Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Betrug am Grauen Kapitalmarkt Steigenberger – der perfekte Köder

Wer bei Steigenberger investiert, kann nichts falsch machen, dachten mehr als 100 Anleger aus NRW. Sie vertrauten ihr Geld vier Männern an, die mit dem Namen der Hotelkette warben. Dann begann ein Katz-und-Maus-Spiel.
20.07.2016 - 11:57 Uhr Kommentieren
Betrüger haben den Namen missbraucht, damit Anleger in ihren Fonds investieren.
Steigenberger Grandhotel in Petersberg

Betrüger haben den Namen missbraucht, damit Anleger in ihren Fonds investieren.

Köln Der Flughafen Köln-Bonn, noch knapp eine halbe Stunde, bis Flug 358 nach London abhebt. Marius Henke (Name geändert) wartet wenige Meter vor dem Schalter. Als er vortreten darf, schiebt er seinen Pass über den schmalen Steg zwischen ihm und dem Flughafenangestellten auf der anderen Seite. Ein Fehler.

Henke kann es nicht hören, aber der Computer direkt vor ihm schlägt Alarm. Wenige Minuten später stehen mehrere Beamte der Bundespolizei vor ihm. Der Mann, der hier ganz unbeschwert nach London fliegen will, wird seit mehr als zwei Jahren per Haftbefehl gesucht. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal wirft Henke vor, mehr als 100 Anlegern einen Millionenschaden zugefügt zu haben. Am Mittwochnachmittag des 12. August 2015 wird Henke noch am Flughafen festgenommen.

Bei aller Dramatik – es ist ein Tag wie viele auf dem Grauen Kapitalmarkt. Grau, weil er sich abseits der bunten Börsen wie Frankfurt, London oder New York abspielt. Und grau, weil seine Geschäfte nur schwach reguliert sind. Dabei hätte er mehr Aufsicht bitter nötig.

20 bis 30 Milliarden Euro verlieren die Deutschen Jahr für Jahr in diesem Markt. Scheinbar unbelehrbar stecken sie ihre Ersparnisse in Schiffsfonds, Filmfonds oder, wie bei Henke, in spanische Immobilien. Was genau mit ihrem Geld geschieht, verfolgen die meisten Anleger kaum. Ihnen reicht das Versprechen des Unmöglichen: hohe Renditen ohne Risiko.

So entsteht ein Schneeballsystem nach dem anderen. Ein Großteil des Geldes verbrennt sofort für Provisionen und Gebühren aller Art – im Branchenjargon Weichkosten genannt. Ein anderer Teil fließt in tatsächliches Geschäft – wenn es denn eines gibt. Und ein dritter Teil wird genutzt, um vermeintliche Renditen aus diesem Geschäft auszuzahlen.

Dieser dritte Teil hält das System am Laufen. Solang die Täter immer neue Gelder einsammeln können, erhalten die Anleger ihre „Zinsen“ und schöpfen keinen Verdacht. Im Gegenteil: Sie empfehlen ihre Geldanlage sogar weiter und sorgen so für Nachschub aus neuen Anlegerhänden. Sobald aber kein frisches Kapital mehr nachfließt, ist es zu spät. Das Schneeballsystem bricht zusammen, die investierten Gelder sind fort. Das geschieht ziemlich oft. Nach Ermittlungen des Bundeskriminalamtes nahm der Anlagebetrug 2012 um mehr als 30 Prozent, und 2013 nochmal um 19 Prozent zu.

Jedes Schneeballsystem braucht einen Lockvogel. Im Fall von Marius Henke war es einer der bekanntesten Familiennamen Deutschlands. Nach Angaben von Anlegern waren sie nach Gesprächen mit Geschäftspartnern von Henke überzeugt, in eine Tochtergesellschaft der Steigenberger Hotel AG zu investieren. Ein traditionsreiches Familienunternehmen mit mehr als 80 Hotels in Europa. Ein Trugschluss. Die Männer missbrauchten den Namen nur für ihre Werbung. Er nutzte ihnen, weil er Seriosität und Sicherheit auf die Anleger ausstrahlte. Diese glaubten dem Versprechen, im Umfeld von Steigenberger würden ihre Ersparnisse Renditen von bis zu zwölf Prozent erzielen.

Nun ist das Ersparte weg und der Ärger groß. Die Suche nach den Verantwortlichen für das Desaster führt nicht nur zu Marius Henke. Die Anfänge der Katastrophe liegen offenbar in Solingen.
Dort waren 2005 vier Freunde auf der Suche nach dem schnellen Geld. Es sind diese vier Männer, die später Geschäftspartner von Henke wurden und Anleger akquirierten. Aber anders als die Anleger, sah die Staatsanwaltschaft Wuppertal bei ihnen keine Schuld.

2005 jedenfalls traten die Freunde an Marius Henke heran. Gemeinsam waren sie auf die Idee gekommen, mit Immobilien auf Mallorca müsse sich doch eine Menge Geld verdienen lassen. Weil aber keiner von ihnen ein Geschäftsmodell entwickeln konnte, heuerten sie einen Profi an: Marius Henke. Der lebte schon seit Jahren auf Mallorca, und war wegen diverser kruder Geschäfte mit Anlagemodellen bereits mehrfach vorbestraft. Henke wusste, wie man Geld verdiente.

Die Freunde flogen nach Mallorca, um Henke zu treffen. Mit dabei war damals auch Thorsten König (Name geändert), ein Rechtsanwalt aus Krefeld. Er sollte die Männer bei ihrem Deal mit Henke beraten und sie juristisch absichern.

Das Gespräch war erfolgreich. Die vier Jungunternehmer gründeten im Juni 2005 eine Firma, die Apolo Consulting. Berater wollten sie sein. Nicht ihr eigenes Geld sollte nach Mallorca fließen, sondern das anderer Leute. Apolo würde es einsammeln und dann an Marius Henke überweisen. Der sollte es mit seiner Expertise vermehren.

Den 130 Anlegern, die zwischen 2005 und 2006 bei Apolo investierten, wurde das etwas anders erklärt. Von Marius Henke sei nie die Rede gewesen, sagt Ernst Schulte (Name geändert). Der Rentner aus Solingen überwies 53.000 Euro auf ein spanisches Konto von Apolo. Das Geld stammte aus einer Lebensversicherung und sollte ihn und seine Frau im Alter absichern.

Der Name Steigenberger habe ihm Vertrauen eingeflößt, sagt Schulte heute. Im Verlustfall sollte das Hotelunternehmen sogar für den Schaden bürgen, habe man von Apolo-Seite den Anlegern versprochen. Andere Anleger bestätigen Schultes Darstellung.

Rechtsanwalt Thorsten König, der damals die vier Apolo-Männer beraten hatte, ärgert sich über solche Aussagen. Sie seien schlichtweg falsch, sagt er auf Nachfrage. Albert Steigenberger, der Sohn der Hotelfamilie, sei zwar damals der Geschäftsführer von Apolo gewesen, habe aber mit den Geschäften der vier Männer nichts am Hut gehabt.

Auch die Steigenberger Hotel Group weist jegliche Verbindung zu den Männern von sich. Man habe weder mit den Geschäften der Apolo Consulting zu tun gehabt, noch gewusst, dass der eigene Name für solche Zwecke missbraucht würde, sagt Pressesprecher Gunther Träger.

Geschädigte wendet sich an RTL – mit Erfolg
Seite 12Alles auf einer Seite anzeigen
Mehr zu: Betrug am Grauen Kapitalmarkt - Steigenberger – der perfekte Köder
0 Kommentare zu "Betrug am Grauen Kapitalmarkt: Steigenberger – der perfekte Köder"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%