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Venezuela-Anleihen Zocken in Caracas

Venezuelas drohende Pleite lockt Spekulanten an. Auch in Deutschland setzen Privatanleger auf hohe Renditen mit den Bonds aus dem karibischen Ölland. Doch die Wette mit entsprechenden Papieren ist riskant.
13.11.2017 - 15:51 Uhr Kommentieren
In der Hauptstadt Venezuelas herrscht Unruhe wegen der geplanten Umschuldung. Quelle: Getty Images
Blick über Caracas

In der Hauptstadt Venezuelas herrscht Unruhe wegen der geplanten Umschuldung.

(Foto: Getty Images)

Salvador Seit letzter Woche häufen sich die Anzeichen, dass Venezuela vor der größten Staatspleite in der Wirtschaftsgeschichte steht: Es geht um Anleihen und Zinsen in Höhe von rund 170 Milliarden Dollar. Venezuela könnte seine Schulden vielleicht schon bald nicht mehr bedienen, weil das Land zu wenig Devisen erwirtschaftet. Es steht viel auf dem Spiel: Bei der spektakulären Argentinien-Pleite, dem Default, vor 16 Jahren ging es um Forderungen in Höhe von 100 Milliarden Dollar.

Deutsche Privatanleger schreckt das nicht. Sie haben die im Kurs abgestürzten Anleihen der Republik Venezuela sowie des staatlichen Ölkonzerns PdVSA gekauft. An der Börse Stuttgart waren Venezuela-Bonds die am meisten gehandelten Papiere der letzten Tage. Zu Wochenanfang kommen acht der zehn Anleihen mit den meisten Trades aus Venezuela. „Die Investoren kaufen trotz der Risiken Venezuela-Anleihen, weil die wegen des drohenden Defaults extrem billig geworden sind“, sagt Rechtsanwalt Marc Liebscher aus Berlin, der die Interessengemeinschaft Venezuela-Anleihen der Schutzvereinigung der Kapitalanleger führt. „Nach den Erfahrungen mit Argentinien setzen immer mehr Investoren darauf, dass sie auch bei einem Default eine gute Rendite einfahren können.“ 

Die Strategie der Anleger ist die gleiche wie bei Argentinien: Sie kaufen venezolanische Dollar-Anleihen für real rund 20 Cent pro Dollar – und hoffen, im Falle einer Umschuldung mit einer höheren Abfindung entschädigt zu werden. Es könnte sogar sein, dass es Venezuela gelingt, weiterhin die Schulden zu bezahlen: Es ist immerhin das Land mit den größten Ölreserven weltweit, und die autoritäre Regierung von Präsident Nicolás Maduro hat gezeigt, dass sie lieber Schulden bezahlt, als für ihre Bevölkerung Lebensmittel und Medikamente zu importieren. Sollte also der Default ausbleiben, dann können Risiko-Investoren zweistellige Erträge mit den Anleihen einstreichen, die sie zu einem Bruchteil ihres nominalen Wertes gekauft haben.

Im Fall Argentinien konnten Anleger nach langer Zitterpartie hohe Renditen einfahren. „Diejenigen, die Argentinien-Bonds billig gekauft haben – also für 30 Prozent und weniger eingestiegen sind – und erfolgreich geklagt haben, bekommen jetzt 150 Prozent gezahlt“, sagt Liebscher. Dabei seien die Anwalts- und Gerichtskosten nicht berücksichtigt.

Die Schuldensituation Venezuelas ist in wichtigen Aspekten anders als in Argentinien – ein Zahlungsausfall und die folgenden Verhandlungen mit der Elite aus der Hauptstadt Caracas drohen noch chaotischer zu werden als im Fall Argentinien.

Selbst wenn die Regierung wie für den gestrigen Montag geplant Verhandlungen über Umschuldungen oder eine Umstrukturierung der Schulden führt – ihr sind die Hände gebunden. Nach den offenbar gefälschten Wahlen zur Verfassungsversammlung Ende August haben die USA Sanktionen gegen Venezuela verhängt: Seitdem ist es US-Banken verboten, neue Venezuela-Bonds zu kaufen oder zu handeln. Das gilt auch für alle Fondshäuser und Institute, die in den USA Filialen unterhalten. Venezuelas Finanzierungskanäle ins Ausland sind damit verstopft. „Vor allem wegen der US-Sanktionen werden Verhandlungen im Falle eines Defaults langwierig und kompliziert werden“, sagt Manuel Orozco von der Ratingagentur Standard & Poor’s.

Selbst die Frage der Verhandlungsführer ist kompliziert: Das US-Finanzministerium hat rund drei Dutzend Minister, Militärs und Offizielle Venezuelas auf die schwarze Liste des Office of Foreign Assets Control gesetzt. Auf der Liste stehen der designierte Chefunterhändler für Venezuelas Schulden, Vizepräsident Tareck El Aissami und Finanzminister Simón Zerpa Delgado, der zugleich Finanzvorstand bei PdVSA ist. Gegen beide besteht der Verdacht auf Drogenhandel und Geldwäsche. Bankern oder Hedge‧fonds-Managern, die sich mit ihnen an einen Tisch setzen, drohen in den USA Haftstrafen. Venezuela schicke „radioaktive Regierungsmitglieder in die Verhandlungen“, sagt der Experte Daniel Lansberg-Rodriguez von der Kellogg School of Management: „Neben denen möchte niemand gesehen werden.“

Das andere Problem: Die meisten Venezuela-Anleihen haben keine Collective Action Clauses. Mit diesen Klauseln wird verhindert, dass eine Investoren-Minderheit eine Umschuldung blockiert, die die Mehrheit der Investoren akzeptieren würde. Auch in Argentinien fehlten die Klauseln. Deshalb verhinderten Hedgefonds wie Elliott von Paul Singer jahrelang eine Einigung. Sie bekamen eine hohe Entschädigung, als Argentinien einen Schlussstrich ziehen wollte, um wieder Zugang zu internationalen Finanzmärkten zu bekommen. Davon haben auch deutsche Privatanleger profitiert, die gegen die argentinische Regierung geklagt hatten. Die Masse der Anleiheinvestoren, die Argentinien-Bonds zum Kurs von 100 Prozent gekauft hatten, verlor jedoch über die Hälfte ihrer Investments.

Bei venezolanischen Bonds, die Investoren zu hohen Kursen erworben haben, werden sie angesichts der hohen Ölreserven kaum bereit sein, starke Abschläge auf ihre Bonds zu akzeptieren. Anders als Argentinien hätte Venezuela immer die Möglichkeit, seine künftigen Öllieferungen zu verpfänden. Venezuelas Ölindustrie ist vollständig staatlich kontrolliert. Öltanker, Raffinerien und Tankstellenketten, wie sie der Ölkonzern PdVSA in den USA betreibt, sind leicht zu pfänden. Das würde allerdings jede Schuldeneinigung vereiteln, weil Venezuela dann nicht mehr die Dollars mit Ölexporten verdienen könnte, die es zum Bezahlen seiner Schulden bräuchte.

Zudem ist unklar, wie die Prioritäten Venezuelas bei einer Umschuldung aussehen können. China und Russland sind in den letzten Jahren zu den wichtigsten Kreditgebern Venezuelas gegen künftige Öllieferungen geworden. Das bringt nach Ansicht von Moisés Naím, dem Ex-Wirtschaftsministers Venezuelas, weitere Probleme mit sich: „Bei einer Umschuldung werden die beiden Staaten versuchen, sich an allen anderen Gläubigern vorbeizudrängeln, um als erste bedient zu werden.“

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