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Unternehmensbonds Anleihemärkte werden amerikanischer: Was das für Anleger bedeutet

Immer mehr US-Firmen geben Anleihen in Euro aus. Für Profi-Anleger sind die Papiere attraktiv – doch die Entwicklung birgt Risiken für den Finanzmarkt.
05.02.2020 - 18:40 Uhr Kommentieren
US-Konzerne setzen verstärkt auf den europäischen Anleihemarkt, um frisches Geld einzusammeln. Quelle: dpa, AP, Getty Images (M)
US-Großkonzerne IBM, Dow Chemical und Comcast

US-Konzerne setzen verstärkt auf den europäischen Anleihemarkt, um frisches Geld einzusammeln.

(Foto: dpa, AP, Getty Images (M))

Frankfurt Drei US-Konzerne eint, dass sie vor gewaltigen Herausforderungen stehen: IBM drängt in die von Microsoft und Amazon dominierte Cloud-Technik. Comcast, der Mutterkonzern von Pay-TV-Sendern wie NBC und Sky, muss sich gegen Angreifer wie Netflix oder Disney zur Wehr setzen. Und Dow Chemical steckt nach einer Fusion und Abspaltung mitten in einer Umstrukturierung. Die amerikanischen Großkonzerne eint außerdem, dass sie Geld brauchen – und sich das Kapital vorzugsweise in Europa statt in den USA besorgen.

IBM hat am Dienstag eine über drei Milliarden schwere Euro-Anleihe am Markt platziert. Der Kabelnetzbetreiber und Medienkonzern Comcast kam am Mittwoch, der Chemiekonzern Dow Chemical folgt in den kommenden Tagen ebenfalls mit einer milliardenschweren Bondemission in Europa – obwohl alle drei Firmen ihr Hauptquartier und einen großen Teil ihres Umsatzes in den USA erwirtschaften.

Die Finanzbranche hat einen Fachbegriff für das Phänomen geprägt: „Reverse Yankees“ heißen in Fremdwährung aufgelegte Anleihen von US-Konzernen. Und besonders in Europa boomt dieses Geschäft.

Schon 2019 stammten Daten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) zufolge 20 Prozent der neu begebenen Euro-Unternehmensanleihen von US-Firmen. Damit waren die Amerikaner die stärkste Gruppe auf dem europäischen Markt für Firmenbonds – noch vor deutschen und französischen Unternehmen.

Bei Investoren sind die US-Papiere im Euro-Gewand extrem beliebt. Doch die Amerikanisierung der europäischen Anleihemärkte ist auch mit Risiken verbunden. Sonal Desai, Chefanlagestrategin für Anleihen beim US-Vermögensverwalter Franklin Templeton, warnt: „Reverse Yankees sind ein weiterer Ausdruck für die Verzerrungen an den Anleihemärkten, die die lockere Geldpolitik verursacht.“ Die US-Firmen machen sich das ultraniedrige Zinsniveau in der Euro-Zone zunutze.

Extrem günstige Bedingungen

In den USA beträgt die Rendite für zehnjährige US-Staatsanleihen derzeit rund 1,6 Prozent. Diese Prozentzahl gilt somit als risikoloser Zins, an dem sich die Renditen aller anderen Dollar-Zinspapiere orientieren. In der Euro-Zone spielt die zehnjährige Bundesanleihe die entsprechende Rolle. Sie notiert aktuell bei minus 0,36 Prozent.

Selbst wenn die US-Firmen sich gegen Währungsschwankungen absichern und europäischen Investoren eine Prämie zahlen müssen, lohnt es sich für die US-Konzerne in vielen Fällen, Geld in der Euro-Zone einzusammeln.

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Das zeigt etwa der IBM-Deal. Der IT-Konzern sammelte über drei Tranchen mit Laufzeiten von acht bis 20 Jahren 3,75 Milliarden Euro an. Das Geld nutze IBM unter anderem dazu, in Dollar notierte Schulden vorzeitig zurückzuzahlen, sagt Matthias Schell, Anleihestratege der LBBW. „Die Neuemissionen dienen im Wesentlichen einer Umschichtung in die aktuell günstigere Finanzierung in Euro.“

Für die extrem günstigen Finanzierungsbedingungen in der Euro-Zone ist nach Ansicht der meisten Experten die Europäische Zentralbank (EZB) verantwortlich. Sie hält nicht nur den Leitzins bei null Prozent, sondern kauft auch im großen Stil Staats- und Unternehmensanleihen auf.

Von den monatlich 20 Milliarden Euro aus dem Anleihekaufprogramm der EZB fließen 4,6 Milliarden in neue Unternehmensanleihen. Dazu ersetzt die Notenbank monatlich für 2,5 Milliarden Euro fällige Firmenbonds durch neue Papiere.

Sollte die EZB wie angekündigt in diesem Tempo weiter Unternehmensbonds kaufen und sich der Markt für Neuemissionen ähnlich wie 2019 entwickeln, könnte die Notenbank in diesem Jahr zwischen zehn und 20 Prozent aller neu begebenen Unternehmensanleihen kaufen. Daher sagt auch Bastian Gries, Fondsmanager beim Vermögensverwalter Oddo BHF: „Die Notenbank hat schon einen größeren Einfluss auf den Markt.“ Sie helfe den Firmen, sich günstig zu refinanzieren.

Attraktive Zinsaufschläge

Davon wollten auch Unternehmen profitieren, die sonst gar nicht in der Euro-Zone Kapital einsammeln würden. Die lockere Geldpolitik der EZB habe dem Phänomen der „Reverse Yankees“ erst zur Größe verholfen, so Gries. „Seit Ex-EZB-Chef Mario Draghi 2016 das Ankaufprogramm für Unternehmensanleihen gestartet hat, begeben US-Unternehmen verstärkt Anleihen in Euro.“

Doch noch nie war das Volumen so gewaltig wie im vergangenen Jahr: Mehr als 90 Milliarden Euro haben US-Konzerne 2019 der LBBW zufolge in Euro eingesammelt. Deutsche Konzerne haben rund 80 Milliarden aufgenommen, französische Firmen rund 78 Milliarden.

Gegenüber 2018 haben die Amerikaner ihre Euro-Emissionen mehr als verdoppelt – allerdings hatten viele US-Konzerne 2018 wegen der Reform der amerikanischen Unternehmensteuer ohnehin genug liquide Mittel.

Aus Sicht von Fondsmanager Gries sind die amerikanischen Zinspapiere durchaus attraktiv: „Für Investoren bieten die US-Firmen mitunter gute Prämien.“ Weil selbst viele Profianleger in Europa sich immer noch besser mit Firmentiteln aus dem Heimatmarkt auskennen, verlangen sie von US-Konzernen aus der zweiten und dritten Reihe meist noch eine kleine Risikoprämie. Zudem können die meisten dieser Papiere nicht von der EZB gekauft werden – daher profitieren die US-Firmen nicht in gleichem Maße von den günstigen Finanzierungsbedingungen.

Selbst wenn der Zinsaufschlag gegenüber Euro-Anleihen von europäischen Unternehmen in vielen Fällen gering ist: Angesichts extrem niedriger Renditeniveaus fallen diese Aufschläge für professionelle Anleger ins Gewicht.

Daher war auch die Nachfrage nach den IBM-Anleihen groß: Der IT-Konzern hätte am Markt dreimal so viel Kapital einsammeln können, obwohl die Zinskupons mit 0,3 Prozent für die achtjährige Anleihe und 1,2 Prozent für das Papier mit 20-jähriger Laufzeit aus Sicht eines Privatanlegers mager sind.  

EZB muss um Einfluss bangen

Doch die wachsende Bedeutung amerikanischer Emittenten auf dem europäischen Anleihemarkt ist auch mit Risiken verbunden. „Dadurch steigt die Korrelation der beiden Anleihemärkte untereinander“, sagt Gries. Das bedeutet: Die Märkte bewegen sich zunehmend im Gleichschritt auf und ab. Anleger können also immer weniger ihr Portfolio diversifizieren, indem sie in beide Märkte investieren.

Die Analysten der Bank of America (Bofa) sehen noch ein weiteres Problem, das auch die EZB umtreiben dürfte. „Eine Konsequenz ist, dass die geldpolitischen Entscheidungen der US-Notenbank (Fed) stärkere Marktbewegungen am Markt für Euro-Unternehmensanleihen auslösen könnten als die Entscheidungen der EZB.“

Mit ihrer lockeren Geldpolitik, die die US-Unternehmen erst anzieht, könnte die Notenbank selbst ihren Einfluss auf die Finanzierungsbedingungen der Unternehmen beschneiden: „Fed-Chef Jerome Powell könnte künftig wichtiger sein als EZB-Chefin Christine Lagarde“, fassen die Bofa-Analysten das Dilemma der EZB zusammen.

Zudem sind US-Konzerne generell für eine aggressivere Finanzierung bekannt. US-Unternehmen mit guter Bonität, einem sogenannten Investmentgrade-Rating, haben im Durchschnitt einen höheren Verschuldungsgrad als europäische Unternehmen mit der gleichen Bonität. Das trifft vor allem auf Unternehmen mit Dreifach-B-Rating zu, der niedrigsten Bonität, die gerade noch als Investmentgrade eingestuft wird. Hält der Zufluss weiter an, könnte in Zukunft auch die Kreditqualität der europäischen Anleiheindizes leiden.

Außerdem geben die Amerikaner bevorzugt extrem lang laufende Anleihen aus, wie die jüngsten Emissionen von IBM und Comcast mit teils 20-jähriger Laufzeit gezeigt haben. „US-Unternehmen begeben traditionell Anleihen mit längeren Laufzeiten, als sie in Europa lange Zeit üblich waren“, bestätigt Bastian Gries.

Damit steigt auch die Duration an, also die Sensibilität, mit der die Anleihekurse auf Veränderungen des Zinsniveaus reagieren. „Auch die Europäer geben mittlerweile länger laufende Anleihen aus. Dadurch ist die Duration der europäischen Anleihemärkte in Summe gestiegen“, bestätigt Gries. Die fortschreitende Amerikanisierung könnte den europäischen Anleihemarkt daher spekulativer machen.   

Mehr: Europäische Unternehmen geben so viele Anleihen aus wie nie. Lesen Sie hier mehr.

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