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Trendviertel 2020 Berlins Zentrum bleibt teuer – und am Stadtrand steigen die Preise

In der Hauptstadt geraten inzwischen auch Stadtteile wie Marzahn in den Fokus von Investoren, Käufern und Mietern. Das wertet viele Bezirke weiter auf.
12.06.2020 - 04:00 Uhr Kommentieren
Der Mietendeckel verschreckt manchen Investor. Langfristig glauben Experten aber an das Potenzial der Hauptstadt. Quelle: Moment/Getty Images
Nüchterne Aussichten auf den Berliner Bezirk Marzahn

Der Mietendeckel verschreckt manchen Investor. Langfristig glauben Experten aber an das Potenzial der Hauptstadt.

(Foto: Moment/Getty Images)

Berlin Marzahn, eine wenig ansehnliche Plattenbaumeile, weit ab vom Berliner Zentrum? „Alles eine Frage der Perspektive“, findet Florian Lanz. Den Geschäftsführer des Projektentwicklers Laborgh Investment, der sein Büro im feinen Charlottenburg-Wilmersdorf hat, allerdings parallel zur Autobahn, reizen die Widersprüche. Je komplexer, desto lieber – modern bauen, aber gern auf historischem Boden: „Das macht mir Spaß“, sagt Lanz.

In Marzahn, 15 Kilometer östlich des Hauptbahnhofs, ist er fündig geworden. Dort hat Laborgh dem Unternehmen Knorr-Bremse, das nebenan Bremssysteme für Schienenfahrzeuge produziert, schon 2016 ein Grundstück abgekauft, das nun auf Grundlage eines Entwurfs des britischen Architekten David Chipperfield entwickelt werden soll.

Direkt am S-Bahnhof liegt das Areal mit einer Tankstelle, in der heute ein Gebäudereiniger logiert, und einigen Backsteingebäuden – alles zwischen 1940 und 1942 unter Leitung von Hitlers Lieblingsarchitekten Albert Speer gebaut. Die Bauten stehen unter Denkmalschutz.

Das ist nicht die einzige Herausforderung. Denn an diesem Ort, an dem mit seinen alten Hinweistafeln und DDR-Bodenplatten ein bisschen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, sollen nicht nur Kleingewerbe und Handwerksbetriebe wie die schon ansässige Deutsche Spirituosen Manufaktur eine Zukunft haben.

Laborgh will inmitten dieser Szenerie ein Quartier mit mehr als 1000 Wohnungen und 370 Apartments für Studenten inklusive drei Hochhäusern bauen, die die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge übernehmen wird. Die Politik hat das monatelang beschäftigt, bis in die Spitze des Senats.

Dass hier, in einem Gewerbegebiet, Wohnungen entstehen sollen, das fanden längst nicht alle gut. „Mehrere Projekte dieser Art“, sagt Lanz nach dieser nervenaufreibenden Zeit, „schaffe ich nicht.“
Doch von Marzahn ist er überzeugt. „Berlin ist voll, zugebaut und teuer. Aber in Marzahn gibt es Platz und Potenzial.“

Das findet auch Rico Kallies, Regionsleiter für Berlin und Brandenburg bei Bonava. Der deutsch-schwedische Projektentwickler, seit Langem in Deutschland aktiv, bezeichnet sich selbst als Anbieter von bezahlbarem Wohnraum und weicht immer weiter dahin aus, wo vor allem Grund und Boden preiswerter als im Zentrum ist: an die Berliner Ränder, inzwischen weit ins Berliner Umland hinein, bis ins 50 Kilometer entfernte Zossen.

Doch selbst in Marzahn-Hellersdorf steuern die Verkaufspreise für Eigentumswohnungen inzwischen auf 4000 Euro pro Quadratmeter zu, sind teilweise höher.

Gerade war Startschuss für ein Quartier aus fünf Wohnblöcken und – eine Premiere für Bonava in Deutschland – einem 21-geschossigen Hochhaus. Das Ensemble an der Märkischen Allee mit 579 Miet- und Eigentumswohnungen ist nur eines von mehreren Bauprojekten Bonavas im Bezirk. Etwa zwei Kilometer entfernt haben auch die Arbeiten für 95 neue Häuser und Wohnungen auf dem Gutshof Falkenberg begonnen, einem Areal, das lange der Familie von Humboldt gehörte. Weitere Quartiere wurden 2019 fertiggestellt.

„Hier passt vieles zusammen“, sagt Kallies. Der Berliner Osten werde häufig unterschätzt, zu Unrecht. „Marzahn hat den jüngsten Altersdurchschnitt aller Berliner Bezirke, bietet viel Grün und eine schnelle Anbindung in die Innenstadt.“ Die Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt beschreiben Investoren als konstruktiv, ein Lob, das nicht viele Bezirke bekommen.

Die Tankstelle auf dem ehemaligen Gelände von Knorr-Bremse wurde von Albert Speer entworfen und steht unter Denkmalschutz.
Altes für Neues

Die Tankstelle auf dem ehemaligen Gelände von Knorr-Bremse wurde von Albert Speer entworfen und steht unter Denkmalschutz.

Für das Berliner Analysehaus vdp Research ist Marzahn bislang kein Trendviertel. Das heißt, die Preisentwicklung liegt unterhalb des Berliner Durchschnitts. Doch mit jedem Projekt, das den Bezirk aufwertet, könnte sich das bald ändern. „Marzahn“, sagt Oliver Koch vom Projektentwickler Fortis, „ist ja nicht nur das Platten-Marzahn.“ Tatsächlich bilden die drei Ortsteile Biesdorf, Kaulsdorf und Mahlsdorf eines der größten zusammenhängenden Gebiete mit Ein- und Zweifamilienhäusern in Deutschland.

Weiter im Zentrum, innerhalb des S-Bahn-Rings, sind fast keine großen Flächen für eine Entwicklung im großen Stil vorhanden. Baulücken gebe es, aber die zu entwickeln sei wegen der hohen Grundstückpreise teuer, sagt Gunther Hastrich vom Projektentwickler Archigon. „Da kommt man leicht auf Verkaufspreise von bis zu 10.000 Euro pro Quadratmeter.“

Gebiete mit Potenzial sieht Hastrich zwischen Alexanderplatz und dem Hauptstadtflughafen, der im Oktober 2020 eröffnet werden soll: Rummelsburg, Karlshorst, Oberschöneweide, Niederschöneweide, Adlershof, Köpenick. „Diese Gegenden sind schon attraktiv und werden zunehmend attraktiver, sowohl aus Sicht von Investoren als auch von Menschen, die die hohen Preise im Zentrum nicht bezahlen können oder wollen.“

Echte Geheimtipps gibt es kaum noch. Selbst Spandau, lange Zeit das Schmuddelkind im Westen der Stadt, gehört mittlerweile zu den Quartieren mit überdurchschnittlichen Preis- und Mietsteigerungen. Spandau, schreibt der „Berliner Tagesspiegel“, sei „ein bisschen wie Neukölln ohne Studis und Touris, nur billiger, aber dafür liegt‘s am Wasser“.

Keine Geheimtipps mehr

Schlechte Lagen gebe es in Berlin überhaupt nicht mehr, sagt Hastrich. Der Immobilienmarkt der Hauptstadt bleibt groß und vielseitig, ist aber weiterhin nicht in der Lage, mit der Nachfrage Schritt zu halten. Hauptmerkmal des deutschen Wohnungsmarkts vor und nach Covid-19 bleibe ein zu kleines Angebot, heißt es in einer gerade veröffentlichten Analyse von Deutsche Bank Research, die sich auch auf Berlin übertragen lässt.

Die Analysten gehen davon aus, dass der Preisdruck anhalten wird, auch in Berlin. Zwar könnte die Coronakrise die Nachfrage um bis zu zehn Prozent reduzieren, gleichzeitig aber auch die Zahl der neu fertiggestellten Wohnungen senken.

Florian Frey von Allmyhomes erwartet in den nächsten ein bis drei Jahren für die breite Masse neu gebauter Eigentumswohnungen eine preisliche Stagnation. „Bei einzigartigen Projekten können die Preise jedoch weiter sehr anziehen.“

Andere, wie Nicolai Wendland von 21st Real Estate, beobachten trotz Corona keine Auswirkungen auf die Preise. Im Gegenteil: „Im Vergleich zum Vorjahr zeigen unsere Daten, dass es heute nahezu keine systematisch unterbewerteten Gegenden in Berlin mehr gibt. Man kann sagen: Es wird überall teurer.“

Auch wenn der Zustrom im vergangenen Jahr ein wenig abgeflacht ist, gehen Beobachter davon aus, dass Berlin bis 2030 auf vier Millionen zusteuert. Derzeit leben 3,8 Millionen Menschen in der Hauptstadt. „Berlin braucht pro Jahr mehr als 20.000 neue Wohnungen“, sagt Stefan Förster, bau- und wohnungspolitischer Sprecher der FDP im Berliner Abgeordnetenhaus.

„Doch Mietendeckel, Enteignungsfantasien und der Rückkauf von Bestandswohnungen werden nicht dazu beitragen, dass die Stadt bis 2030 die so dringend benötigten Wohnungen realisieren kann.“ Wenn die rot-rot-grüne Koalition ihren Kurs nicht schnellstmöglich ändere, „werden die Zustände am Berliner Wohnungsmarkt katastrophale Zustände annehmen“.

Immerhin: 2019 hat sich der Anstieg der Preise sowohl für Miet- als auch Eigentumswohnungen verlangsamt. Das bestätigt vdp Research in seiner exklusiven Analyse für das Handelsblatt. Die Preise für neue und gebrauchte Eigentumswohnungen erhöhten sich durchschnittlich, also über ganz Berlin hinweg, um 7,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 2018 lag das Plus bei 10,6 Prozent. Die Neuvertragsmieten stiegen 2019 um 3,5 statt wie 2018 um 6,6 Prozent.

Ob der 2019 angekündigte, Anfang 2020 beschlossene Mietendeckel darauf bereits einen Einfluss hatte, sei kaum zu beantworten, meint vdp-Analyst Andreas Kunert. „Die Dynamik massiver Mietsteigerungen hat bereits zuvor nachgelassen.“

Und doch wirbelt der Mietendeckel den Markt ziemlich auf – auch wenn sich die Befürchtung, Investoren würden Berlin scharenweise verlassen, nicht bewahrheitet hat. „Es ist interessant, dass die Berliner Regulierungspolitik bislang nicht viel mehr Investoren abgeschreckt hat“, sagt Uwe Bottermann von der Kanzlei Bottermann Khorrami.

So groß die Unzufriedenheit der Investoren mit der politischen Lage ist und es immer schwieriger wird, an gewinnversprechende Grundstücke und Objekte zu kommen, will kaum jemand das Feld in der Hauptstadt vollständig räumen. Für langfristig orientierte Investoren gilt Berlin weiterhin als attraktiver Markt.

Doch es gibt Ausnahmen. „Wir halten uns von Berlin sukzessive fern“, sagt Andre Schmöller von Domicil Real Estate. „Klare Regeln sind gut, aber die Berliner Wohnungspolitik ist eher von Unwägbarkeiten geprägt. Keiner kann wirklich einschätzen, wie es weitergeht.“

„Die Stadt will keine Investoren“, beschwert sich Einar Skjerven von der Skerjven Group. Berlin habe sich nur halbherzig um die IAA beworben und jetzt die Fashion Week verprellt. „Kreativ ist die Berliner Politik vor allem im Vergraulen von Kapital.“

Dennoch bleibt die Mehrheit der Investoren, hat allerdings ihr Investitionsverhalten geändert. „Weil bei Neuvermietung nur eine Miete nach Mietendeckeltabelle gefordert werden darf, bleibt die bislang eher übliche Renovierung oder gar Modernisierung häufig aus“, berichtet Rechtsanwalt Bottermann.

Das Gelände in Marzahn soll auf Grundlage eines Entwurfs von David Chipperfield entwickelt werden. Quelle:  Laborgh Investment GmbH/PB3C GmbH
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Das Gelände in Marzahn soll auf Grundlage eines Entwurfs von David Chipperfield entwickelt werden.

(Foto:  Laborgh Investment GmbH/PB3C GmbH )

„Das wird man in wenigen Jahren im Stadtbild sehen“, warnt der Berliner Immobilieninvestor Jakob Mähren. Akelius, ein Anbieter von 14.000 Mietwohnungen in Berlin, hat angekündigt, Modernisierungsinvestitionen in den kommenden fünf Jahren um 500 Millionen Euro zurückzufahren. Instandhaltungsmaßnahmen wie eine Dachreparatur würden gemacht. „Energetische Modernisierungen, Verschönerungen der Fassaden, Innenhöfe oder Treppenflure können wir unter diesen Voraussetzungen nicht mehr realisieren.“

Damit nicht genug. „Der Mietendeckel sorgt dafür, dass sich Investoren zunehmend vom Mietengeschäft verabschieden und Wohnungen verkaufen“, sagt Mähren. Eine leere Wohnung werde nicht neu vermietet.

„Wir beobachten einen Trend, der so ziemlich das Gegenteil von dem bewirkt, was vom Berliner Senat mit dem Mietendeckel propagiert wurde“, sagt Achim Amann von Black Label Immobilien. Der Markt für Mieter verenge sich weiter. Auch weil „Menschen, die heute in einem sanierten Altbau in feinster Charlottenburger Lage acht Euro pro Quadratmeter zahlen“, nie wieder ausziehen werden, heißt es. „Das Gesetz lässt kleine Lage- und Ausstattungskorrekturen zu“, beschreibt Rechtsanwalt Bottermann die Lage. „Aber grundsätzlich kann es mit dem Mietendeckel preiswerter sein, in einem schicken Altbau zu wohnen als in einem Haus, das vor 30 Jahren gebaut wurde.“

Es brauche mehr preisgebundenen Wohnraum, mit Mieten zwischen fünf und sieben Euro pro Quadratmeter, meint Akelius-Europachef Jordan Milewicz. Aber das sei Sache von Stadt und Land. Warum eigentlich, fragt er, „soll es in einer Stadt nicht preisgebundenen und topsanierten Wohnraum gleichzeitig geben?“ Die gestiegenen Preise sind ein Grund, warum vor allem Familien raus aus der City an die Peripherie oder ganz nach Brandenburg ausweichen. „Der neue Szenebezirk von Berlin heißt Brandenburg“, witzelt Mähren.

„Wenn die Infrastruktur passt, sind Menschen bereit, bis zu eine Stunde zum Arbeitsplatz zu pendeln“, sagt Bonava-Regionsleiter Kallies. „Voraussetzung für die meisten: ein Bahnanschluss.“ Das gilt auch für Marzahn.


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