Trendviertel 2016 – Karlsruhe: Eine Stadt hat ausgeschlafen
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Trendviertel 2016 – KarlsruheEine Stadt hat ausgeschlafen
Karlsruhe, die verträumte badische Metropole, ist aufgewacht. Die Stadt wächst mit ihrer Universität – und die Immobilienpreise wachsen mit. Doch es gibt einige Einschränkungen. Wo die attraktivsten Lagen zu finden sind.
Karlsruhe Mehmet Scholl, Co-Moderator bei der Fußball-Europameisterschaft und deutschlandweit bekannter Experte für den Umgang mit dem runden Leder, ist in Karlsruhe aufgewachsen, genau genommen in der Nordweststadt. Dort entstand im Wesentlichen direkt nach dem Krieg und in den 1960er-Jahren eine Mischbebauung vom freistehenden über das Reihen- bis zum Hochhaus. Der Stadtteil hat deshalb bis heute keine markante Mitte, keinen historischen Kern.
Zwischen Moltke- und Schweigener Straße sowie zwischen der B 36 und einem alten Flugplatz wohnt man ausgesprochen aufgelockert und ruhig. Vor allem freistehende Häuser, aber auch große Wohnblocks säumen zumeist breite und wenig befahrene Straßen ohne Durchgangsverkehr. Auch das macht die früher eher schmucklose Vorstadt heute zu einem der Trendviertel mit hohen Preissteigerungen, ermittelt für das Handelsblatt von VDP Research, dem Analysehaus der Pfandbriefbanken.
In einem der typischen Hochhäuser wuchs der spätere Europameister Scholl auf. Als jugendlicher Fußballer fuhr er mit dem Fahrrad durch den Hardtwald zum Training des KSC in den Wildpark. Damals umkurvte er den Flugplatz der US-Armee. Die Landebahn steht heute unter Naturschutz, aber aus den Wohnblöcken der amerikanischen GIs ist ein völlig neuer Stadtteil geworden.
Und würde Scholl heute von seiner damaligen Wohnung in das bei den Kindern beliebte Rappenwörther Rheinstrand- und Wellenbad radeln, hätte der Wahl-Münchener wohl Probleme, den Weg wiederzufinden. Denn zwischen der Nordweststadt und Knielingen gibt es keine Felder mehr. Der Vorort und der Stadtteil sind zusammengewachsen, die US-Kaserne mit Baseball-Platz ist verschwunden zugunsten eines riesigen Neubaugebiets mit Einkaufszentrum. Hier entstehen 600 Wohneinheiten.
Die Konversionsflächen der französischen und amerikanischen Streitkräfte haben der wachsenden nordbadischen Metropole in den vergangenen 20 Jahren viele Möglichkeiten der Expansion gegeben. Aber die reichen nicht aus. Trotz zahlreicher Neubauten im City Park, in Kirchfeld-Nord, Neureut und Knielingen übersteigt die Nachfrage das Angebot um ein Mehrfaches.
„Die Stadt könnte locker noch ein neues Gebiet wie das der US-Armee in Knielingen gebrauchen“, sagt Martin Doll, Inhaber der Immobilienberatungsfirma iKonzepte13. Selbst in den Vororten im Norden der Stadt wie Neureut, Eggenstein, Leopoldshafen oder auch Stutensee werden Wohnungen und Häuser verkauft, sobald das Bauschild aufgestellt ist. Den Käufern muss ein Blick auf den Bauplan reichen. Wer nicht schnell entscheidet, geht leer aus.
Die ganz großen Firmen fehlen
Karlsruhe ist dank der Rheinebene ideal für Fahrradfahrer. Bequem könnte sich die Fächerstadt in alle Richtungen ausdehnen, wäre da nicht im Westen der Rhein und im Osten das Autobahndreieck mit seiner Lärmbelastung. Nicht zuletzt bringt auch die historische Konzeption der Stadt Einschränkungen mit sich. Das Schloss mit der historisch vom Markgrafen vor über 300 Jahren gewünschten fächerförmigen Ausrichtung der Straßen nach Süden schafft einen einzigartigen Stadtplan.
Aber der Park und der landschaftlich geschützte anschließende Hardtwald hinter dem Schloss sorgen zwar für eine Frischluftschneise, schränken aber die innenstädtische Bebauung stark ein. Und so kommt es, dass die ewige Nummer zwei in Baden-Württemberg eine kaum bessere Marktsituation hat als die Landeshauptstadt Stuttgart.
Trendviertelerhebung: So wurde gerechnet
Für die Trendviertel-Erhebung wurden die realen Kaufpreise für Eigenheime und Eigentumswohnungen herangezogen, die von einem der 37 Mitgliedsinstitute des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (VDP) finanziert wurden. Die Banken übermitteln die anonymisierten Immobilien-Verkehrswerte, die sie ihren Kreditgutachten zugrunde legten, an das Analysehaus VDP Research. Die Berliner Experten werteten jeden Postleitzahlbereich der ausgewählten Städte exklusiv für das Handelsblatt aus. Sie wenden bei ihren Analysen statistische Verfahren an, um Unterschiede zwischen Objekten, die aus Qualität und Lage resultieren, herauszurechnen.
Trendviertel sind nach der Definition der VDP-Analysten all jene Stadtteile, in denen die Preise für Wohneigentum und die Wohnungsmieten zwischen 2012 und 2015 stärker gestiegen sind als im Durchschnitt der gesamten Stadt.
Karlsruhe, die früher etwas verschlafene badische Metropole, boomt längst. Anders als Stuttgart fehlen Karlsruhe zwar die ganz großen Firmen. Da können der Energiekonzern EnBW und der Drogist dm nicht unbedingt mit Daimler, Bosch und Porsche mithalten. Aber immerhin 30.000 Einwohner sind in den vergangenen zehn Jahren hinzugekommen.
Inzwischen sind es erstmals über 300.000. Und glaubt man den Experten, dann kommen in den nächsten fünf Jahren noch einmal 30.000 Neu-Karlsruher hinzu. Da sind weitere Engpässe auf dem Wohnungsmarkt programmiert.
Laut Stadtverwaltung sollen bis zum Jahr 2030 in Karlsruhe 10.000 neue Wohnungen gebaut werden. Das würde einer jährlichen Rate von 700 Einheiten entsprechen. „Bis Ende des Jahrzehnts ist aber eine höhere Neubautätigkeit erforderlich“, sagt Hildegard Höhlich, Expertin von VDP Research.
Mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) verfügt die Stadt über eine der angesehensten Universitäten für Ingenieure in Deutschland. 40.000 Studenten zählt die Stadt. Dynamische Gründerzentren und kulturelle Highlights wie das Medienmuseum ZKM haben die Attraktivität der Stadt in den vergangenen Jahren deutlich erhöht.
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