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Unternehmensanleihen Eine Steuerreform soll den Schweizer Anleihemarkt beleben

Wenn Schweizer Unternehmen Anleihen ausgeben, gehen sie aus steuerlichen Gründen oft nach Luxemburg. Das ist auch eine Lehre für Pläne einer Finanztransaktionssteuer in Europa.
30.03.2021 - 08:54 Uhr Kommentieren
Der Schweizer Fiskus verdient bei der Ausgabe und dem Handel von Aktien und Anleihen kräftig mit. Quelle: dpa
Schweizer Franken

Der Schweizer Fiskus verdient bei der Ausgabe und dem Handel von Aktien und Anleihen kräftig mit.

(Foto: dpa)

Zürich Den Ruf einer Steueroase wird die Schweiz im Ausland nur schwer los. Doch wenn es um den Handel mit Wertpapieren geht, könnte das Klischee kaum weiter von der Realität entfernt sein. Tatsächlich verdient der Schweizer Fiskus bei der Ausgabe und dem Handel von Aktien und Anleihen kräftig mit.

Doch das hat Folgen für den Finanzplatz: Die Steuern machen vor allem Anleihen in Schweizer Franken für ausländische Investoren unattraktiv. Viele große Schweizer Unternehmen, die sich am Kapitalmarkt refinanzieren, weichen daher auf Luxemburg aus, um Anleihen in Euro auszugeben.

Das zeigte sich der Credit Suisse zufolge besonders im Corona-Jahr 2020: Schweizer Konzerne begaben Anleihen in Fremdwährungen wie Euro oder Dollar mit einem Volumen von 31 Milliarden Euro – ein Wachstum von über 150 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dem gegenüber stehen lediglich Neuemissionen in Lokalwährung im Umfang von 13 Milliarden Franken.

Die Erfahrungen der Schweiz mit hohen Steuern auf Wertpapiere sind auch eine Lehre für die Nachbarn in der Europäischen Union (EU): Während die EU derzeit eine Finanztransaktionsteuer diskutiert, könnte die Schweiz noch in diesem Jahr beschließen, Steuern auf Wertpapiere abzubauen.

Zwei verschiedene Steuern erhebt die Schweiz auf Wertpapiere: Auf Zinsen und Dividenden fällt die eine sogenannte Verrechnungssteuer in Höhe von 35 Prozent an. Beim Handel mit Aktien und Anleihen zweigt der Schweizer Fiskus bei jeder Transaktion eine Steuer von 0,15 Prozent ab, bei ausländischen Wertpapieren sind es sogar 0,3 Prozent. „Die Steuern wurden im Wesentlichen seit den 60er-Jahren nicht reformiert“, sagt Urs Kapalle, Steuerexperte der Schweizerischen Bankiervereinigung.

Umweg über Steueroasen

Doch seither haben sich die Finanzmärkte fundamental geändert. Weltumspannende Konzerne wie Nestlé, Roche oder Novartis haben ihren Sitz in der Schweiz. Sie können wie die meisten börsennotierten Konzerne ihren Kapitalbedarf längst nicht mehr am heimischen Markt allein decken. Sie müssen etwa Geld über Anleihen bei ausländischen Investoren und in verschiedenen Währungen aufnehmen. Doch die Schweizer Verrechnungssteuer macht das kompliziert.

Sie wird als sogenannte Quellensteuer erhoben. Das bedeutet: Auf die Zinszahlung für eine Anleihe führt das ausgebende Unternehmen direkt 35 Prozent Steuern an den Schweizer Fiskus ab – unabhängig davon, wer die Kuponzahlung erhält. Investoren, die in der Schweiz nicht steuerpflichtig sind, können sich das Geld theoretisch von den Steuerbehörden erstatten lassen. Doch der Aufwand lohnt kaum.

Um dennoch ausländische Investoren anzulocken, nehmen viele Unternehmen einen Umweg über Luxemburg in Kauf – so wie der Chemiekonzern Clariant. Stephan Heimberg, Leitender Manager in der Finanzabteilung von Clariant, sagt: „Wir mögen die Franken-Anleihe als Refinanzierungsinstrument sehr gern.“

Bei der Ausgabe eines Zinspapiers den Umweg über den Finanzplatz Luxemburg gewählt. Quelle: Reuters
Schriftzug des schweizerischen Chemiekonzerns Clariant

Bei der Ausgabe eines Zinspapiers den Umweg über den Finanzplatz Luxemburg gewählt.

(Foto: Reuters)

Doch der Schweizer Anleihemarkt sei schlicht nicht groß genug für ein hohes Emissionsvolumen im unteren Investmentgrade-Bereich, in den Clariant eingestuft wird. „Für Anleihevolumen von mehr als 300 Millionen gehen wir meist auf den Euro-Bond-Markt“, sagt er.

Ausgegeben wird das Zinspapier dann von der Luxemburgtochter von Clariant. So fällt keine Verrechnungssteuer an, die sich ausländische Investoren mühsam erstatten lassen müssen. Clariant-Manager Heimberg sagt: „Die längst überfällige Reform der schweizerischen Verrechnungssteuer auf Anleihezinsen würde wohl dazu führen, dass die Luxemburgtochter von Clariant nicht mehr notwendig wäre.“

Auch aus Sicht des Dachverbands der Schweizer Banken ist der Umweg ineffizient: „Es ist einfach suboptimal, wenn ein Schweizer Unternehmen Zweigstellen in Guernsey oder Luxemburg unterhalten muss“, sagt Steuerexperte Kapalle. Eine Vereinfachung des Steuerrechts könne die gesamte Wertschöpfungskette bei der Unternehmensfinanzierung in die Schweiz holen, so Kapalle.

Die Stempelsteuer wirke sich ebenfalls nachteilig auf den Schweizer Finanzplatz aus. Diese sei ähnlich einer besonders breit angelegten Börsenumsatzsteuer. Im Aktienhandel mag das nicht stark ins Gewicht fallen.

Und auch am Anleihemarkt war die Stempelsteuer lange ein eher kleines Übel. Doch in Zeiten, in denen Anleihen keine oder gar negative Renditen abwerfen, fallen Steuern in Höhe von 0,15 Prozent stark ins Gewicht.

Auch Dominique Kunz, Leiter des Schweizer Geschäfts mit Unternehmensanleihen bei der Credit Suisse, bestätigt: „Wenn sich Schweizer Emittenten etwa in Euro refinanzieren wollen, müssen sie die Anleihen über ein Vehikel außerhalb der Schweiz platzieren.“

Ausnahmen für Großbanken

Dabei sei es sowohl steuerlich als auch für die Konzernbilanz sinnvoll, sich dort zu verschulden, wo auch das Firmenvermögen konzentriert ist. Die Steuer sei daher ein Standortnachteil für alle Schweizer Firmen. „Aber es wirkt vor allem diskriminierend gegenüber mittelgroßen Unternehmen.“ Diese haben oft nicht die Möglichkeit, über den Umweg Luxemburg den Kapitalmarkt anzuzapfen.

Einen Vorteil haben dagegen die großen Schweizer Banken. Sie müssen ihre Anleihen aus regulatorischen Gründen aus der Schweiz heraus begeben. Dafür, dass die Finanzaufsicht Finma die volle Aufsicht über die Refinanzierung der Schweizer Banken behält, kommt der Staat den Banken entgegen: Zinszahlungen auf gewisse Bankanleihen sind von der Verrechnungssteuer befreit – so können auch ausländische Investoren die Papiere ohne große Hürden kaufen.

Zinszahlungen auf gewisse Bankanleihen sind von der Verrechnungssteuer befreit. Quelle: Reuters
Paradeplatz in Zürich

Zinszahlungen auf gewisse Bankanleihen sind von der Verrechnungssteuer befreit.

(Foto: Reuters)

Aus Sicht der Schweizerischen Bankiervereinigung ist die Existenz der Ausnahmeregelung Beleg genug, dass die Steuer falsch wirkt. „Das ist der Tatbeweis, dass wir eine Reform brauchen“, sagt Kapalle. Und davon würde auch die Volkswirtschaft profitieren, hat der Verband errechnet. Ein Reform von Stempel- und Verrechnungssteuer könne das Bruttoinlandsprodukt innerhalb von fünf Jahren um 1,4 Prozent steigern.

Derzeit diskutiert der Schweizer Bundesrat, die Verrechnungssteuer auf Zinspapiere abzuschaffen, auch eine schrittweise Abschaffung der Stempelsteuer, also der Börsenumsatzsteuer, ist in der Diskussion. Die Erfahrungen aus der Schweiz dürften auch von europäischen Finanzpolitikern mit Interesse verfolgt werden.

Seit zehn Jahren diskutiert die EU über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Im Ursprungsentwurf ist auch vorgesehen, den Handel mit Anleihen zu besteuern. In der Schweiz sorge dies jedoch für steigende Finanzierungskosten für die Unternehmen, sagt Experte Kapalle: „Das wirkt wie eine Steuer auf Investitionen.“ Immerhin: Im aktuellen Entwurf zur Finanztransaktionsteuer von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) werden Anleihen ausgeklammert.

Dafür entfällt die Steuer nur auf im Inland gelistete Unternehmen. Eine neue Abgabe einzuführen und ausländische Unternehmen zu verschonen – das wäre wiederum in der Schweiz wohl undenkbar.

Mehr: Mehr Risiko, mehr Rendite: Wie Anleger auf Hochzinsanleihen setzen können.

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