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Wohnungskonzerne Zwischen Skepsis und Beifall: Die Megafusion von Vonovia und Deutscher Wohnen stößt auf ein geteiltes Echo

In der Politik erntet der geplante Milliardendeal der beiden Wohnungsriesen viel Kritik – aus unterschiedlichen Gründen. Wichtige Investoren begrüßen die Fusionspläne.
25.05.2021 - 19:10 Uhr Kommentieren
Der Immobilienkonzern ist schon jetzt Deutschlands größter Vermieter. Quelle: imago images/Rupert Oberhäuser
Vonovia-Baustelle in Essen

Der Immobilienkonzern ist schon jetzt Deutschlands größter Vermieter.

(Foto: imago images/Rupert Oberhäuser)

Frankfurt, Berlin Mangelnde Geduld muss sich Vonovia-Chef Rolf Buch nicht vorwerfen lassen. Vor fünf Jahren hatte er als Vonovia-Vorstandschef schon einmal vergeblich ein Übernahmeangebot für die Deutsche Wohnen vorgelegt. Damals scheiterte er am Unwillen der Aktionäre, die nicht in ausreichender Zahl ihre Papiere verkaufen wollten. 2020 holte Buch dann noch einmal Berater für einen möglichen Zusammenschluss ins Haus. Doch auch dieser Versuch verlief im Sande.

Nun soll es endlich im dritten Anlauf funktionieren. Die Chancen dafür stehen zumindest besser als im Jahr 2015. Damals hatte auch Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn gegen die Fusion gekämpft. Beim neuen Anlauf hat Vonovia-Chef Buch nun jedoch den Deutsche-Wohnen-Boss an seiner Seite. Offenbar konnte Buch seinen Kollegen überzeugen, dass man gemeinsam bessere Karten im Kampf gegen Themen wie den Klimawandel hat. Beide Firmen empfehlen den Aktionären, die Übernahmeofferte, die Ende Juni offiziell gestartet wird, anzunehmen.

Bis dahin könnte den beiden Konzernen noch ein Spießrutenlauf bevorstehen. „Ein solcher Schritt ist gerade im Wahljahr nicht einfach“, sagt Fondsmanager Elias Halbig von Union Investment. „Ein solcher Zusammenschluss bietet Angriffsfläche, auch wenn der Markt sehr fragmentiert ist.“

Regulierung als Treiber für Fusionen

Vor allem die Politik spaltet die Großfusion. Die FDP sieht die Fusion als Folge der Berliner Wohnungspolitik. „Wer von reguliertem Wohnungsmarkt, staatlichen Mietpreisen und Enteignungen träumt, fördert die Konzentration auf dem Wohnungsmarkt“, sagte FDP-Chef Christian Lindner dem Handelsblatt.

Auch der Wohnungsexperte der Liberalen, Daniel Föst, wettert über die Wohnungspolitik in Deutschland. „Wer solche Fusionen nicht möchte, darf kleine Vermieter nicht vor immer größere bürokratische Hürden stellen“, sagte er. Immer mehr Vorschriften wie Mietendeckel, Sanierungen, Nebenkostenrecht und ein kompliziertes Mietrecht trieben Fusionen zusätzlich an, da nur dadurch Verwaltungskosten gemindert werden könnten.

Der angestrebte Deal „sollte von Kartellbehörden unterbunden werden“, forderte dagegen umgehend Fabio De Masi von den Linken. Der Wohnungsmarkt sei „vermachtet und gestört“. „Jeder kritische Kopf, aber auch Wirtschaftsliberale sollten gegen so eine Fusion sein“, erklärte die SPD-Finanzpolitikerin Cansel Kiziltepe. „Um die Mieterinnen und Mieter vor steigenden Mieten zu schützen, ist ein Mietenmoratorium für die nächsten Jahre nötig“, sagte SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz dem Handelsblatt. Auch die Grünen sind gegen den Zusammenschluss. 

Der Konzern besitzt 150.000 Wohnungen, der weit überwiegende Teil davon entfällt auf den Großraum Berlin. Quelle: Bloomberg
Zentrale von Deutscher Wohnen in Berlin

Der Konzern besitzt 150.000 Wohnungen, der weit überwiegende Teil davon entfällt auf den Großraum Berlin.

(Foto: Bloomberg)

Rund 18 Milliarden Euro will Vonovia für den Berliner Rivalen zahlen. Damit entstünde der größte Immobilienkonzern Europas. Um die Politik zu beschwichtigen, will der neue Konzern rund 20.000 Wohnungen an das Land Berlin abgeben und für drei Jahre die Mieten jährlich maximal um ein Prozent erhöhen. „Das ist die Größenordnung einer eigenen Wohnungsgesellschaft“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller.

Wichtige Aktionäre stellten sich hinter die Fusion. „Es hätte für beide Firmen andere Lösungen gegeben, um zu wachsen, aber grundsätzlich ist der Deal besser, als nichts zu tun“, sagte Union-Investment-Fondsmanager Halbig. Vonovia-Chef Rolf Buch gab sich im Gespräch mit dem Handelsblatt zuversichtlich, dass sein Unternehmen „einen signifikanten Anteil der Aktien relativ schnell bekommen“ werde.

Er wolle einen „Neuanfang“ mit Politik und Öffentlichkeit, warb Immobilienmanager Buch in Berlin um Verständnis. Angesichts der massiven Unzufriedenheit mit Wohnungsmangel und steigenden Mieten bemühten sich die beiden Firmenchefs sichtlich, den Deal als positiv für Mieter und die öffentliche Hand darzustellen.

Für den Megadeal greifen die Bochumer tief in die Tasche. Das Gebot entspricht einer Prämie von rund 18 Prozent gegenüber dem Schlusskurs vom Freitag. Die Deutsche-Wohnen-Aktionäre reagierten erfreut. Die Aktien der Deutschen Wohnen stiegen um zeitweise 16 Prozent auf 52,38 Euro – und notieren damit nur noch knapp unterhalb des Angebotspreises.


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Die Papiere von Vonovia rutschten zeitweise um 6,8 Prozent auf 48,57 Euro ab, was auch der Tatsache geschuldet ist, dass der Konzern neues Geld aufnehmen muss. In Finanzkreisen sieht man den Abschlag der Vonovia-Aktien deswegen nicht als Warnzeichen, im Gegenteil: Manch einer hatte erwartet, dass der Abschlag noch deutlicher ausfallen würde.

Kapitalerhöhung geplant

Zur Finanzierung hat Vonovia eine Akquisitionsfinanzierung über rund 22 Milliarden Euro eingeholt und plant eine Kapitalerhöhung von bis zu acht Milliarden Euro, die im zweiten Halbjahr erwartet wird. Trotz der Milliardentransaktion will Vonovia nicht die Verschuldung in die Höhe treiben. „Die Aktionäre der Vonovia bleiben Eigentümer eines starken Unternehmens mit einem soliden LTV“, versprach der Konzern, der sich selbst einen Zielkorridor für die Kennzahl Loan-to-Value (LTV) von 40 bis 45 Prozent vorgegeben hat. Zuletzt lag man mit 39,4 Prozent sogar darunter.


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Die Synergien aus dem Deal beziffern die Unternehmen mit Kosteneinsparungen von 105 Millionen Euro pro Jahr, vor allem durch eine gemeinsame Verwaltung ihrer Portfolios und günstigere Konditionen im Einkauf. Betriebsbedingte Kündigungen soll es nicht geben.

Vonovia bietet 52 Euro für jede Deutsche-Wohnen-Aktie, einschließlich der Dividende für das Jahr 2020 winken den Anteilseignern des vor allem in Berlin vertretenen Unternehmens damit 53,03 Euro. Das künftige Unternehmen soll den Namen Vonovia führen. Der Sitz soll in Bochum bleiben, das Unternehmen aber aus Bochum und Berlin geführt werden, an der Spitze des Vorstands wird Vonovia-Chef Buch stehen. Deutsche-Wohnen-Chef Zahn soll sein Stellvertreter werden.

Die Mehrheit der Aktionäre von Deutscher Wohnen dürfte das Kaufgebot annehmen, schrieb Analyst Kai Klose von der Privatbank Berenberg. Da Wohnimmobilien erhebliche operative Synergien böten, halte er die angestrebten Synergien von rund 105 Millionen Euro für realisierbar. Damit die Übernahme zustande kommt, muss Vonovia mehr als 50 Prozent der Deutsche-Wohnen-Aktien einsammeln. Das sollte aber kein unüberwindliches Hindernis sein, hieß es aus Finanzkreisen.

Viele Hürden zu nehmen

Gleichwohl muss der Megadeal noch mehrere Hürden nehmen. Das Bundeskartellamt wird sich die Fusionspläne nach den Worten von ZEW-Präsident Achim Wambach wie schon beim ersten Versuch des Zusammenschlusses 2015 genau anschauen.

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„Da es nicht den einen Wohnungsmarkt gibt, sondern viele regionale Märkte, und dabei verschiedene Märkte für die jeweils unterschiedlichen Wohnungsgrößen, wird eine wettbewerbliche Prüfung der Übernahme sich diese einzelnen Märkte anschauen, inwiefern ein Zusammenschluss dort zu einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs führt“, sagte Wambach, der Mitglied der Monopolkommission ist. Dieses unabhängige Gremium berät die Bundesregierung und die gesetzgebenden Körperschaften in Fragen der Wettbewerbspolitik, des Wettbewerbsrechts und der Regulierung.

Vonovia sieht diese Sorgen jedoch als unbegründet an. „Unser Marktanteil dürfte auch nach dem Zusammenschluss bei etwa zwei Prozent liegen, das ist verschwindend gering“, sagte Vonovia-Boss Rolf Buch dem Handelsblatt. „Die starke Fragmentierung ist ja die Krux im Immobiliengeschäft – und das zeigt die Logik für unseren Zusammenschluss.“

DIW-Präsident Marcel Fratzscher sieht den geplanten Zusammenschluss der Wohnungsvermieter Vonovia und Deutsche Wohnen dennoch kritisch. „Eine Fusion der beiden größten privaten Immobilienkonzerne Deutschlands ist problematisch, da es dadurch weniger Wettbewerb geben dürfte und die Marktmacht des neuen Konzerns noch stärker wird“, sagte der Chef des in Berlin ansässigen Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

Bereits jetzt hätten beide Konzerne in vielen Regionen einen erheblichen Einfluss auf den Wohnungsmarkt, sowohl auf Mietpreise als auch auf Kaufpreise. „Ich vermute, dass das Kartellamt dies ähnlich kritisch sehen wird und daher die Chancen für eine Fusion nicht sehr hoch sind“, sagte Fratzscher.

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„Den beiden Immobiliengiganten dürfte es nicht um marktbeherrschende Stellung gehen – dafür ist der Markt zu kleinteilig“, argumentiert dagegen Michael Voigtländer, Immobilienexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft. Ausschlaggebend für die Fusion dürfte dagegen vielmehr die Politik sein: „Durch politische Interventionen entstehen Risiken für die Unternehmen, die tendenziell für große Marktteilnehmer besser zu bewältigen sind als für kleine Unternehmen oder Privateigentümer“, sagte Voigtländer.

So haben die Unwägbarkeiten für die Wohnkonzerne in den vergangenen Jahren noch einmal zugenommen: Sie reichen von der Drohung einer Enteignung bis zu weitreichenden Mietstopps und Einschränkungen bei der Umlagefähigkeit nach Modernisierungen. Zudem erfordert der Kampf gegen den Klimawandel hohe Investitionen. Auch in anderen Branchen wie etwa dem Bankensektor sind Regulierungen ein wichtiger Treiber von Zusammenschlüssen.

„Wir werden unsere Größe nutzen, um unserer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden“, betonte Vonovia-Chef Buch am Dienstag. Mit vereinten Kräften wollten die beiden größten privaten Wohnungskonzerne Deutschlands mehr Geld für Sanierungsmaßnahmen und Neubauten lockermachen. Vonovia und Deutscher Wohnen gehört zusammen mehr als eine halbe Million Wohnungen.

Mieterbund kritisiert Pläne

Beim Mieterbund in Berlin stößt der Plan der Immobilienkonzerne auf wenig Vorfreude: Das Versprechen der beiden Dax-Konzerne, die Miete in Berlin bis 2026 zu deckeln und die Belastungen für Mieter durch energetische Sanierungen zu begrenzen, überzeugen hier nicht: Das seien „Zusagen, die zwar gut klingen, sich aber bei näherem Hinsehen zum Teil als Selbstverständlichkeiten entpuppen, die den Unternehmen wenig abverlangen“, kritisiert der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten.

Angesichts des heftigen Protests in Berlin gegen die Wohnungskonzerne könne man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass beide Unternehmen nur „die verbale Flucht nach vorn“ anträten. „Auch dass nur von der Begrenzung der Berliner Bestandsmieten die Rede ist, spricht dafür, dass hier vor allem der Versuch unternommen wird, der erfolgversprechenden Berliner Vergesellschaftungsinitiative den Wind aus den Segeln zu nehmen.“

In Berlin läuft derzeit eine Unterschriftenaktion unter dem Titel „Enteignet Deutsche Wohnen & Co.“, die bis Ende April bereits rund 130.000 der erforderlichen 175.000 Unterschriften gesammelt hatte, um über ein Volksbegehren abstimmen zu lassen.

Auslöser für die neuen Übernahmegespräche war jedoch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das im April den Berliner Mietendeckel kippte. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts nahmen beide Seiten erneut Gespräche über eine Übernahme auf, heißt es bei den Konzernen. Gut zwei Wochen wurde verhandelt, dann war man sich einig.

Buch sagte, das Urteil biete Rechtssicherheit für Vermieter. Die Frage ist allerdings, für wie lange: SPD, Linke und Grüne erwägen die Einführung eines bundesweiten Mietendeckels nach der Bundestagswahl – der allerdings auch umstritten ist. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hält eine solche Maßnahme nicht für zwingend erforderlich.

Mehr: Rolf Buch und Michael Zahn im Interview: „Der Deal kommt“

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