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Dax-Logo an der Frankfurter Börse

Am 20. September wird der Dax um zehn Unternehmen erweitert. Die Aufsteiger stehen jetzt fest.

(Foto: AP)

Aktienanalysen Der Dax XL kommt: Deutschlands erste Börsenliga wächst auf 40 Werte

Im kommenden September wird Deutschlands Leitindex um zehn auf 40 Unternehmen erweitert. Doch das ist nur eine von vielen nun beschlossenen Reformen.
24.11.2020 - 10:00 Uhr Kommentieren

Der Dax 30 wird bald Geschichte sein. Die Deutsche Börse wird den Leitindex im September auf 40 Unternehmen erweitern. Gleichzeitig wird der MDax der bislang 60 mittelgroßen Unternehmen auf 50 Firmen verkleinert. Diese größte Reform in der mehr als 30-jährigen Historie des Dax gab die Börse am Dienstagmorgen bekannt.

Damit folgt die Börse dem Votum der mehr als 600 Investoren, Unternehmen, Verbände und anderen Interessengruppen, die sich zwischen Anfang Oktober und Anfang November an der großen Umfrage der Deutschen Börse beziehungsweise deren Indexanbieter Stoxx zur Dax-Reform geäußert hatten. Mehr als 60 Prozent der Befragten stimmten für die Dax-Vergrößerung und die gleichzeitige MDax-Verkleinerung.

Durch die Vergrößerung soll der Dax vielfältiger und moderner werden. Die Deutsche Börse erklärte, dass „die Qualität der Dax-Indizes erhöht“ und diese an internationale Standards angeglichen werden solle. 

Nach Schätzungen von Indexexperten gehören der Duftstoffhersteller Symrise, der Onlinehändler Zalando, der Labortechnikanbieter Sartorius, der Biotechkonzern Qiagen, der Immobilienkonzern LEG, der Chemiehändler Brenntag, der Rückversicherer Hannover Rück und die Siemens-Ausgründungen Siemens Energy und Siemens Healthineers zu den aussichtsreichsten Aufstiegskandidaten des künftig erweiterten Dax. Da auch Siemens selbst im Dax notiert ist, könnte der Konzern indirekt künftig dreimal im Dax vertreten  sein. 

Mehr zum Thema: Lesen Sie hier, was die 13 wichtigsten Dax-Kandidaten auszeichnet, welche Chancen diese Unternehmen den Anlegern bieten und welche Risiken sie bergen.

Der jetzt beschlossene Dax XXL bleibt indes umstritten. Im Vorfeld hatten sich Investoren wie etwa der weltgrößte Fondsanbieter Blackrock und der Deutsche Investor Relations Verband (DIRK) gegen die Reform ausgesprochen.

Diese Experten stören sich vor allem daran, dass der MDax durch die Verkleinerung entwertet wird. Außerdem ändere sich durch die Erweiterung im Dax wenig an der dortigen Dominanz der Großkonzerne. In Zahlen ausgedrückt: Die zehn Aufsteiger werden nach aktuellen Berechnungen der Börse zusammen ein Gewicht von acht Prozent im neuen Dax 40 haben. Gleichzeitig gehen dem MDax 31 Prozent an Marktkapitalisierung verloren.

Experten nur bedingt zufrieden

Es gibt allerdings auch Experten, denen die beschlossenen Veränderungen nicht weit genug gehen. Zwar habe die Börse „einen Schritt in die richtige Richtung“ vollzogen, sagte Silke Schlünsen von der US-Investmentbank Stifel. „Ein größerer Schritt wäre dennoch wünschenswert gewesen, um mehr Kontinuität in der Zusammensetzung des Indexes zu bekommen.“ Bankerin Schlünsen spricht sich für einen einzigen großen Leitindex nach dem Vorbild des S&P 500 in den USA aus.

Marc Decker von der Privatbank Merck Finch merkte an, dass die Firmen im Dax im internationalen Vergleich weiter eine geringe Marktkapitalisierung aufweisen – trotz der Erweiterung. „Einen substanziellen Unterschied werden die zehn zusätzlichen Unternehmen jedoch am Ende kaum machen können“, sagte Decker. Um diese Probleme zu lösen, hätte es eine grundlegendere Reform der Indexwelt gebraucht.

Diskussion um Airbus

Kontrovers und heftig diskutiert wurde im Vorfeld auch ein möglicher Dax-Aufstieg des Flugzeugbauers Airbus. Die Börse ließ den Vorschlag fallen, diejenigen Unternehmen aus der Dax-Familie auszuschließen, die mehr als zehn Prozent ihres Umsatzes aus Geschäften mit umstrittenen Waffen erzielen. Zum Hintergrund: Eine Airbus-Tochtergesellschaft wartet die Trägerraketen der französischen Atomwaffen. Das kommt nun aber nicht automatisch einem Ausschluss aus dem Dax gleich. Im Gegenteil: Der Weg in den Index wäre für Airbus jetzt frei. Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) begrüße diese Entscheidung. 

Experten hatten im Vorfeld kritisiert, dass ein Index nicht die Geschäftsmodelle vor dem Hintergrund gesellschaftspolitischer Debatten bewerten solle. Der Rüstungsindustrieverband BDSV hatte im Handelsblatt angemerkt , dass sich die Klausel nicht an den Standards des internationalen Rechts orientiere. Der Begriff kontroverse Waffen sei in Deutschland nicht klar definiert.

Die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald und der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre hingegen werfen der Börse jetzt vor, sie knicke vor der Rüstungsindustrie ein. „Die Deutsche Börse stellt sich selbst ein Armutszeugnis aus“, meint Barbara Happe, Rüstungs-Campaignerin bei Urgewald. Zu den minimalen Qualitätsanforderungen für Dax-Indizes sollte auch die Ächtung kontroverser Waffen wie Atomwaffen gehören. Auch Investoren wie das Fondshaus Amundi hätten einen Ausschluss von Unternehmen, die mit umstrittenen Waffen Geschäfte machen, explizit begrüßt. Dies spiegele die „Kernüberzeugung“ von Amundi und seinen Kunden wider.

Stephan Flägel spricht von einem insgesamt „sehr heterogenen Meinungsbild“. Flägel leitet das weltweite Geschäft mit Indizes bei der Deutsche-Börse-Tochter Qontigo, die unter anderem die Indizes der Dax- und Stoxx-Familien berechnet. Die Börse wolle den Austausch mit den Marktteilnehmern fortführen, erklärte Flägel.

Vier entscheidende Änderungen

Die nun beschlossene Reform geht aber noch weit über die Erweiterung des Dax und die Verkleinerung des MDax hinaus. Es geht im Kern um vier weitere Änderungen:

Erstens entscheidet ab der Überprüfung im September künftig nur noch die Marktkapitalisierung darüber, ob ein Unternehmen im Dax, MDax, SDax oder dem TecDax der 30 größten Technologieunternehmen gelistet ist. Zweitens dürfen ab Dezember nur noch profitable Unternehmen in den Dax einziehen. Drittens müssen Unternehmen schon ab März die Indizes verlassen, wenn sie ihre Quartalsabschlüsse und ihre testierten Jahresabschlüsse nicht pünktlich vorlegen. Und: Viertens gilt, dass Unternehmen für mehr unabhängige Kontrolle ebenfalls ab März einen unabhängigen Prüfungsausschuss im Aufsichtsrat benötigen, wenn sie in einen Index aufsteigen oder dort verweilen wollen. 

Die vier Punkte in der Detailanalyse:

1 – Marktkapitalisierung entscheidet

Die Marktkapitalisierung der frei gehandelten Aktien wird künftig das entscheidende Kriterium für die Zugehörigkeit zu einem Index. Die Marktkapitalisierung berechnet sich aus der Zahl der frei gehandelten Aktien, also dem Streubesitz oder Free Float, multipliziert mit dem Aktienkurs.

Beim Börsenumsatz der Aktien müssen die Unternehmen anders als bislang im nächsten Jahr keinen speziellen Rang mehr erfüllen. Es reicht ein Mindestumsatz von 20 Prozent der frei gehandelten Marktkapitalisierung beziehungsweise von mindestens einer Milliarde Euro pro Jahr für die Aufnahme in einen Index. Um dort zu bleiben, muss ein Mindestumsatz von zehn Prozent der Marktkapitalisierung erreicht werden. Die Börse zielt damit nur noch auf eine Mindestliquidität ab, so wie es international üblich ist.

Damit werden die Karten nicht nur im Dax, sondern auch in den Nebenwerteindizes zumindest zum Teil neu gemischt. Denn viele Unternehmen scheiterten bislang vor allem am Börsenumsatz.

2 – Nur noch profitable Unternehmen im Dax 30

Weitreichende Änderungen gibt es auch bei den Qualitätsanforderungen. Künftig müssen Unternehmen zwei Jahre lang operativ Gewinne gemessen am Ebitda erwirtschaften, bevor sie in den Dax aufsteigen können.

Unternehmen wie der Essenslieferdienst Delivery Hero, der den Skandalkonzern Wirecard zuletzt in der obersten Börsenliga ersetzte, hätte unter den neuen Regeln keine Chance mehr auf einen Dax-Einzug. Konzerne, die es einmal in den Dax geschafft haben, müssen jedoch keinen Rauswurf fürchten, wenn sie nicht profitabel sind.

3 – Pünktliche Berichte

Neu ist auch, dass Unternehmen, die in einem Index notieren, spätestens 90 Tage nach Geschäftsjahresende ihren testierten Jahresbericht vorlegen müssen. Zudem werden Quartalsberichte verpflichtend und müssen 45 Tage nach Ende des Quartals vorgelegt werden. Für die Vorlage beider Berichte bekommen die Unternehmen im Zweifelsfall noch zusätzlich 30 Tage Zeit. Wenn es danach immer noch keinen Bericht gibt, fallen sie binnen zwei Tagen aus dem Index.

Diese neue Regel ist eine Lehre aus dem Wirecard-Skandal. Der Zahlungsdienstleister hatte die Vorlage seines Berichts zunächst mehrfach verschoben und bekam auch nach Wochen kein Testat vom Wirtschaftsprüfer für sein Zahlenwerk.

Die Börse sichert sich dabei künftig schnellere Durchgriffsrechte, indem sie die Pflicht zur Vorlage der Berichte selbst sanktioniert. Bislang können nur Unternehmen in einen Index aufsteigen, die sich für das Börsensegment Prime Standard qualifizieren, in dem unter anderem Quartalsberichte verpflichtend sind. Jedoch: Wenn sie die Berichte dennoch nicht pünktlich vorlegen, hat dies keine unmittelbaren Konsequenzen.

Dies ändert sich, wenn der Indexanbieter selbst die Einhaltung der Regeln sanktioniert. Deshalb können künftig auch Unternehmen in einen Index aufsteigen, wenn sie lediglich im General Standard notieren, in dem Quartalsberichte nicht verpflichtend sind.

4 – Unabhängige Kontrolle

Unternehmen in einem der Dax-Indizes müssen künftig in Übereinstimmung mit den Regeln zur guten Unternehmensführung (Corporate Governance Kodex) einen unabhängigen Prüfungsausschuss im Aufsichtsrat haben. Im Kern soll dieser Ausschuss die Korrektheit der Bilanzen überprüfen. Auch das gab es bei Wirecard nicht.

Fehlt ein solcher Prüfungsausschuss, droht der Index-Ausschluss. Betroffene Unternehmen, die jetzt schon in den Indizes notieren, haben dafür jedoch eine Übergangsfrist. Sie müssen die Vorgaben erst ab September 2022 erfüllen. Damit will die Börse die Kontinuität in der Dax-Familie bewahren.

Betroffen davon ist im Dax theoretisch der Pharmakonzern Merck. Er hat nicht die Rechtsform einer AG, sondern einer KGaA. Nach Auffassung des Konzerns nimmt gemäß dem Corporate Governance Kodex der Finanzausschuss des Gesellschafterrates die entsprechenden Prüfungsaufgaben wahr.

Im MDax haben der Mobilfunk- und Internetanbieter United Internet und der Baustoffsoftwareanbieter Nemetschek keinen Prüfungsausschuss dieser Art in ihren Aufsichtsräten, die nur aus drei (Nemetschek) beziehungsweise vier Mitgliedern (United Internet) bestehen. Auch diese neue Regel hat mit Wirecard zu tun. Der Konzern hatte einen solchen unabhängigen Prüfungsausschuss erst 2019 und damit ein Jahr nach dem Dax-Aufstieg eingerichtet.

Mehr: Fondsmanager Bert Flossbach im Interview: „Aktien sind – nach vorn blickend – die mit Abstand wichtigste Anlageklasse“

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