Märkte Halbleiteraktien: Kurseinbrüche von 30 bis 50 Prozent?

Wachstumsthemen sind Elektrofahrzeuge, der Mobilfunkstandard 5G, der steigende Bedarf an Sensoren und das Internet der Dinge. Die Halbleiterbranche profitiert davon.
Frankfurt Sind Halbleiteraktien Wachstumswerte oder Zykliker? Dieser Frage stellt sich Mark Hawtin, Investment Director für Aktien „Disruptives Wachstum“ bei GAM Investments. Seine Antwort in einer neuen Studie lautet: „Die meisten Analysten und Investoren haben im Zusammenhang mit Halbleiterunternehmen bislang ausschließlich Wachstumsbranchen gesehen. Unseres Erachtens handelt es sich jedoch in erster Linie um zyklische Unternehmen.“
Er nennt aber auch Beispiele von Firmen, die aus seiner Sicht über den Zyklus hinaus interessant sind: Micron, Seagate, Sensata Technologies und Marvell.
Der Lieferengpass im Halbleitermarkt, eine Folge der Corona-Pandemie, aber auch des steigenden Bedarfs der Autoindustrie hat die Branche ins Blickfeld gerückt. Hawtin nennt zwar Elektrofahrzeuge, den Mobilfunkstandard 5G, den steigenden Bedarf an Sensoren und das Internet der Dinge als Wachstumsthemen, von denen die Halbleiterhersteller profitieren.
Trotzdem geht er davon aus, dass entscheidend nach wie vor ihre starke Abhängigkeit vom Konjunkturzyklus ist. Wenn der sich nach der Erholung aus der Pandemie nach unten dreht, hält er daher Kursverluste von „mindestens 30 bis 50 Prozent“ für wahrscheinlich. Er schreibt: „Diese Zyklen und die daraus resultierenden Einbrüche zeigten sich mehrfach in den vergangenen 30 Jahren, und wir sehen keinen Grund, warum sich dieser Ablauf nicht wiederholen könnte.“
Die Sichtweise von GAM ist durchaus umstritten. Zehrid Osmani zum Beispiel, Fondsmanager bei Legg Mason Martin Currie, einer Marke von Franklin Templeton, hält Infineon für einen sehr guten Einstieg auch in den Aufschwung der elektrischen Fahrzeuge. JP Morgan weist darauf hin, dass durch ein Programm der US-Regierung viel Geld in die Branche fließe.
Micron über den Erwartungen
GAM empfiehlt, sich zwei etwas spezielle Bereiche anzuschauen, die etwas höhere Stabilität bieten sollen: die Speichertechnik mit den Unternehmen Micron und Seagate als Beispiele, und das Thema „Digital 4.0“ mit den Firmen Sensata Technologies und Marvell.
Bei „Digital 4.0“ geht es, grob gesprochen, darum, industrielle Prozesse durch bessere Datennutzung zu analysieren und dann auch die Produktion gleich übers Internet intelligent zu vernetzen. Das ist für den Standort Deutschland von besonderer Bedeutung.
Micron (ISIN: US5951121038) hat am Mittwoch in den USA Zahlen vorgelegt. In dem Quartal, das mit dem Mai endete, lag der Gewinn je Aktie bei 1,88 Dollar und damit über den Erwartungen der Analysten von 1,72 Dollar. Im laufenden Quartal soll er weiter auf 2,30 Dollar steigen. Zugleich machte das Unternehmen deutlich, dass mittelfristig die Kosten steigen und hohe Investitionen das Ergebnis belasten werden, was die Aktie zeitweise unter Druck setzte.

Die Nachfrage ist stark.
Micron-Chef Sanjay Mehrotra sagte laut Nachrichtenagentur Reuters aber, er erwarte noch bis Ende kommenden Jahres eine starke Nachfrage und ein enges Angebot für sogenannte NAND- und DRAM-Speicherchips, die zum Beispiel in Datenzentren, und Smartphones benutzt werden.
Vor einer Woche schrieb ein Analyst der US-Investmentbank Cowen, der Bedarf an Speicherchips steige durch den Bedarf für Smartphones und Server schneller als zuvor gedacht.
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von Micron liegt für das Geschäftsjahr per Anfang August bei 27,4, für das kommende Geschäftsjahr bewegt sich der Schätzwert laut Datenanbieter Refinitiv bei 13,6. Mit einer Bewertung an der Börse von 93 Milliarden Dollar ist das Unternehmen durchaus ein Schwergewicht. Auffällig ist die relativ hohe Eigenkapitalquote von gut 70 Prozent.
Weitere Favoriten
Ein weiterer Favorit von GAM ist Seagate (ISIN IE00BKVD2N49). Barclays hat diese Firma vor Kurzem von „untergewichten“ auf neutral hochgestuft. Es gibt elf Kauf-, zwölf Halten- und zwei Verkaufsempfehlungen. Das KGV für das mit dem Juli beginnende Geschäftsjahr liegt bei 16,4. An der Börse ist Seagate mit rund 20 Milliarden Dollar bewertet.
Auch Sensata Tech (ISIN GB00BFMBMT84) zeigt ganz ähnlich für das Jahr 2021 ein KGV von 17, die Marktkapitalisierung liegt bei gut 17 Milliarden Dollar. Es gibt 15 Kauf-, sieben Halten- und keine Verkaufsempfehlung.
Ein weiteres Unternehmen, Marvell Tech (ISIN US5738741041), hat für das Geschäftsjahr per Ende Januar 2022 ein KGV über 40, das Unternehmen ist an der Börse 46 Milliarden wert. Es gibt 24 Kauf-, fünf Halten- und eine Verkaufsempfehlung.
Am Montag hat der Konzern eine neue DPU (Data Processing Unit) gestartet, die die Sicherheit und Schnelligkeit im 5G-Mobilfunk-Standard, aber auch bei Cloud-Anwendungen und einigen weiteren Bereichen verbessern soll. Goldman Sachs sieht zwar zunächst nur limitiertes Potenzial für die Aktie, aber erwähnt als positive Faktoren die starke Nachfrage wegen 5G und Cloud-Computing und Verbesserungen in der Zulieferkette.
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