Trendviertel 2020: München bleibt teuer, aber auch beliebt
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Trendviertel 2020München steht auf dem Gipfel der Preise für Immobilien
Wohnen in Bayerns Landeshauptstadt war immer schon teuer. Daran ändert die Coronakrise nichts. Gekauft wird trotz horrender Preise und geringer Renditen.
München Dass im südlichen Teil der Münchener Altstadt einst das Vieh aufgetrieben wurde, zeigt nur noch der Name. Der Rindermarkt ist heute beliebter Treff, Einkaufsstraße und Teil der teuersten Wohnlage Münchens. Das Angerviertel im Südosten der Altstadt sowie das westlich angrenzende Hackenviertel zählen zu den begehrtesten Wohnlagen der bayerischen Landeshauptstadt.
Die Gründe dafür sind eindeutig. Vom Balkon aus nach Norden liegen Sehenswürdigkeiten wie Marienplatz, Frauenkirche und Viktualienmarkt greifbar nah, nach Süden lockt bei Föhnwetterlage das Alpenpanorama. Dazu ist das Angebot an Lokalen, Einkaufsmöglichkeiten und Kulturveranstaltungen immens.
Nirgendwo sonst sind die Mieten im vergangenen Jahr so sehr gestiegen wie in der südlichen Münchener Altstadt. 25 Euro mussten Interessenten bei einer Neuvermietung im Hackenviertel für den Quadratmeter Wohnfläche bezahlen, sechs Prozent mehr als 2018. Unwesentlich weniger waren es mit 24,70 Euro im östlich angrenzenden Angerviertel. Das geht aus Daten von VDP Research hervor, die der Datenanbieter exklusiv dem Handelsblatt zur Verfügung stellt.
Wer hier einzieht, der gehört auch im teuren München zu den Betuchten. „Durchschnittsverdiener können sich die zentrumsnahen Lagen in München schon lange nicht mehr leisten. Das wird sich auch nach Corona nicht ändern“, sagt Andre Schmöller, Chief Investment Officer beim Immobilienentwickler Domicil Real Estate.
Durch den Lockdown der vergangenen Monate ist es in der Münchener Innenstadt zwar wie überall ruhiger geworden. Auf die traditionell hohen Preise bei Wohnimmobilien – egal ob zur Miete oder zum Kauf – hatte das bisher allerdings so gut wie keinen Einfluss. Von den 48 Notarterminen, die im April in seinem Haus angesetzt waren, wurden lediglich zwei verschoben, berichtet Schmöller.
Das hängt auch mit der speziellen Situation des Münchener Wohnungsmarkts zusammen. Das Preisniveau dort ist seit Jahrzehnten das höchste in ganz Deutschland. Weil hier aber tendenziell auch besser verdient wird als anderswo und die Wirtschaftskraft mit acht Dax-Konzernen und den Europa-Zentralen einer Reihe internationaler Großkonzerne groß ist, hat sich die Stadt längst vom deutschen Preisniveau entkoppelt.
„Wohnimmobilien in München sind im übertragenen Sinne für viele so etwas wie ein Stück Schweiz“, zieht Mario Schüttauf vom Immobilienfondsanbieter Commerz Real Parallelen zur Alpenrepublik im Südwesten. Gerade jetzt suchten die Menschen nach sicheren Anlagen. Deswegen werde Corona auf den Münchener Markt keinen nachhaltig negativen Einfluss haben, ist sich der erfahrene Immobilieninvestor sicher.
Wer jetzt somit in den nächsten Monaten auf weniger Nachfrage oder gar auf Schnäppchen hofft, der dürfte enttäuscht werden. „Leerstand gibt es in München so gut wie nicht. Sobald ein Angebot da ist, wird es sofort vom Markt aufgenommen“, beobachtet Professor Steffen Metzner. Der Hochschullehrer an der Uni Hamburg und Research-Leiter des Schweizer Immobilienspezialisten Empira hat Ende vergangenen Jahres wieder eine Studie zur Resilienz von insgesamt 60 deutschen Immobilienmärkten durchgeführt, München lag dabei mit weitem Abstand vorn.
Warum das so ist, verdeutlichen einige Zahlen. So lag das Einwohnerwachstum in den vergangenen zehn Jahren bei 14 Prozent. Das dürfte in diesem Tempo weitergehen, wie die Stadt selbst in ihrer Planung zur Bevölkerungsprognose vorhersagt. Demnach werden bis ins Jahr 2040 voraussichtlich 1,85 Millionen Menschen in München leben. Es wäre ein Plus von 18,8 Prozent im Vergleich zum Jahr 2017. Oder rund 340.000 Menschen.
Und auch sie werden tendenziell besser verdienen als im Rest des Landes. Schon jetzt liegt das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen in München mit knapp 30.000 Euro im Jahr rund 30 Prozent über dem deutschen Durchschnitt, hat Professor Metzner errechnet. Pro Kopf werden so Waren und Dienstleistungen im Wert von knapp 80.000 Euro erstellt.
Die hohe Wirtschaftskraft stößt aber an ihre Grenzen, wenn kaum noch Fläche für Wachstum vorhanden ist. „In München besteht gerade im Innenstadtring für Nachverdichtung wenig Potenzial“, weiß Thomas Meyer, Vorstand beim Immobilienspezialisten Wertgrund. Zudem gibt es dort anders als in vielen anderen deutschen Städten eine große Konkurrenz durch Büros und Einzelhandel. Die stehen mit dem Wohnangebot in Wettbewerb. „Gerade bei Büros lassen sich weiter Mieten von 40 Euro pro Quadratmeter erzielen“, beobachtet Meyer.
Bei der Neuvermietung von Wohnimmobilien waren es dagegen im vergangenen Jahr im Schnitt 19,60 Euro und damit drei Prozent mehr als 2018, wie VDP Research errechnet hat. Die Spanne reicht dabei von Werten um 25 Euro in den begehrten Innenstadtlagen Anger- und Hackenviertel bis herunter zu 16,50 Euro in den einfacheren Vierteln wie Fürstenried-West und Alt-Perlach.
Nicht weit darüber liegen die Hochhausstadt Neu-Perlach sowie das industriell geprägte Feldmoching und Ludwigsfeld. „In München beschwert sich im Gegensatz zu anderen deutschen Städten niemand, wenn er 16 Euro Miete für den Quadratmeter zahlen soll. Da ist man stattdessen froh, die Wohnung zu bekommen“, wertet Domicil-Vorstand Schmöller die Besonderheiten des Marktes.
Rund doppelt so hohe Preissteigerungen wie Mieter mussten dagegen Kaufinteressenten für Wohnungen und Häuser im vergangenen Jahr verkraften. Im Schnitt um 5,7 Prozent gingen die Preise für Eigentumswohnungen nach oben, 6,5 Prozent waren es sogar bei Ein- und Zweifamilienhäusern – was jedoch am hochpreisigen Münchener Wohnimmobilienmarkt fast einer Abkühlung gleichkommt.
Denn verzeichneten im Jahr 2016 noch 17 Stadtbezirke bei Eigentumswohnungen ein Preisplus von zwölf Prozent oder mehr, so sank die Zahl seither kontinuierlich. 2017 lagen nur noch acht Stadtteile im zweistelligen Prozentbereich, 2018 betrug die höchste Steigerungsrate acht Prozent.
Einheitliche Entwicklung
Im vergangenen Jahr dann lag das höchste Preisplus bei 6,3 Prozent. Wenig überraschend gab es das im begehrten Hackenviertel in der südlichen Altstadt, gefolgt vom angrenzenden Angerviertel mit einer Steigerung von 6,2 Prozent. Im Angerviertel waren so im Schnitt 9887 Euro fällig, im Hackenviertel 9320 Euro.
Wer es günstiger will, der muss am anderen Ende der Skala ebenfalls tief in die Tasche greifen. Einstige Arbeiterviertel wie Alt-Moosach oder Ramersdorf sowie das viele Jahre als Problem-Stadtteil verschriene Hasenbergl bewegen sich mittlerweile nur noch knapp unter der Marke von 7000 Euro je Quadratmeter. Beinahe im Gleichschritt mit der Entwicklung in der Stadt stiegen auch hier die Preise im vergangenen Jahr im Schnitt um sechs Prozent.
Noch mehr nach oben ging es bei Ein- und Zweifamilienhäusern. Am deutlichsten in Lochhausen im Westen und im Stadtteil Am Hart nahe dem Olympiapark und dem BMW-Werk. Um fast sieben Prozent stiegen dort jeweils die Preise. Für Lochhausen spricht aus Sicht vieler Käufer derzeit neben der Anbindung zum Autobahnkreuz München-West, dass dort noch ausreichend Freiraum besteht. Mit zuletzt knapp 7200 Euro für den Quadratmeter Wohnfläche liegt der Stadtteil zudem noch unter dem Münchener Durchschnitt bei Wohnhäusern. Der betrug im vergangenen Jahr 7500 Euro.
Auf potenzielle Investoren hat der nach wie vor starke Preisauftrieb am Münchener Markt mittlerweile erhebliche Auswirkungen; lassen sich die hohen Kaufpreise doch nicht in gleicher Form an die Mieter weiterreichen. Mietpreise von 20 bis 25 Euro pro Quadratmeter klingen aus Sicht von Investoren lediglich auf den ersten Blick verlockend.
„Bei Kaufpreisen von teils über 10.000 Euro für den Quadratmeter wird sich das aber nicht rechnen. In München ergibt sich so häufig eine sehr ungünstige Relation“, wertet Professor Metzner die anhaltende Diskrepanz zwischen Miet- und Kaufpreissteigerung. Ihn erinnern teure Lagen in München beizeiten an Städte wie Zürich, wo das Verhältnis ähnlich ist.
Damit sich an dieser Konstellation etwas ändert, müsste in München mehr gebaut werden. Das passiert aktuell vornehmlich in drei Bereichen. Da sind zum einen die ehemaligen militärischen Einrichtungen mit der Bayern-Kaserne, der Luitpold-Kaserne und dem Prinz-Eugen-Park. Daneben werden ehemalige Industrie- und Bahnviertel neu mit Wohnraum gestaltet.
Blick auf den Olympiapark in München
Im Stadtteil Am Hart nahe dem Olympiapark stiegen die Kaufpreise für Ein- und Zweifamilienhäuser um fast sieben Prozent.
(Foto: The Image Bank/Getty Images)
Ansonsten wird vor allem in den westlichen Randbereichen in Aubing, Allach, Untermenzing und vor allem in Freiham gebaut. Im größten Neubauviertel Europas sollen in den kommenden zehn Jahren Wohnungen für 25.000 Menschen sowie 15.000 Arbeitsplätze entstehen. „Mit München selbst hat das alles aber nicht mehr viel zu tun“, moniert Domicil-Vorstand Schmöller.
Der rät eher zum Ostteil der Stadt. Der genießt bei Ur-Münchenern jedoch traditionell einen schlechten Ruf. „Für die vielen Menschen, die jedes Jahr neu in die Stadt kommen, ist es jedoch ein entscheidender Punkt, ob im Osten der Quadratmeter einer Wohnung 2000 Euro günstiger ist als beispielsweise in Pasing“, so Schmöller. Deswegen erfahren die östlichen Randbezirke Englschalking und Johanneskirchen aus seiner Sicht derzeit eine erhebliche Aufwertung.
Antizyklisch denken im teuren München inzwischen auch viele Investoren. „Wir müssen in das Segment investieren, das der Markt langfristig braucht, daher nehmen wir besonders den sozial geförderten Wohnungsbau in den Blick“, erläutert Vorstand Thomas Meyer die Strategie von Wertgrund. Im Blick hat er dabei eine weitere Münchener Besonderheit, die sogenannte sozialgerechte Bodennutzung, kurz Sobon.
Waren es früher 30 Prozent, so müssen jetzt 40 Prozent der neu geschaffenen Wohnungen „preisbegünstigt“ angeboten werden. Nach 25 Jahren Mietpreisbindung gehen die öffentlich geförderten Bauwerke dann in den freien Markt. Am Problem knapper Wohnungen zu günstigen Preisen ändert das aber wenig. Wie im Rest von Deutschland fallen auch in München jedes Jahr mehr Immobilien aus der geförderten Bindung heraus als gebaut werden.
München bleibt somit beim Thema Wohnen der Gipfel der Preise in Deutschland. Daran dürfte auch die Coronakrise nichts ändern.
Mehr zum Thema: Deutschlands Trendviertel 2020
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