Aktien-Schnäppchen: Auf der Suche nach den Börsenstars von morgen
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Aktien-SchnäppchenAuf der Suche nach den Börsenstars von morgen
Weltweit haben die Börsen in den vergangenen Monaten kräftig verloren. Viele Aktien von Unternehmen mit starken Geschäftsmodellen sind günstig zu haben. Eine Suche nach den „gefallenen Engeln“ der Wirtschaft, die Anlegern jetzt Chancen bieten.
Düsseldorf Im September schlug Herbert Rehmel zu. Binnen einer Woche war die Volkswagen-Aktie von 167 Euro auf 111 Euro gefallen – ein Verlust von einem Drittel. Rehmel (Name geändert) kaufte 100 Anteile. Der freiberufliche Kölner Architekt hatte die Aktie schon lange beobachtet. Hatte verfolgt, wie sie sich von 247,55 Euro, dem Höchstkurs im März vergangenen Jahres, immer weiter entfernte. Erst war es die China-Schwäche, die VW und allen Autoaktien schwer zusetzte, dann brach der Kurs nach Bekanntwerden des Abgasskandals zusammen. Rehmel witterte seine Chance.
Seit Jahren sucht der 48-Jährige Hobby-Börsianer nach „gefallenen Engeln“. So nennen Investoren Unternehmen, die Potenzial haben, weil ihr Kurs eingebrochen, ihr Geschäftsmodell aber immer noch erfolgreich ist. Für Rehmel, Besitzer einer schuldenfreien Doppelhaushälfte, der jetzt Geld fürs Alter anlegen möchte, steht fest: An der Aktie an sich führt kein Weg mehr vorbei.
Damit steht er im Gegensatz zur deutschen Mehrheit, die immer noch auf Sparbuch und Festgeldkonto als liebste Geldanlagen vertraut. Eine fatale Treue angesichts der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank: Die Deutschen parken gut fünf Billionen Euro auf zinslosen Konten, wie die Bundesbank ermittelt hat, aber nur 500 Millionen Euro legen sie in Aktien an. In keinem hochentwickelten Industrieland ist das Missverhältnis so groß.
Könnte Rehmels Gefallene-Engel-Strategie einen Ausweg aus dem Dilemma vieler gefrusteter Privatanleger weisen? Festverzinsliche Geldanlagen bringen kaum noch Rendite, der Immobilienmarkt scheint überhitzt, und auch an der Börse ging es zuletzt bergab. Da wirkt Rehmels Strategie verlockend: Den Kursrücksetzer als Chance begreifen und jetzt gezielt Aktien nachkaufen, die besonders stark gefallen sind.
Aber gibt es da nicht auch die Börsenweisheit, der zufolge man nie in ein fallendes Messer greifen sollte? Soll heißen: Wenn eine Aktie einmal ins Rutschen kommt, sind dem Kursverfall keine natürlichen Grenzen gesetzt.
Wie, bitte schön, findet man sich in diesem Metapherndschungel zurecht? Wie unterscheidet man einen gefallenen Engel, für den es bald wieder gen Himmel geht, von einem teuflisch scharfen, fallenden Messer?
Schaut man nur auf die Zahlen, könnte VW den „Engel“-Anspruch durchaus erfüllen: Die Aktie verlor seit ihrem Kurshoch vor gut zwölf Monaten mehr als die Hälfte. Und das trotz eines voraussichtlichen operativen Gewinns von mehr als zehn Milliarden Euro im abgelaufenen Jahr. Kein anderes deutsches Unternehmen verdient so viel. Gemessen daran, ist die Aktie spottbillig.
Nicht alles, was billig ist, lohnt sich auch
Volkswagen liefert jedoch auch ein schönes Beispiel dafür, dass der Blick allein auf die Relation zwischen Marktkapitalisierung und Jahresgewinn aus dem laufenden Geschäft nicht ausreicht. In den zehn Milliarden Euro sind nämlich die gewaltigen Kosten des Abgasskandals nicht enthalten. Zwischenzeitlich schien es gar, als könnte die Manipulation von elf Millionen Fahrzeugen, die daraus drohenden Strafen der amerikanischen Behörden und die noch ausstehenden Massenklagen geschädigter Fahrer den Konzern schlimmstenfalls in den Ruin treiben. Danach sieht es zwar nicht mehr aus, doch es bleiben hausgemachte Probleme: die viel zu hohen Produktionskosten bei der Kernmarke VW, der lähmende Machtkampf zwischen Betriebsrat und Management, der technologische Rückstand bei Elektromobilität und autonomem Fahren – und obendrauf die nicht absehbare Höhe der Strafen im Abgasskandal.
Ebenso risikoreich erscheinen auch andere vermeintlich billige Titel wie die Deutsche Bank und RWE, deren Kurse sich ebenfalls halbiert haben. Bei Deutschlands größtem Finanzinstitut muss Konzernchef John Cryan erst noch beweisen, dass er seine Rolle als Chefsanierer beherrscht und das Frankfurter Geldhaus aus den vielen Rechtsstreitigkeiten herausmanövriert und neue Gewinnquellen erschließt.
RWE wurde in den ertragreichen Zeiten, als Kernkraftwerke Gelddruckmaschinen glichen, satt und schwerfällig. Genauso wie Eon. Beide verpassten es, in neue Energieträger zu investieren. Zukunfts- und damit Kurspotenzial sehen anders aus. In der Finanzindustrie wiederum fällt es dem Rückversicherer Munich Re genauso wie dem Versicherer Allianz immer schwerer, angesichts der Niedrigzinsen Geld zu verdienen. Mit soliden Staats- und Unternehmensanleihen gibt es kaum ein Prozent Rendite pro Jahr. Um für ihre Kunden überhaupt noch erkleckliche Renditen erwirtschaften zu können, sind deshalb riskantere Engagements als früher nötig. Das aber führt zu Abschreibungen etwa auf Aktieninvestments, wie Munich Re einräumen musste.
Rund die Hälfte der 30 Vorzeigeunternehmen im Dax kämpft mit Problemen, darunter auch Thyssen-Krupp aufgrund massiv eingebrochener Stahlpreise oder die Lufthansa wegen der Konkurrenz durch Billigflieger. Dabei geht es nicht nur um kleine betriebswirtschaftliche Schwierigkeiten, die sich in ein oder zwei Quartalen vielleicht beheben ließen, sondern um grundsätzliche Schwächen von Strategie oder Geschäftsmodell, die die Unternehmen noch lange mit sich herumschleppen werden. Hände weg also von Aktien, die außer einem starken Kursverfall und einem niedrigen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) nichts zu bieten haben.
Entscheidend ist, dass zu einem günstigen Verhältnis aus Firmengewinn und Aktienkurs auch gute und steigende Gewinnprognosen hinzukommen. Neben vielen Unternehmen, deren Wert sich aus gutem Grund um etliche Milliarden Euro oder Dollar verringert hat, verstecken sich nämlich in Deutschland und weltweit auch einige Aktien, deren Kurse zwar ebenfalls eingebrochen sind, deren Gewinnaussichten sich aber nicht eingetrübt haben. Ihnen gilt hier unsere Aufmerksamkeit (siehe „So erfolgte die Auswahl“).
Die Auswahl – So wurden die Aktien bewertet
Ausgangspunkt ist der Kursverfall europäischer und amerikanischer Schwergewichte, wie sie im Dax, Stoxx Europe und Dow Jones notieren, seit dem Börsenhoch vor einem Jahr. Viele Aktien sind stark gefallen. Das macht etliche Unternehmen, gemessen an ihrem Gewinn, preiswert. So sind BMW und Daimler an der Börse nur noch so viel wert, wie sie jeweils in nur gut acht Jahren verdienen - bezogen auf den Nettogewinn 2015. Das ist preiswert.
In die Betrachtung einbezogen wurde auch die Prognose für den Gewinn 2016 und der Verschuldungsgrad. Entscheidend war aber: Welche Produkte sind in der Pipeline, und wie aussichtsreich sind sie? Wie ist die Wettbewerbssituation? Droht ein schärferer Preisdruck, oder lassen sich auch langfristig wachsende Profite erzielen? Hier war die Expertise der Handelsblatt-Branchenexperten gefragt.
Gemeinsam mit dem Handelsblatt Research Institute und seinem Daten-Fundus ermittelte die Redaktion Aktien mit großem Potenzial.
Solche echten gefallenen Engel bieten jetzt die Chance, mit überschaubarem Risiko an der Börse einzusteigen. „Investoren sollten sich nur auf die Schnellboote konzentrieren und keine Zeit mit problembehafteten Unternehmen verschwenden“, rät Christian Kahler von der DZ Bank. Seit mehr als zwei Jahrzehnten fahndet der Stratege nach erfolgreichen Langfristanlagen.