Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Bafin-Experte Kreiterling über Bitcoins „Für pauschale Verbote gibt es keine Grundlage“

Der deutsche Finanzaufseher Christoph Kreiterling spricht im Interview über die Warnung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vor virtuellen Börsengängen, vergangene Betrugsfälle und die Pflichten der Anbieter.
13.11.2017 - 18:24 Uhr Kommentieren
Die Bafin hat einzelne Produkte verboten und im Vertrieb eingeschränkt. Quelle: Ikon Images/Getty Images
Kryptowährungen und virtuelle Börsengänge liegen im Trend

Die Bafin hat einzelne Produkte verboten und im Vertrieb eingeschränkt.

(Foto: Ikon Images/Getty Images)

Düsseldorf Christoph Kreiterling ist ein gefragter Mann. Der Experte für neue Finanzprodukte der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) ist derzeit in Japan und tauscht sich mit Aufsehern aus anderen Ländern über den Umgang mit einem globalen Phänomen aus: dem Hype um virtuelle Börsengänge. Bei diesen Finanzierungsrunden (ICOs oder Token Sales genannt) geben Start-ups keine Aktien heraus, sondern verkaufen im Internet „Tokens“, eine Art virtuelle Gutscheine. Die europäische Finanzaufsicht macht nun ernst: Am Montag warnte die ESMA Käufer vor Totalverlusten. Am Donnerstag hatte die Bafin eine Verbraucherwarnung veröffentlicht. Kreiterling hat sie mitverfasst und erklärt die Hintergründe.

Herr Kreiterling, bisher hat die Bafin nur einzelne Produkte verboten oder im Vertrieb eingeschränkt. Nun warnt sie allgemein vor einer Anlageklasse. Warum war die Verbraucherwarnung vor Initial Coin Offerings (ICOs) und den dabei verkauften Tokens nötig?
„Nur“ ist nicht ganz richtig, Produktverbote oder Vertriebsbeschränkungen sind deutlich einschneidendere Maßnahmen. Die Warnung als deutlich formulierte Kommunikation an Anleger tritt dahinter zurück. Letztlich steht es dem Anleger aber frei, weiterhin Tokens zu erwerben. Er muss sich dabei nur ein aufgeklärtes Bild machen und sich des Risikos bewusst sein. Die Gründe dafür ergeben sich letztlich aus der Warnung selbst. Die dort aufgeführten Risiken haben sich zum Teil ja auch schon realisiert, wenn man an den ungewollten Finanztransfer bei DAO denkt oder den zu vermutenden Betrug im Kontext von OneCoin...

Der Wirtschaftswissenschaftler ist Experte für Blockchain-Technologien und darauf aufbauende Geschäftsideen.
Christoph Kreiterling

Der Wirtschaftswissenschaftler ist Experte für Blockchain-Technologien und darauf aufbauende Geschäftsideen.

... zwei Start-ups aus dem Krypto-Währungsbereich. Im Fall von DAO hatte ein Hacker ein Drittel der investierten 160 Millionen Dollar unter seine Kontrolle gebracht, hinter OneCoin verbarg sich ein Schneeballsystem. Andere Aufsichtsbehörden haben sich früher zu ICOs geäußert. Warum hat sich die Bafin Zeit gelassen mit der Warnung?
Hat sie nicht. Eine deutliche Warnung erfordert auch eine deutliche Prüfung des Phänomens und seiner Risiken. Der gesetzliche Auftrag wurde unmittelbar umgesetzt. Die Bafin hat die Entwicklungen zu ICOs beziehungsweise Token Sales beobachtet und bewertet und dann entschieden, die Verbraucherwarnung zu veröffentlichen. Die Warnungen der einzelnen Aufsichtsbehörden unterscheiden sich ja zum Teil auch inhaltlich.

Die europäische ESMA warnt explizit auch die Anbieter vor Rechtsrisiken. Viele von ihnen verteidigen ICOs als neuartige Form der Schwarmfinanzierung. Was unterscheidet ICOs aus Sicht der Aufsicht von klassischem Crowdinvesting?
Werden per Crowdinvesting Vermögensanlagen angeboten, besteht grundsätzlich eine Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts. Bei der Vermittlung über Internetplattformen besteht die Pflicht zur Hinterlegung, Gestattung und Veröffentlichung eines Vermögensanlagen-Informationsblatts. All dies sorgt für einen einheitlichen Transparenzstandard und macht die Angebote besser vergleichbar. Ob jedoch Token Sales als eine neuartige Form der Schwarmfinanzierung Prospektpflichten und damit Transparenzvorgaben unterliegen, muss im Einzelfall geklärt werden. Daher muss sich der Anleger erst recht der Risiken bewusst sein. Auch deswegen haben wir wie andere Aufsichtsbehörden eine Warnung veröffentlicht

Aktuell planen sechs deutsche Firmen den Start eines ICOs. Müssen sie diese bei der Bafin anmelden? Und wie überprüfen Sie die Seriosität der bei Ihnen zur Prüfung eingereichten Vorhaben? 
Die bestehenden Aufsichtsregularien sind grundsätzlich technologieneutral formuliert und gelten somit auch für Token Sales. Es hängt also von der Ausgestaltung der geplanten Kapital-Einsammlung im Einzelfall ab, ob das Vorhaben Pflichten nach sich zieht – etwa eine Erlaubnis- oder Registrierungspflicht, Pflichten nach dem Vermögensanlagen- und Wertpapierprospektgesetz, dem Wertpapierhandelsgesetz oder dem Kapitalanlage-Gesetzbuch.

Bei ICOs werden Tokens verkauft. Diese versprechen teils eine Teilhabe an künftigen Gewinnen der Firma, andere sind in den Augen der Anbieter nicht mehr als Spendenquittungen. Die Finanzaufsicht MAS aus Singapur sieht in ihnen etwa Verbriefungen. Wie wird die Bafin Tokens klassifizieren?
Aufgrund der vielen möglichen Ausgestaltungen ist jeder Token Sale, der der Bafin vorgelegt wird, einer Einzelfallprüfung auf seinen materiellen Gehalt hin zu unterziehen. Pauschale Klassifizierungen durch die Bafin finden nicht statt. In vielen Fällen handelt es nach den bisherigen Erkenntnissen um Finanzinstrumente im Sinne des Kreditwesengesetzes. 

Die Bafin sieht den Verbraucher aufgrund fehlender gesetzlicher Vorgaben und Transparenzvorschriften auf sich gestellt bei der Überprüfung eines Token-Anbieters. Was sollte der Gesetzgeber verändern?
Soweit die Bafin der Ansicht ist, dass tatsächlich Regulierungsbedarf besteht, teilt sie das der Bundesregierung mit. Angesichts der Vielgestaltigkeit von Token Sales ist aus Anlegersicht nicht immer unmittelbar klar, ob und welches Aufsichtsrecht bei dem Vorhaben zur Anwendung kommt. Die Verbraucherwarnung der Bafin zu ICOs soll Verbrauchern auch in diesen Fällen Hinweise geben. Betont werden muss, dass der Anleger sich hier nicht auf Prospektpflichten oder Transparenzvorschriften verlassen kann, sondern sich selbstständig ein kritisches Bild von dem Anlageangebot machen muss.

Angesichts der vielen Kritikpunkte an virtuellen Börsengängen – wann verbietet die Bafin ICOs ganz? Die südkoreanischen und chinesischen Aufseher haben das bereits getan.
Für pauschale Verbote ohne Anschauung des Einzelfalls gibt es keine Rechtsgrundlage. Sie wären auch nicht sinnvoll. Entscheidend ist immer das konkrete Anlageangebot, mit dem der Anbieter an den Markt tritt, und nicht die seitens des jeweiligen Betreibers oft mehr oder weniger willkürlich gewählte Bezeichnung. Die Bafin beobachtet den Markt sehr genau und wird, wo immer aufsichtsgesetzliche Bestimmungen gebrochen werden, zeitnah eingreifen.

Herr Kreiterling, vielen Dank für das Interview.

Startseite
0 Kommentare zu "Bafin-Experte Kreiterling über Bitcoins : „Für pauschale Verbote gibt es keine Grundlage“"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%