Versicherer-Aktie unter der Lupe Allianz im Höhenflug

Die Kursentwicklung sagt viel aus über Europas größten Versicherer.
München Wer Anfang des Jahres Aktien der Allianz gekauft hat, kann Ende November bereits ein zufriedenes Resümee ziehen. Um gut ein Viertel ist der Kurs seither gestiegen, fast doppelt so stark wie der Dax. Sogar die Marke von 200 Euro hatte der Kurs Ende Oktober wieder genommen – zum ersten Mal, seitdem er im Sommer 2002 darunter gefallen war. Seither rotiert er in kleinen Radien um diese Schwelle.
Die Kursentwicklung sagt viel aus über Europas größten Versicherer und die Nummer zwei der Welt hinter Axa. War die Stimmung unter den Anlegern anfangs noch zurückhaltend, so hat sie im Lauf des Jahres mehr und mehr gedreht. Vorsichtiger Optimismus war zwar schon zu Beginn des Jahres zu spüren, es gab aber auch warnende Stimmen. Der teure digitale Wandel in der Branche war stets ein Thema, auch die anhaltende Niedrigzinspolitik wurde immer wieder als Belastung genannt. Hinzu kamen Gerüchte über Zwistigkeiten im Vorstand, es ging um den Kurs von Vorstandschef Oliver Bäte.
Auffällig dabei: All diese Belastungsfaktoren für den Kurs verloren während des Jahres an Bedeutung – ohne dass sie jedoch ganz weg waren. In der Wahrnehmung von Analysten spielten sie indes im zweiten Halbjahr kaum noch eine Rolle. Sogar von Querschüssen gegen Bäte ist seither nichts mehr an die Öffentlichkeit gedrungen.
Entsprechend positiv sind die Experten. „Trotz sehr starker Kursentwicklung in diesem Jahr dürfte sich die positive Dynamik fortsetzen“, ist sich Hadley Cohen sicher. Der Analyst der Deutschen Bank hat vor wenigen Tagen sein Kursziel für die Aktie auf 220 Euro hochgesetzt. Seine Schätzungen für die kommenden zwölf Monate sehen vor, dass der Aufschwung und die wirtschaftliche Dynamik des Konzerns auch 2018 anhalten werden. Eine Ansicht, mit der er nicht allein ist. Von den 51 Experten, die die Aktie beobachten, raten 34 zum Kauf und nur vier zum Verkauf. Der Rest nimmt eine neutrale Position ein.
Die bedeutendste Nachricht aus dieser Woche ist dabei eher perspektivisch interessant. Am Montag meldete der Konzern vor Börsenstart, dass er die ausstehenden gut 35 Prozent am Kreditversicherer Euler Hermes übernehmen will. Die weltweite Nummer eins in diesem wichtigen Nischenmarkt gehört seit Jahren zu den Gewinnbringern im Konzern. Speziell in den aufstrebenden Ländern, in die Konzernchef Bäte expandieren will, sind die Kreditversicherer längst vor Ort. Folglich war es nur ein logischer Schritt, jetzt die Komplettübernahme anzustreben, heißt es an der Börse. Auch wenn die gut 1,85 Milliarden Euro, die für die restlichen Anteile überwiesen werden sollen, alles andere als ein Schnäppchen sind.
Wichtiger erscheint es den Analysten, dass alle drei Standbeine der Allianz zuletzt überzeugt haben und zudem gute Perspektiven für das kommende Jahr bieten. Das gilt auch für den Bereich Schaden und Unfall, in dem das operative Ergebnis im dritten Quartal allerdings um 28 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gefallen war. Auslöser waren die vielen Großschäden durch Naturkatastrophen. Analysten hatten hier sogar mit höheren Belastungen gerechnet, insofern sogen sie sogar noch etwas Positives aus dieser Zahl.
Ganz andere Probleme prophezeiten die Experten lange Zeit den Segmenten Lebensversicherung und Vermögensverwaltung. Die Niedrigzinspolitik belastet hier seit Jahren, zudem hatte die Allianz lange Zeit Probleme mit der US-Tochter Pimco. Seit gut einem Jahr sind die Mittelabflüsse dort jedoch gestoppt, seither geht es kontinuierlich bergauf. Vinit Malhontra, Analyst bei der italienischen Mediobanca, hat deshalb sein Urteil zur Allianz gerade erst nach oben revidiert. Jetzt traut er der Aktie eine bessere Entwicklung als dem Gesamtmarkt zu. „Das Tempo, mit dem der Versicherer den Wandel vor allem im Lebensversicherungsgeschäft, aber auch bei der Vermögensverwaltungstochter Pimco vollzieht, verdient mehr Anerkennung“, ist er sich sicher.
Unendliche Möglichkeiten
Geldsorgen hat die Allianz ohnehin nicht. Ein Börsenwert von mehr als 85 Milliarden Euro bringt dem Konzern Unabhängigkeit und nahezu unendliche Möglichkeiten. Die Solvenzquote liegt inzwischen bei komfortablen 227 Prozent und damit noch einmal acht Prozentpunkte höher als im Sommer. Gründe, die speziell Johnny Vo von Goldman Sachs lobt. Deshalb hat er unlängst sein Kursziel von 197 auf 217 Euro angehoben. Inzwischen waren seine Schätzungen ohnehin von der Realität eingeholt worden.
„Der in der Branche einzigartige Kursanstieg“ ist es aber auch, der Analysten wie James Shuck von Citigroup vorsichtiger werden lässt. „Auch mit Blick auf die Dividendenrendite ist die Aktie im Branchenvergleich am teuersten“, rät er zur Vorsicht. Zwar bietet die Allianz traditionell eine hohe Dividende, nach aktuellem Kurs dürfte dabei eine Rendite von vier Prozent herauskommen. Gleichzeitig ist sie mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 12,5 für dieses Jahr kein Schnäppchen mehr.
Neue Euphorie könnten so die Wunschzettel bringen, die viele Anleger an Konzernchef Bäte haben. Darauf steht in vielen Fällen der Wunsch nach einer größeren Übernahme ganz oben. Die hat er für den Bereich Sachversicherung in der Vergangenheit schon mehrmals angekündigt. Seither warten die Anleger gespannt.
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