Analysten Award 2016 Das sind die größten Kenner deutscher Aktien

Einige Analysten punkten mit guten Aktienempfehlungen.
Frankfurt Guter Rat zahlt sich aus. Wer sich auf die besten Aktienexperten verlassen hat, konnte den herben Kurseinbruch des Dax im vergangenen Sommer getrost vergessen: Mit der Aktienempfehlung von Ivo Visic für den Finanzdienstleister Hypoport hätten Anleger 2015 ein sagenhaftes Kursplus von 545 Prozent eingestrichen. Auch der Kauftipp des Analysten des französisch-deutschen Brokers Oddo Seydler für die Kapitalanlagefirma Ökoworld lohnte sich. Diese und andere Aktienurteile brachten den Finanzwerte-Profi ganz nach oben aufs Siegertreppchen beim „Analysten Award 2016“. Der Preis wird in jedem Jahr vom Handelsblatt und von dem US-Analysehaus Starmine vergeben.
Die Analysten Thomas Rothäusler von der Commerzbank und Richard Schramm von HSBC punkteten ebenfalls: Immobilienexperte Rothäusler riet etwa zu Patrizia Immobilien, als die Aktie um zwei Drittel kletterte. Schramm setzte auf König und Bauer, als der SDax-Wert um 169 Prozent hochschoss. Vor einem Verlust bei VW warnte Autoanalyst Fraser Hill von Bank of America Merrill Lynch, als die Aktie im Zuge des Abgasskandals um ein Viertel im Wert einbüßte. Mit diesen Tipps gelangten die Aktienexperten unter die besten Zehn des Awards. Insgesamt holten sich die Analysten der Hamburger Privatbank M.M. Warburg mit neun Auszeichnungen wie im Vorjahr den Titel als bester Broker. Aufgestiegen auf Rang zwei ist Oddo Seydler. Die Commerzbank kommt auf Platz drei nach Rang zwei im Vorjahr.
Dieses Börsenjahr dürfte nach Ansicht der Experten weitere Überraschungen bergen: Sowohl der mögliche Ausstieg Großbritanniens aus der EU wie auch wieder aufkommende Konjunktursorgen um die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, China, können Unruhe stiften. Entscheiden sich die Briten im Juni für einen Brexit, sieht Roland Rapelius, Leiter Aktienhandel und Aktienresearch bei Warburg, den europäischen Aktienmarkt um rund ein Zehntel einknicken. Bis zum Jahresende rechnet der Aktienexperte aber mit einer Erholung: Der deutsche Dax etwa könnte bis auf 10.850 Punkte klettern. Für besonders spannend halten die Warburg-Analysten Auto-Aktien, die nach Sektoren am günstigsten seien und international gute Aussichten hätten. Roland Pfänder, Co-Chef Aktienresearch Deutschland bei Oddo Seydler, findet etwa die Sparten Immobilien und Medien attraktiv: Immobilien profitierten von den anhaltend niedrigen Zinsen, zudem gebe es Profiteure einer möglichen Konsolidierung. Bei Medien erkennt er Wachstum durch digitale Geschäftsmodelle.
Regional statt global
Wer 2015 gut sein wollte, musste sich trotz starker Kursschwankungen „frühzeitig mit Kauf- oder Verkaufvoten vom Durchschnitt abheben“, sagt Raj Shah, Chef von Starmine. Die Tochter des Informationsdienstes Thomson Reuters bewertet die Qualität von Analysten, indem sie die Güte von Aktienempfehlungen und die Genauigkeit von Gewinnschätzungen misst. Für den „Analysten Award 2016“ hat Starmine 1 391 Analysten für deutsche Aktien aus 171 Wertpapierhäusern untersucht, die insgesamt 515 Aktien covern. Die besten Analysten filtern sie pro Sektor und über alle Sektoren hinweg heraus. Wer die meisten Topanalysten vorweist, wird bester Broker.
Wieder gab es viele Wechsel unter den prämierten Analysten. „Die Konkurrenz ist hart“, begründet Shah. Außerdem „überprüften die Broker ihre Geschäftsmodelle und schauten, welche Aktien sich für sie künftig noch lohnen zu bewerten“ – mit Blick auf die neuen EU-Regeln für Aktienresearch. 2018 sollen Studien einen eigenen Preis bekommen und separat bezahlt werden. Das soll mehr Transparenz schaffen. Experten erwarten, dass dadurch die Zahl der Analysten und von gecoverten Aktien schrumpft. Analysten dürften sich dann auf die Aktien konzentrieren, die viele Investoren interessieren.
Insgesamt ist die Qualität unter den Analysten leicht gesunken, stellt Shah fest. Gegenüber einem Referenzindex haben 59 Prozent der Analysten Mehrwert für Investoren geschaffen. 2014 waren es noch 61 Prozent. Am deutschen Markt liegen lokale Broker weiter vorn. Diese Analysten beobachteten Firmen aller Größen und seien dort stark vernetzt, lobt Shah. Doch internationale Häuser tauchen inzwischen häufiger in den Rankings auf. Das dürfte dem großen Interesse der Investoren an den relativ attraktiven deutschen Aktien geschuldet sein, meint der Starmine-Mann.
Nur wenige Sieger
Sieger Warburg sieht sich denn auch als reiner Deutschland-Experte: Zwar beobachten die 19 Analysten des Hauses auch europäische Wettbewerber ihrer 190 deutschen Aktien, die sie covern. Doch Urteile fällen sie zu den Titeln aus Dax, MDax, SDax und Tec Dax. Rapelius bezeichnet sein Haus daher als „Allcap-Anbieter“. Shah lobt, dass die Analysten früh Trends erkennen und ihre Kunden gut informierten. „Entscheidend ist, sich eine eigene Meinung zu bilden“, erklärt Rapelius. Dafür analysieren seine Aktienspezialisten den Markt „fundamental“ – sie rechnen etwa selbst den fairen Wert eines Unternehmens aus.
Aufsteiger Oddo Seydler profitere am deutschen Markt vom Zusammenschluss der französischen Oddo mit der deutschen Close Brothers Seydler. Dadurch habe Oddo ein erfahrenes Team mit gutem Kontakt zu deutschen Firmen gewonnen, lobt Shah. Die 13 Analysten in Frankfurt und rund 30 in Frankreich covern seit Mitte 2015 zusammen 130 deutsche Aktien aller Größen. Ihr Sektoransatz mit Fokus auf deutsche und französische Aktien schaffe eine klare Sicht aufs Marktgeschehen, sagt Pfänder von Oddo Seydler. Im Vergleich zu den drei Brokern auf dem Treppchen langsamer und weniger entschlossen im Bewerten von Aktien waren 2015 andere Häuser wie Baader Bank, Bankhaus Lampe, DZ Bank, Equinet oder Kepler Cheuvreux, wie Shah meint.
Generell schaffen es nur wenige Prozent der Analysten regelmäßig in die Rankings. Dauerhaft Nutzwert für Investoren zu schaffen sei die eigentliche Bewährungsprobe für die Aktienprofis, betont Shah. Zu diesen Ausnahmen zählen etwa Malte Schaumann von Warburg, Jochen Rothenbacher von Equinet oder Guido Hoymann von Metzler.