Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck verspricht vor Börsendebüt höhere Margen

Noch ist völlig offen, ob Daimler seine Marktführerschaft auch im Elektrozeitalter behaupten kann.
München Es war vor ziemlich genau einem Jahr. Die rund 170.000 Beschäftigten von Daimler in Deutschland sehnten bereits die Betriebsferien rund um die Weihnachtstage herbei, als die zwei wichtigsten Vorstände des Autobauers über einen Schritt sinnierten, der in Stuttgart alles verändern sollte.
Bei dem informellen Gespräch waren sich Daimler-CEO Ola Källenius und Finanzchef Harald Wilhelm schnell einig: Die Tage des Konglomerats sind gezählt. Die beiden Manager beschlossen im Geheimen, den Dax-Konzern in zwei Teile zu zerlegen: das Geschäft mit Pkw und Vans sowie jenes mit Lastwagen und Bussen.
Diesen Freitag folgt der vorerst finale Schritt dieser Strategie: Daimler Truck geht an die Börse. Und der nunmehr eigenständige Nutzfahrzeugriese stellt gleich mal eine höhere Profitabilität in Aussicht. Konkret soll die um Sondereffekte bereinigte Umsatzrendite laut Börsenprospekt im nächsten Jahr auf bis zu neun Prozent steigen. Zum Vergleich: 2021 dürfte der Konzern lediglich eine Marge zwischen sechs und acht Prozent schaffen.
Für 2022 erwartet Daimler Truck dagegen, dass auch Absatz und Umsatz „signifikant“ zulegen werden. Ausgangspunkt für den hoffnungsfrohen Ausblick ist ein prall gefülltes Auftragsbuch. Stand Ende September liegen bei den Schwaben Bestellungen für mehr als 433.000 neue Sattelschlepper und Busse vor. Das entspricht einem Zuwachs von fast 80 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, das allerdings stark von der Coronapandemie belastet war.
„Wir sind entschlossen, eine höhere Profitabilität zu erzielen und mit vollem Einsatz das Rennen hin zu Nullemissionen zu gewinnen“, buhlte Martin Daum, CEO von Daimler Truck, zuletzt um die Gunst von Investoren. Der Manager kann erste Erfolge beim Sparen vermelden. In Europa ist fast die Hälfte des 300 Millionen Euro schweren Personalabbauprogramms bereits abgearbeitet.
Mehr Wertschöpfung bei E-Antrieben
Betriebsratschef Michael Brecht fordert von Daum indes auch klare Signale zur Bedeutung der eigenen Truppe. „Wichtig ist, dass bei der Abspaltung und der Transformation nicht nur die Interessen der Aktionäre und Investoren erfüllt werden, sondern dass daraus auch eine Story für die Beschäftigten entsteht“, sagte Brecht dem Handelsblatt.
Der oberste Arbeitnehmervertreter bei Daimler Truck hat dem Vorstand für seine Zusage zum Spin-off eine Reihe von Rahmenbedingungen abgetrotzt. „Das fängt bei der Bezahlung an, geht über die Altersvorsorge bis zum Firmenangehörigengeschäft“, erklärte Brecht. In Deutschland sind betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2029 ausgeschlossen.
Zudem hat der Betriebsrat die Auflegung eines Innovationsfonds erwirkt, der mit 1,5 Milliarden Euro ausgestattet ist. Mit diesem Geld soll in Batterie- und Wasserstoffkomponenten investiert werden, um den drohenden Abbau von Tausenden Jobs in stark vom Dieselmotor abhängigen Werken zu verhindern. „Unser Ziel ist, dass wir eine ähnlich hohe Wertschöpfung im elektrischen Antriebsstrang erreichen wie heute beim Verbrenner“, betont Brecht.
Bei der Stromrevolution bekommt Daimler Truck aber mehr und mehr Konkurrenz. Der Semi-Sattelschlepper von Tesla lässt zwar weiter auf sich warten, werde aber irgendwann kommen und „sehr gut sein“, prophezeit eine Daimler-Führungskraft. Verstecken müsse man sich vor dem Billionenkonzern nicht, aber doch mächtig anstrengen, meint der Manager. Zumal der Platzhirsch auch bei Wasserstoff-Trucks von dem US-Start-up Nikola unter Druck gesetzt wird.
Mit Produkten wie dem 400-Kilometer-Koloss eActros sieht sich Daimler Truck zwar in der Poleposition. Noch ist aber völlig offen, ob die Schwaben ihre Marktführerschaft auch im Elektrozeitalter behaupten können. Klar ist dagegen: Die künftige Mercedes-Benz Group behält zunächst 35 Prozent der Anteile an dem Nutzfahrzeughersteller. Schon nach einem Jahr könnte Konzernchef Källenius aber seine schützende Hand über dem Lkw-Riesen wieder senken.
Mittelfristig mehr Kurspotenzial sehen Kapitalmarktkenner ohnehin im Pkw-Geschäft. „2022 wird Mercedes an der Börse einen Sprung nach oben machen“, glaubt ein Investmentbanker. Bei Daimler Truck fehle hingegen noch ein wenig das Vertrauen: „Das lässt sich nicht so schnell drehen.“
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