Kurschancen von Öl-Aktien Das Comeback von Big Oil

Die Multis haben ihre Kosten drastisch gesenkt und Schulden abgebaut.
Frankfurt Das Orakel von Omaha hat schon im Herbst 2015 zugeschlagen: Die Investorenlegende Warren Buffett setzte auf die Trendwende am Ölmarkt und kaufte millionenfach Aktien des Ölkonzerns Phillips 66. Damals befanden sich Ölpreis und -aktien noch im freien Fall. Eigentlich ein denkbar ungünstiger Einstiegszeitpunkt. Doch Buffett war offenbar seiner Zeit einfach nur voraus.
Denn heute liegen Ölaktien bei Großinvestoren wieder voll im Trend. Das liegt nicht nur am ohnehin günstigen Aktienumfeld. Die großen Ölkonzerne haben aus der Ölpreiskrise gelernt, Schulden abgebaut, Kosten gesenkt. Die solide Basis und hohe Dividendenrenditen überzeugen Investoren. Davon können auch Anleger profitieren.
Dabei sieht es auf den ersten Blick gefährlich aus. Zwar hat die im Januar begonnene Förderkürzung der Organisation Erdöl exportierender Staaten (Opec) gemeinsam mit zehn weiteren Staaten den Ölpreis bei knapp 50 Dollar je Barrel (159 Liter) stabilisiert. Doch der Preis bleibt volatil. So sorgte am Montag der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Katar durch Saudi-Arabien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain nach einem ersten Anstieg für einen Rückgang des Ölpreises. Und für Ölaktien ging es schon seit Jahresbeginn nach unten: Der auf europäische Unternehmen fokussierte Index Stoxx 600 Oil & Gas fiel um drei Prozent, der S&P Global Oil Index gar um knapp zehn Prozent. Aber Experten sind optimistisch.
Förderung lohnt sich bei Preisen unter 40 Dollar je Barrel.
Der Kursrückgang sei „überzogen“, meint der Chef-Anlagestratege von Blackrock, Richard Turnill. Schon in einem Ende März veröffentlichten Blog-Eintrag erklärt er: „Wir glauben, daraus entstehen Möglichkeiten für ausgewählte Energieaktien, auch wenn sich der Ölpreis kurzfristig eher seitwärts bewegen sollte.“ Dieser Auffassung folgt auch Fondsmanager Bernd Schröder von Union Investment: „Wir erwarten, dass Ölaktien den Markt schlagen werden.“
Das liegt natürlich auch an den gestiegenen Ölpreisen, dank derer die Konzerne mehr einnehmen. Jüngst wurden die Ölförderkürzungen vom Ölkartell Opec gar bis Ende März 2018 verlängert. Das dürfte für Stabilität sorgen. Außerdem hat der Preisverfall von der Spitzenmarke von über 110 Dollar Mitte 2014 auf zeitweise unter 30 Dollar die Konzerne zur Disziplin erzogen. Laut einer Analyse von Roland Berger konnten etwa Exxon, Shell, Conoco-Phillips und Chevron ihre Förderkosten allein von 2014 bis 2016 mehr als halbieren. Heute lohnt sich für sie die Förderung schon bei Preisen unter 40 Dollar je Barrel.
Mit dem zusätzlichen Geld tragen sie entweder ihre immensen Schuldenberge ab oder – und das ist aus Investorensicht fast noch interessanter – zahlen ihre Dividende aus dem Free Cashflow, sozusagen aus der Kasse. Shell, Total, Exxon-Mobil und Conoco-Phillips haben das im ersten Quartal schon geschafft. Fondsmanager Marco Scherer von der Deutschen Asset Management überzeugt die Anpassungsfähigkeit der Ölmultis: „Bisher haben sie auch in Zeiten niedriger Ölpreise zuverlässig eine Dividende gezahlt, und nun gilt es zu zeigen, dass sie diese nicht auf Pump, sondern nachhaltig auch aus eigener Kraft finanzieren können.“ Für Investoren wie ihn spielt nicht zuletzt die Dividendenrendite eine Rolle. Diese Kennziffer gibt sozusagen die Verzinsung einer Aktie an. Laut Bloomberg liegt die Dividendenrendite bei Total bei 5,2 Prozent, bei BP bei 6,6 und bei Shell sogar bei 7,2 Prozent. Zum Vergleich: Im Schnitt liegt die Dividendenrendite des MSCI World Indexes bei 2,4 Prozent. Der Fokus von Rohan Murphy, Analyst bei Allianz Global Investors, ist dabei klar: „Die Bewertungen der europäischen Ölmultis sind deutlich attraktiver als die der amerikanischen.“
Sorgsame Aktienauswahl
Dabei mischen gerade die US-Schieferölunternehmen den Markt auf. Allein 2017 könnten sie die Förderung um insgesamt eine Million Barrel täglich ausweiten. Die Meinungen zu ihren Aktien sind aber geteilt. Während Schröder von Union Investment auch auf Schieferölunternehmen setzt, bleibt Scherer von der Deutschen Asset Management zurückhaltend. „Das Wohl und Wehe dieser Förderer hängt wesentlich stärker von den Ölpreisschwankungen ab. Sie kommen bei nachhaltig sehr schwachen Ölpreisen schneller in existenzielle Schwierigkeiten als die großen, integrierten Ölkonzerne.“
Ohnehin ist das Geschäftsmodell von Schieferölunternehmen ein anderes als jenes der Multis. Zwar sind sie wesentlich flexibler und können neue Quellen binnen sechs bis acht Monaten erschließen, während das bei konventionellen Feldern drei Jahre und länger dauert. Doch das Geschäft der sogenannten Fracker frisst viel Kapital. Selbst die großen Unternehmen erwirtschaften trotz der immensen Produktionssteigerungen heute keinen positiven Free Cashflow. Schröder von Union Investment hält dagegen: „Die Investoren wollen, dass die Unternehmen jetzt und nicht später ihre Produktion steigern. Das kostet natürlich Geld.“ Bei Analysten kommen insbesondere die Branchengrößen gut weg: EOG, Pioneer oder Continental Resources
Da Rückschläge beim Ölpreis nicht auszuschließen sind, achten Großinvestoren darauf, dass die Konzerne auch bei Preisen von unter 40 Dollar bestehen können. Blackrock zumindest ist bei den Großen der Branche zuversichtlich: Seit vergangenem Herbst ist der US-Investor sowohl bei BP, Shell, Total, Exxon als auch bei Chevron eingestiegen.
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