentwicklern New Yorks gehört.
Entsprechend rüstet er die Büro-Immobilien in seinem Portfolio um, zu denen unter anderem das legendäre Chrysler Building, das Seagram Building an der Park Avenue und ein Büroturm an der Fifth Avenue gehört.
Denn die Pandemie hat den Immobilienmarkt im Sehnsuchtsort der Superreichen deutlich durcheinander geschüttelt. Erst langsam kämpft sich die Stadt aus der Coronakrise zurück. Der Markt für Büro-Immobilien in der Stadt hat im abgelaufenen Fiskaljahr, das am 31. März endete, knapp 17 Prozent an Wert verloren. 29 Milliarden Dollar lösten sich damit in Luft auf. Es ist der erste Einbruch seit 20 Jahren.
Das Virus stellte das städtische Leben und die alte Bürowelt in Frage, Wolkenkratzer galten plötzlich als Hochrisikogebiete. Doch mit der allmählichen Rückkehr der Normalität verschiebt sich der Fokus erneut. Große, moderne Gebäude, die auf Nachhaltigkeit und moderne Arbeitsplatzgestaltung setzen, sind gefragt. Die Zukunft manches alten Hochhauses ist dagegen ungewiss.
Nur 30 Prozent der Mitarbeiter sind an ihre Arbeitsplätze zurückgekehrt, wie Daten der Sicherheitsfirma Kastle Systems zeigen, die die Nutzung von Schlüsselkarten analysiert. Das ist deutlich weniger als ursprünglich erhofft. New York liegt damit unter dem landesweiten Durchschnitt, der bei 35 Prozent liegt. Damit leiden nicht nur die Büromieten, sondern auch die Cafes, Restaurants und Bars, die vor der Pandemie von mehr als einer Million Mitarbeitern gelebt haben, die täglich zum Arbeiten nach Manhattan gekommen sind.
Wenn der Travel-Ban am 8. November aufgehoben wird, kommen immerhin wieder Touristen und Geschäftsreisende ins Land. Doch es wird noch Jahre dauern, bis sich die Stadt von der Pandemie erholen wird.
„Ich bin optimistisch, dass sich der Büromarkt erholen wird. Aber kurzfristig gesehen gibt es viele Unsicherheiten, bis Arbeitgeber darüber entscheiden, wie sie künftig Büroflächen nutzen wollen“, gab Thomas DiNapoli, der Kämmerer des Bundesstaates New York, jüngst zu bedenken.
Erst 2025 wird sich der Markt völlig erholt haben
Er geht davon aus, dass sich der Markt erst 2025 vollständig erholt haben wird. Das hat ernsthafte Konsequenzen für Amerikas größte Stadt, die besonders stark von Steuern auf Gewerbeimmobilien abhängig ist.

Gerade die älteren Gebäude sind unbeliebt.
Grund für die langsame Erholung ist auch die uneinheitliche Entwicklung bei den vielen Wolkenkratzern Manhattans. „Der Markt ist in zwei Teile gespalten: Die neuen und frisch renovierten Gebäude, mit modernen Lüftungsanlagen und viel Tageslicht sind beliebt. Die vielen anderen Gebäude aber, die eigentlich schon vor Jahren hätten renoviert werden müssen, leiden noch sehr stark“, sagt Ruth Colp-Haber, Chefin des auf Büro-Immobilien spezialisierten Maklerbüro Wharton Properties.
Das Phänomen lässt sich unter anderem bei One Vanderbilt beobachten. Der 93-stöckige Turm am Bahnhof Grand Central wurde im vergangenen Jahr, mitten in der Pandemie, eröffnet und ist dennoch bereits zu 90 Prozent vermietet. Rosens Chrysler Building ist zu 70 Prozent belegt und wird gerade für 200 Millionen Dollar renoviert. „Die Mieter schätzen das, was wir machen“, so Rosen. Die Investitionen würden dabei helfen, Mieter zu halten und neue anzulocken – und dann auch die Preise wieder erhöhen zu können.
Neue Büros der Deutschen Bank
Die Deutsche Bank hat gerade ihr neues Büro am Central Park eröffnet, das ganz für das Post-Corona-Zeitalter ausgerichtet ist: Auf jeder Etage gibt es Bereiche, in denen sich Mitarbeiter spontan zusammensetzen können, um Dinge zu besprechen. „Das ist schließlich das, warum wir heute ins Büro kommen. Wir haben gezeigt, dass wir die stille, produktive Arbeit sehr gut von zu Hause erledigen können“, sagte Amerika-Chefin Christiana Riley vergangene Woche im Handelsblatt-Interview.
80 Prozent der Mitarbeitenden in New York können zwei Tage pro Woche von zu Hause arbeiten. Alle hätten ohnehin längst einen Laptop, mit dem von überall aus gearbeitet werden könne, auch innerhalb des Gebäudes. Daher braucht die Deutsche Bank auch insgesamt weniger Bürofläche. Der alte Wolkenkratzer an der Wall Street, den die Bank gemietet hatte, soll zunächst für eine viertel Milliarde Dollar renoviert werden, bevor neue Mieter einziehen können.
Über die Frage, was mit den alten, ungeliebten Gebäuden passieren soll, wird derzeit leidenschaftlich diskutiert. „Wenn sie ganz leer sind und in einer einigermaßen guten Lage, dann könnte man sie in Wohngebäude umwandeln“, glaubt Rosen. Das ist jedoch aufwendig und teuer. Maklerin Colp-Haber hält es auch für möglich, dass die alten Gebäude ganz abgerissen werden um Platz für neue, moderne Immobilien zu machen.
Positive Signale kommen vor allem von den großen Tech-Konzernen. So hat sich Google für 2,1 Milliarden Dollar den ehemaligen Frachtterminal St John’s in Manhattan gesichert. Es ist der größte Immobilien-Deal in New York seit Beginn der Pandemie und der größte seit dem letzten Rekord, als ebenfalls Google 2,4 Milliarden Dollar für den historischen Chelsea Market zahlte. Facebook mietete fast das komplette ehemalige Postgebäude in New York. Apple sichert sich die ehemalige Macy’s-Zentrale. Amazon zahlte eine Milliarde Dollar für ein altes Kaufhaus auf der 5th Avenue, das nun in Büros umgewandelt wird.
Doch das alleine könnte nicht reichen, um den Markt zu stabilisieren. Vor allem, weil das hybride Arbeiten so schnell nicht mehr verschwinden wird. Die Deutsche Bank hält inzwischen für 150 Mitarbeiter nur noch 100 Arbeitsplätze vor. Ähnlich sieht es bei der Citigroup aus, die vielen ihren Mitarbeitern ebenfalls erlaubt, zwei Tage pro Woche von zu Hause zu arbeiten. Sie bietet zudem Shuttle-Busse zu den großen Bahnhöfen an, damit die Banker nicht mit der U-Bahn fahren müssen, wo das Infektionsrisiko höher ist und es zuletzt auch immer wieder zu gewalttätigen Vorfällen kam.
Viel Leerstand rund um den Bahnhof Grand Central
Selbst Wall-Street-Häuser wie Morgan Stanley und JP Morgan, die sehr früh die Banker zurück in die Bürotürme geordert hatten, müssen nun zurückrudern. „Ich habe gesagt, dass alle zurück sollen, aber nicht, dass alle die ganze Zeit da sein müssen“, betonte Morgan-Stanley-CEO James Gorman Mitte Oktober im US-Börsensender CNBC.

Zwar ist der Verkehr inzwischen wieder zurückgekehrt – viele Ladenflächen stehen aber immer noch leer.
„Der Freitag ist ohnehin tot“, stellt Investor Rosen klar. „Niemand will mehr freitags ins Büro kommen.“ Die Folgen dieser neuen Arbeitswelt sind überall in Manhattan zu beobachten. Die Stadt ist zwar deutlich belebter als im Frühjahr. Doch die vielen leerstehenden Verkaufsflächen, die vor der Pandemie vor allem von Touristen und Berufspendlern abhängig waren, haben noch keine Nachfolger gefunden.
Zum Ende des zweiten Quartals waren knapp 30 Prozent der Läden rund um den Bahnhof Grand Central leer, wie aus einem Bericht des Real Estate Board of New York hervor geht. In den angrenzenden Vierteln sieht es ähnlich aus. Wer in diesen Tagen über die Fifth Avenue läuft, eigentlich die Prachtstraße für den Einzelhandel, der sieht an jedem Block leere Flagship-Stores.
Das Sushi-Restaurant Sen Sakana in der Nähe des Bryant Park gehört zu den vielen Betrieben, die mittags gar nicht mehr aufmachen. Früher war das Restaurant ein beliebter Treffpunkt für ein klassisches New Yorker „Power Lunch“. Nun jedoch „lohnt es sich für uns einfach nicht, weil nicht genug Leute in der Stadt sind“, sagt einer der Kellner. Wenn alles gut geht, könnte der Japaner im November wieder mittags öffnen. „Aber darauf wetten würde ich nicht. Wir sind froh, dass es abends immerhin wieder einigermaßen voll ist.“
Mehr: Google kauft Immobilie in New York für 2,1 Milliarden Dollar
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.