Immobilienbranche Einstieg bei Engel & Völkers: Finanzinvestor Permira investiert in die digitale Transformation

Der Schritt in ein neues Geschäftsfeld abseits der Immobilienvermittlung kommt nicht ganz überraschend.
Frankfurt Den Namen Engel & Völkers kennt wohl jeder, der schon einmal eine Immobilie ge- oder verkauft hat – vor allem, wenn sie nicht ganz billig ist: Besonders für wohlhabende Kunden gilt der Makler, der seit über 40 Jahren am Markt aktiv ist, als erste Anlaufstelle. Doch künftig verbirgt sich hinter der bekannten Marke ein weiterer Name: das Private-Equity-Haus Permira. Der Finanzinvestor wird eine Mehrheitsbeteiligung von 60 Prozent an Engel & Völkers übernehmen. Es ist eine Partnerschaft, die die Immobilienbranche aufhorchen lässt. Denn das Bündnis ist auch Ausdruck des Wandels, den die Branche im Zuge der Digitalisierung durchlebt.
So wird Permira die Gesellschaft dabei unterstützen, das Geschäftsmodell weiter zu digitalisieren und die nächsten Schritte bei der Internationalisierung zu gehen. Im Zuge der digitalen Transformation soll unter anderem das Angebot für Immobilienberater verbessert und die Technologisierung interner Prozesse im Marketing, der Mandatsakquise und der Rekrutierung qualifizierter Immobilienberater vorangetrieben werden. „Wir freuen uns sehr darauf, das Familienunternehmen gemeinsam mit Christian Völkers und der Geschäftsführung bei der digitalen Transformation zu unterstützen“, sagte Jörg Rockenhäuser, Deutschlandchef von Permira.
Man investiere bevorzugt in Marken und Marktführer mit einem Potenzial zur digitalen Transformation, diese Kombination sei bei Engel & Völkers gegeben. Das Unternehmen habe durch seine starke Marke in signifikantem Maße Zugang zu Mandaten, die man nicht über klassische Anzeigen finde.
Ziel sei es, den unter dem Markennamen unabhängig arbeitenden Maklern die besten Arbeitsvoraussetzungen zu bieten, sagt Permira-Manager David Brückmann. „Durch die weitere Verbesserung der digitalen Systeme soll ermöglicht werden, flexibel und zeitgemäß mit den Kunden zu agieren, aus dem Homeoffice, dem Café oder mobil bei der Objektbesichtigung.“
Christian Völkers, Gründer des Maklerunternehmens, ergänzte: „Unser großer Anspruch ist, das Unternehmen stets weiterzuentwickeln und Innovationen voranzutreiben. Gemeinsam mit Permira können wir Engel & Völkers als weltweiten Branchen-Pionier noch mehr stärken und meine Vision für die Digitalisierung der Marke umsetzen.“ Sven Odia, Vorstandsvorsitzender des Immobilienberaters, sagte, man rechne bis zum Ende des Jahres mit über einer Milliarde Euro Courtageumsatz.
Kein Corona-Knick
Denn trotz der Coronakrise läuft das Geschäft für Makler gut – sehr gut sogar: 2020 verbuchte die Unternehmensgruppe Engel & Völkers, unter deren Markennamen etwa 11.500 unabhängige Immobilienberater an 900 Standorten in mehr als 30 Ländern agieren, einen Courtageumsatz von 937,4 Millionen Euro, rund 14 Prozent mehr als im Jahr zuvor.
Zwar gab es bei Wohnungsbesichtigungen und der Abwicklung von Kauf- und Verkaufsaufträgen zwischenzeitlich wegen der Kontaktbeschränkungen sowohl in Deutschland wie auch in anderen Ländern Probleme – doch als das Geschäft wieder in die Gänge kam, ging es umso betriebsamer zu. Gerade Wohnimmobilien – das Kerngeschäft von Engel & Völkers – sind gefragt. Die Preise steigen stetig in die Höhe und damit auch die Maklercourtage.
Nicht einmal gesetzliche Beschränkungen in Deutschland scheinen die Hamburger zu treffen: Ende Dezember 2020 trat eine Gesetzesänderung in Kraft, der zufolge sich Verkäufer und Käufer beim Immobilienkauf die Kosten für den vermittelnden Immobilienmakler teilen müssen. Manche Experten hatten erwartet, dass deswegen die Maklercourtage sinkt und die Anbieter unter Druck geraten. Aber schnell zeichnete sich ab, dass vor allem kleinere Anbieter leiden. Große Adressen wie Engel & Völkers oder Onlineanbieter wie McMakler oder Homeday sahen sich gar als Profiteure.
Und so stieg der Umsatz von Engel & Völkers auch im ersten Halbjahr weiter: Man verbuchte einen sogenannten „Markencourtageumsatz“ von 565,5 Millionen Euro – knapp 70 Prozent mehr als im Jahr zuvor. „Wir stehen so gut da wie nie zuvor“, sagt Firmenchef Odia im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Die ersten sieben Monate des Jahres waren für uns unglaublich erfolgreich. Wir handeln aus einer Position der Stärke. Dies ist der perfekte Moment für den Quantensprung.“
Von dem Einstieg des Finanzinvestors erhoffe man sich vor allem Unterstützung bei der Digitalisierung, die der Immobilienmakler als „riesige Chance“ betrachtet. „Wir haben unsere Prozesse bereits standardisiert und automatisiert. Mit Unterstützung von Permira werden wir unser Angebot als „tech-enabled brokerage“ weiter vorantreiben. Von der Bewertung der Immobilien über den Vermarktungsprozess bis hin zum After-Sale-Service werden wir unsere Mitarbeiter mit innovativer Technologie unterstützen. Wir glauben ganz stark an die weitere umfassende Digitalisierung der Immobilienbranche.“
Im Vordergrund der künftigen Strategie steht laut Rockenhäuser organisches Wachstum, Zukäufe könnten in Zukunft bei der Internationalisierung eine Rolle spielen, stünden aber derzeit nicht im Fokus. Geografisch wird der Immobilienmakler seine Marktpositionen im Süden Europas, aber auch in den USA ausbauen.
Gleichwohl lief zuletzt gerade im Ausland nicht immer alles glatt: Manche Lizenzpartner vertrieben Investitionsprodukte, mit denen Anleger Geld verloren. Den Kunden war wohl nicht bewusst, dass nicht überall, wo Engel & Völkers draufsteht, auch Engel & Völkers drin ist.
„Die Internetplattformen haben den Markt verändert“
Dass die Branche einen Wandel durchlebt, beobachten auch Branchenexperten wie Immobilienexperte Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW). „Früher waren Kontakte vor Ort wichtig, aber die Internetplattformen haben das Geschäft verändert“, sagt er. Vor allem für die jüngere Generation gelten Anbieter wie Immoscout24, Immowelt oder McMakler als erste Anlaufstelle, wenn sie eine Immobilie suchen oder anbieten. „Der Einstieg von Finanzinvestoren könnte die Erwartung widerspiegeln, dass eine Konsolidierung bevorsteht“, meint der Immobilienökonom. Und bei einer Konsolidierung dürften die größeren Anbieter profitieren.
Auch diese stehen vor der Herausforderung, die Digitalisierung voranzutreiben. „Durch die Ausweitung des Angebots – etwa bei der Erstellung von Wertgutachten, dem Angebot von 360-Grad-Besichtigungen via Internet oder bei der Finanzierung – hofft man, den Kunden von sich zu überzeugen und damit mehr Geschäft zu machen“, sagt Voigtländer. Aber das kostet Geld – über das Finanzinvestoren wie Permira verfügen.
Auch die Konkurrenz von Engel & Völkers hatte sich bereits finanzielle Unterstützung geholt. Vor einigen Jahren war die Deutsche Beteiligungs AG (DBAG) bei dem Frankfurter Makler von Poll Immobilien eingestiegen. Laut dem aktuellen Geschäftsbericht erwarb die börsennotierte Private-Equity-Gesellschaft für Anschaffungskosten von 11,7 Millionen Euro 30,1 Prozent. Bei Bekanntgabe der Transaktion vor drei Jahren hatten die Beteiligten darauf verwiesen, dass man in die Internationalisierung investieren wolle – und in die Digitalisierung. Torsten Grede, Vorstandschef der DBAG, hatte vor allem die „in hohem Maße skalierbare Plattform“ der neuen Beteiligung hervorgehoben, über die – wie bei Engel & Völkers – die Makler in einer Art Franchisesystem überwiegend von selbstständigen Partnern betrieben werden.
Operativ keine Veränderungen bei Engel & Völkers
Mit der Transaktion entfernt sich Engel & Völkers jedoch ein Stück weit weg von seinen Wurzeln, wenngleich die Familie Völkers und ein Teil der Geschäftsleitung knapp 40 Prozent der Anteile behalten.
Engel & Völkers geht zurück auf Christian Völkers, der 1981 in die vier Jahre zuvor gegründete Firma seines Freundes Dirk C. Engel eingestiegen war. Der heutige Vorstandsvorsitzende Sven Odia ist seit 2006 Vorstandsmitglied und wurde 2014 zum Co-Chef neben Christian Völkers. Nach fast sieben gemeinsamen Jahren mit dem Gründer Völkers an der Spitze übertrug Völkers im vergangenen Sommer die operative Führung vollständig an Odia und wechselte an die Spitze des Aufsichtsrats.
An dieser Konstellation soll sich auch nach dem Einstieg von Permira nichts ändern: Der Vorstand von Engel & Völkers wird als Geschäftsführung in dieser Zusammensetzung bestehen bleiben, Völkers wird Vorsitzender des Beirats, in den außerdem die Permira-Vertreter Rockenhäuser und Brückmann eintreten.
Über die finanziellen Details wurde Stillschweigen vereinbart. Branchenkreise veranschlagen den Unternehmenswert von Engel & Völkers auf knapp 700 Millionen Euro, den Transaktionswert auf rund 400 Millionen.
Permira ist bereits in 40 Unternehmen investiert
Permira ist eine globale Beteiligungsgesellschaft, die 1985 gegründet wurde. Die von Permira beratenen Fonds haben mehr als 250 Private-Equity-Transaktionen in vier Schlüsselsektoren getätigt: Technologie, Konsumgüter, Dienstleistungen und Gesundheitswesen.
Das Unternehmen hat bereits 10,7 Milliarden Euro in 40 Unternehmen aus den Bereichen Proptech, Finanzdienstleistungen und anderen Business Services investiert. Der Finanzinvestor beschäftigt mehr als 350 Mitarbeiter an 15 Standorten in Europa, Nordamerika und Asien, darunter auch in Frankfurt.
In Deutschland ist Permira unter anderem in Teamviewer, Best Secret, Neuraxpharm und Flixmobility investiert. Private-Equity-Fonds kaufen Konzernteile und Mittelständler, um sie innerhalb von vier bis sieben Jahren zu restrukturieren und über Zukäufe zu stärken. Dann werden die Assets an andere Finanzinvestoren oder strategische Interessenten weiterverkauft oder an die Börse gebracht.
Geldgeber für die Private-Equity-Fonds sind institutionelle Investoren wie Versorgungswerke, Versicherungen und Pensionskassen. Wegen der Nullzinspolitik der Notenbanken sind die Mittelzuflüsse in den vergangenen Jahren stark gestiegen, weil die Fonds in der Regel eine zweistellige Rendite anstreben. Solche Renditen sind mit Staatsanleihen nicht mehr zu erzielen.
In den vergangenen Jahren sind die Private-Equity-Häuser verstärkt bei Familienunternehmen eingestiegen, etwa beim Schuhhersteller Birkenstock oder dem Prothesenspezialisten Ottobock. „Familienunternehmen sind heute offener für Finanzinvestoren, die wie wir auf Wachstum ausgerichtet sind. Wir stehen mit Christian Völkers schon seit rund dreieinhalb Jahren in Kontakt“, sagte Rockenhäuser dem Handelsblatt.
Familienunternehmen und inhabergeführte Firmen werden zunehmend interessant für Private-Equity-Fonds, zumal die Finanzinvestoren auch bereit sind, Minderheitsbeteiligungen einzugehen. Das Engagement bei Engel & Völkers finanzierte Permira aus dem jüngsten Fonds, der gut zehn Milliarden Euro schwer ist und nun zu knapp 70 Prozent investiert ist. Bis Anfang Juni erreichten die Transaktionen mit Beteiligung von Finanzinvestoren in Deutschland ein Volumen von 22 Milliarden Dollar gegenüber 25 Milliarden Dollar in der Vergleichszeit des Vorjahres.
In das vergangene Jahr fiel allerdings auch der Kauf der Aufzugssparte von Thyssen-Krupp durch Finanzinvestoren, was ein milliardenschwerer Megadeal war. In Europa stieg der durchschnittliche Transaktionswert im ersten Halbjahr auf 1,4 Milliarden Dollar nach gut einer Milliarde Ende 2020.
Das liegt auch an den immer größer werdenden Fonds. Der schwedische Investor EQT sammelte beispielsweise zuletzt laut dem Informationsdienst Preqin 19 Milliarden Dollar ein. Das verwaltete Vermögen der Private-Equity-Branche lag zuletzt weltweit bei gut fünf Billionen Dollar, davon wurden 188 Milliarden frisch im ersten Quartal 2021 eingesammelt. Das nicht investierte Kapital – das trockene Pulver – addierte sich auf 1,6 Billionen Dollar. Entsprechend intensiv suchen die Manager in Deutschland und weltweit nach Übernahmezielen.
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