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Londoner Immobilienmarkt Nach dem großen Rausch

Der Brexit sorgt für Ernüchterung am Londoner Immobilienmarkt. Statt einer Fortsetzung des Booms droht nun ein Preisrutsch. Doch die Schnäppchenjäger stehen schon bereit. Sie haben gute Gründe, jetzt zu kaufen.
07.07.2016 - 06:14 Uhr Kommentieren
Der Käufer machte kurz vor der Unterschrift einen Rückzieher. Quelle: PR
Cannon Place in London

Der Käufer machte kurz vor der Unterschrift einen Rückzieher.

(Foto: PR)

Frankfurt, London, Düsseldorf Auf den Baustellen in London herrscht Alltag: Überall in der Stadt wird gebaggert, gebohrt und gebaut – von Stillstand keine Spur. Und doch ist die Immobilienbranche zwei Wochen nach dem Referendum über die Mitgliedschaft in der Europäischen Union (EU) in Aufruhr. Fast täglich wird in britischen Medien über den Wegzug von Banken, Fondsgesellschaften oder Industrieunternehmen spekuliert. Und dann mussten gleich mehrere große Fondsgesellschaften in den vergangenen Tagen ihre Immobilienfonds einfrieren – ein Warnsignal für die gesamte Branche – schließlich investieren die Fonds meist in Gewerbeimmobilien in besten Lagen.

Das Brexit-Votum trübt die britischen Konjunkturaussichten und damit auch die Nachfrage nach Immobilien. „Die Stimmung mit Blick auf den innerstädtischen Büroimmobilienmarkt hat sich deutlich verschlechtert“, meint Analyst Eduardo Gorab von der Beratungsgesellschaft Capital Economics. Erste Deals seien bereits geplatzt, erzählt man sich in London hinter vorgehaltener Hand. Etwa der Verkauf des „Cannon Place“: Die Unterschrift für den Bürokomplex mit einer Fläche von gut 36.000 Quadratmetern in der Innenstadt stand kurz bevor. Doch der Käufer machte einen Rückzieher.

Auch deutsche Offene Immobilienfonds, die mit rund acht Milliarden Euro auf der Insel engagiert sind, halten sich zurück. So brach Union Investment Real Estate schon vor dem Brexit-Votum am 23. Juni die Verhandlungen über den Erwerb eines Londoner Projekts ab.

Die Abstinenz der Käufer ist bereits an den Umsatzzahlen des ersten Halbjahres abzulesen. Weil die Investoren noch vor der Volksabstimmung vorsichtig wurden, sackte der Wert der Transaktionen von 35 Milliarden Pfund auf 22 Milliarden Pfund ab. Experten sind sich sicher, dass die Skepsis der Investoren auf die Preise durchschlagen wird. Christian Ulbrich, deutscher Präsident des weltweit agierenden Immobiliendienstleisters JLL, erwartet, dass sehr gute Objekte in London kurzfristig fünf bis zehn Prozent ihres Wertes verlieren. „Wenn noch weitere Fonds schließen, dürfte das Minus eher bei zehn Prozent liegen.“ Die Fonds zogen die Notbremse, um nicht zu Notverkäufen gezwungen zu sein.

Wer jetzt noch in London investiere versuche die Preise zu drücken, meint Marcus Lemli, Europa-Chef beim britischen Maklerhaus Savills. Vor allem ausländische Anleger lauern auf noch bessere Kaufgelegenheiten, weil das Pfund gegenüber Euro und Dollar an Wert verliert. Preiskorrekturen und Kursverluste könnten Londons Gebäude für Dollar-Anleger bis zu 20 Prozent billiger machen, schätzt JLL-Manager Ulbrich. „Dann werden nicht in Pfund zahlende Anleger zuschlagen.“ Bereuen werden sie es nach Ulbrichs Einschätzung nicht. Er geht davon aus, dass sich der Londoner Markt wieder erholt und „die Mieten in fünf Jahren tendenziell eher höher sein“ werden als heute.

Hinter dem langfristigen Optimismus für London stehen zwei wichtige Gründe. Anders als in der Finanzkrise nach der Lehman-Pleite im Jahr 2008 komme kein Druck von den Banken, weil die Investoren weniger hoch verschuldet sind. Als anderen nennt Ulbrich: Gebäude, die in den nächsten Jahren fertig würden seien weitgehend vorvermietet. Es wird voraussichtlich also nicht zu großem Leerstand kommen.

Die zumindest vorübergehende Schwäche des Londoner Gewerbeimmobilienmarkts will die europäische Konkurrenz ausnutzen. Nicht nur Frankfurt schlägt bereits kräftig die Werbetrommel. Doch die Makler bremsen die Euphorie. Frankfurt etwa verfüge was Gewerbeimmobilien angeht nicht über die nötige Infrastruktur und auch Dublin oder Paris hätten Nachteile, meint Walter Boettcher von Colliers International. Außerdem würden die Unternehmen dort ihr Quartier aufschlagen, wo sie die besten Talente fänden, und das sei für die Finanzindustrie nun einmal London.

„Sicher, einige Firmen werden abwandern“, räumt Boettcher ein – aber das werde Jahre dauern. Zahlen, dass in den kommenden vier Jahren in der britischen Finanzmetropole 70 000 bis 100 000 Arbeitsplätze wegfallen könnten, sieht man in der Londoner Immobilienbranche gelassen. Sollten 100 000 Jobs wegfallen, entspreche das zwar 19 Prozent der Jobs in der Finanzbranche – doch lediglich 4,4 Prozent aller Arbeitsplätze in Londoner Büros, rechnet Gorab von Capital Economics vor.

In Frankfurt ist die Leerstandsquote nach vielen Jahren endlich unter zehn Prozent gefallen und betrug nach Zahlen von Savills Ende Juni 8,8 Prozent. In keiner deutschen Metropole stehen mehr Büros leer und in Frankfurt wäre der Leerstand auch jetzt noch höher, wären nicht viele nicht mehr vermarktbare Büroräume in Wohnungen umgewandelt worden.

Nur 250 000 Quadratmeter leerstehende Bürofläche haben die Qualität und Lage im Bankenviertel am Rande des Bahnhofsviertels, in der City und dem Westend, um als Standort für Finanzdienstleister infrage zu kommen. Geht man von einer durchschnittlichen Bürofläche pro Bürobeschäftigten von 27 Quadratmetern aus, mit dem die Experten von Bulwiengesa im Durchschnitt für die sieben Bürometropolen in Deutschland kalkulieren, ergäben sich daraus theoretisch 9 260 Arbeitsplätze, haben Immobilienanalysten der Dekabank ausgerechnet.

Allerdings sei in London und bei angelsächsischen Unternehmen die Fläche pro Arbeitsplatz erfahrungsgemäß in der Regel geringer als in Deutschland. Das Neubauvolumen in Frankfurt sei in diesem und dem nächsten Jahr „vergleichsweise moderat“. „Neue Büroflächen in der Innenstadt in größerem Umfang durch Hochhäuser kommen erst 2018/19 auf den Markt“, sagen die Deka-Experten. Anders als am Wohnimmobilienmarkt wird die Main-Metropole also wohl nicht in den Immobilienrausch verfallen, aus dem London gerade mit einem zumindest leichten Kater aufwacht.

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