Mittelstandsanleihen Minibonds-Anleger haben nichts zu lachen

Gestaltet von Künstler Jacques Tilly.
Düsseldorf Die Niedrigzinsphase ist nicht nur Thema bei Anlegern, sondern auch unter Karnevalisten. Mit einem Mittelstandswagen wollen die Düsseldorfer Vermögensverwalter Hans und Klaus Hinkel beim Rosenmontagszug auf die Zinsmisere aufmerksam machen. Mit auf dem Wagen sind unter anderem die Karlsberg Brauerei und der Spirituosenhersteller Underberg, beides Emittenten sogenannter Mittelstandsanleihen – allerdings solcher, die die Anleger nicht enttäuscht haben. Die Kurse der Anleihen der beiden Karnevalisten stehen bei mehr als 100 Prozent.
Bei vielen anderen Anleihen ist das nicht mehr der Fall. 40 Mittelstandsanleihen mit einem Volumen von 1,2 Milliarden Euro sind laut Sebastian Zank von der Ratingagentur Scope bereits ausgefallen. Fällige Zinsen wurden nicht mehr gezahlt, oder die Unternehmen gingen sogar pleite. „Bei weiteren Emittenten deutet sich ein ‚Selective Default‘, also ein teilweiser Ausfall an“, so Zank. Aktuell seien 202 Anleihen mit einem Volumen von 6,1 Milliarden Euro ausstehend, davon würde rund eine Milliarde auf bereits insolvente Emittenten entfallen.
In den vergangenen Jahren lockten Mittelstandsanleihen mit dicken Renditen. Oft waren sie mit Kupons von sieben Prozent und mehr ausgestattet, während bei Unternehmensanleihen von großen Konzernen kaum etwas zu holen war. So ist es kein Wunder, dass diese Anleihen für viele Anleger der Ausweg aus der Zinsmisere zu sein schienen und gerne gekauft wurden. Heute ist vielen Besitzern der Minibonds allerdings nicht mehr zum Lachen zumute, denn die Bilanz dieser Anleihen ist erschütternd.
Das Drama trifft fast ausschließlich Privatanleger. Institutionelle Investoren wie Versicherer oder Pensionskassen kaufen die Papiere nicht – das Volumen ist zu gering. Derzeit zittern zum Beispiel die Anleger von German Pellets um ihr Geld, weil das Unternehmen in Schieflage geraten ist. Der Kurs des Bonds, der am 1. April fällig wird, notiert bei gerade noch 27 Prozent.
Allein in diesem Jahr werden Mittelstandsanleihen über 890 Millionen Euro fällig, davon rund 300 Millionen von Pleite-Unternehmen. Im kommenden Jahr müssen die Mittelständler 1,4 Milliarden Euro zurückzahlen. „Die Spitze der Refinanzierungswelle kommt dann erst 2018 mit einem fällig werdenden Volumen von 2,1 Milliarden Euro“, sagt Scope-Analyst Zank.
Die Mittelständler sind gut beraten, sich schon jetzt Gedanken um die Anschlussfinanzierung zu machen. „Für viele Emittenten könnte es ziemlich eng werden, weil ihre Bonität nicht gut genug ist, um eine weitere Anleihe zu platzieren“, sagt Hans-Werner Grunow, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Capmarcon. „Ich will nicht schwarzmalen, aber wir werden wohl noch weitere Ausfälle erleben.“ Privatanlegern, die bereits in die Minibonds investiert haben, rät er, sich die Unternehmen genau anzuschauen und gegebenenfalls die Reißleine zu ziehen. „Wenn eine Anleihe bei 50 Prozent oder weniger steht, könnte es sinnvoller sein, heute zu verkaufen, als bei Fälligkeit 100 Prozent zu verlieren“, rät Grunow.
Fest steht schon jetzt, dass der Schaden durch Mittelstandsanleihen noch größer werden wird. Die Börsen haben sich aus dem einst umjubelten Geschäft weitgehend verabschiedet, die Segmente wurden umbenannt oder gleich ganz eingestampft. Christoph Lammersdorf, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Stuttgarter Börse, wo die Minibonds erfunden wurden, ließ sich sogar mit dem Satz zitieren, der Markt für Mittelstandsanleihen sei tot.
So weit würde Grunow nicht gehen. „Ich habe in meinem Leben schon oft gesehen, dass Totgesagte länger leben“, sagt der Experte für Finanzierungen. Auch die Brüder Hinkel wollen die Minibonds noch nicht abschreiben. Ihr Artus Mittelstandsrenten Fonds investiert allerdings mittlerweile etwas breiter als früher.
In den vergangenen Monaten sind zwar kaum noch neue Mittelstandsbonds auf den Markt gekommen, aber: „Diejenigen, die eine Anleihe gebracht haben, waren alle schon mal mit einer Anleihe auf dem Markt – wie beispielsweise Katjes“, sagt Grunow. Es gibt also durchaus Mittelständler, denen Anleger auch jetzt noch ihr Geld anvertrauen.
Auf dem Wagen beim Düsseldorfer Rosenmontagszug wird all das zumindest für einen Tag nicht im Vordergrund stehen. Aber wenn die jecken Tage vorbei sind, erinnert sich sicher der ein oder andere an die Kontakte, die er beim Kamelleschmeißen geknüpft hat. Mit dabei ist nämlich auch das Unternehmen One Square Advisors, das in Sachen Mittelstandsfinanzierung berät. Und gut beraten wollen bestimmt viele Mittelständler in den kommenden Monaten sein.