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Bafin warnt vor Krypto-Börsengängen Im virtuellen Zwielicht

Virtuelle Börsengänge werden auch in Deutschland immer populärer. Doch oft genug wissen die Anleger nicht, welche Risiken damit verbunden sind. Jetzt will die Finanzaufsichtsbehörde vor den gefährlichen Geschäften warnen.
08.11.2017 - 18:00 Uhr Kommentieren
Während die Finanzaufsicht in den USA, der Schweiz und Singapur deutlich vor ICOs warnt oder das Instrument in Südkorea und China gleich ganz verboten hat, herrschte hierzulande lange das Schweigen. Quelle: picture alliance / Ikon Images/A
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Während die Finanzaufsicht in den USA, der Schweiz und Singapur deutlich vor ICOs warnt oder das Instrument in Südkorea und China gleich ganz verboten hat, herrschte hierzulande lange das Schweigen.

(Foto: picture alliance / Ikon Images/A)

Düsseldorf, Frankfurt Tobias Haag ist euphorisch. Der Berliner Firmengründer will mit einem virtuellen Börsengang 25 Millionen Euro einsammeln, um seine Shopping-App Wysker an den Markt zu bringen. Seit Anfang November läuft der Verkauf von „Wys Tokens“, mit denen Kunden später auf der Plattform einkaufen sollen. „Das ist unglaublich spannend, auch für die Nutzer“, sagt Haag. Wysker ist das erste Unternehmen, das sich in Deutschland für einen virtuellen Börsengang entschieden hat. Weitere stehen bereit: Die Firmen heißen Cloudeo, Bitwala, Neufund, Crowdstart oder Naga. Die Macher wollen dreistellige Millionenbeträge einnehmen. Und die Anleger? Bleiben im Ungewissen.

Willkommen im Reich der virtuellen Glücksritter. Im sonst so regulierten Deutschland haben sie eine von Regeln befreite Nische gefunden: den Markt für Initial Coin Offerings, wie diese Krypto-Börsengänge im Finanzjargon genannt werden. Während die Finanzaufsicht in den USA, der Schweiz und Singapur deutlich vor ICOs warnt oder das Instrument in Südkorea und China gleich ganz verboten hat, herrschte hierzulande lange das Schweigen. „Der Markt für ICOs ist nach wie vor unreguliert und gleicht dem Wilden Westen. Das ändert sich jedoch so langsam“, urteilte noch vor kurzem Professor Philipp Sandner von der Frankfurt School of Finance and Management.

Nun geht es doch deutlich schneller. Wie das Handelsblatt aus Kreisen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erfahren hat, bereitet die Behörde derzeit eine offizielle Verbraucherwarnung vor. Demnach wird die Aufsicht Verbraucher erstmals deutlich vor virtuellen Börsengängen warnen und die ICOs als höchst spekulative Investments klassifizieren, die erhebliche Risiken bergen können. Anlegern droht in den Augen der Aufseher die Gefahr eines Totalverlusts. Die Verbraucherwarnung soll in den kommenden Tagen erscheinen. Die Bafin beträte mit einer derart pauschalen Warnung Neuland. Bisher hat sie nur einzelne Produkte verboten oder deren Vertrieb eingeschränkt.

Ein Milliardengeschäft

Virtuelle Börsengänge existieren erst seit kurzem. Gab es 2016 laut der Branchenseite Coinschedule ganze 46 ICOs, liegt die Zahl 2017 schon bei über 200, wobei über 3,2 Milliarden Dollar eingesammelt wurden. Mehr als 360 ICOs sind derzeit in Planung. Im Bereich der Start-ups, die sich mit Kryptowährungen beschäftigen, haben die virtuellen die klassischen Börsengänge schon fast verdrängt. Fans schwärmen von einer neuen Form der Graswurzel-Finanzierung abseits von Banken und Börse, von demokratisch kontrollierten Unternehmen mit direkter Einbindung der Anleger. „Ein ICO ist eine Möglichkeit, mit relativ einfachen Mitteln ein relativ breites Publikum leicht anzusprechen und in kleinen Losgrößen viel und schnell Kapital einzusammeln – und zwar weltweit, ohne eine Bank einzuschalten“, erklärt Christian Storck, Global Co-Head of Innovation bei der Kanzlei Linklaters die Vision. 

Die Realität zeichnet jedoch ein anderes, allzu oft düsteres Bild: Selbst Branchen-Gurus wie der Österreicher Julian Hosp, Gründer Kryptowährung TenX, glauben, dass die Mehrheit der ICOs zum Scheitern verurteilt ist. Das Hauptproblem: Viele Start-ups besitzen kein Geschäftsmodell, sondern nur eine 20 bis 30 Seiten lange Ideensammlung. In der Szene wird das „White Paper“ genannt; in einem solchen Papier wurde 2008 die erste virtuelle Währung, der Bitcoin, und die dahinterstehende Technik vorgestellt.

Zwischen diesem „White Paper“, in das schlaue Köpfe viele Stunden investiert haben, und seinen heutigen Nachfolgern, liegen Welten. Auf Plattformen für Freiberufler werben Initiativen freimütig um Lohnschreiber, die ihnen das nötige Konzeptpapier erdichten. Eigenes Unwissen wird ungeniert eingeräumt: „Wir starten einen ICO in der Finanzindustrie. Wir brauchen einen Experten, der sich mit Blockchain-/ICO-Jargon-Konzepten und Modellen auskennt“, liest man etwa auf der Plattform „Upwork“. Insider sehen darin ein klares Zeichen für Betrug.

Die Anleger erhalten für ihr Geld Tokens. Was man dafür bekommt, ist oft unklar. „Es können Nutzungsrechte für Dienstleistungen des Unternehmens sein, Eigenkapital oder auch eine virtuelle Währung, die ich am Ende vielleicht nicht einmal umtauschen kann“, sagt Storck. Teilweise werden sie von den Anbietern sogar nur als „Spenden“ deklariert, wie im Fall des Schweizer Krypto-Start-ups Tezos, das mit seinem ICO 232 Millionen Dollar eingesammelt hat. Der Hauptzweck der Tokens liegt woanders, wie eine Erhebung der Branchenseite Token Report zeigt: Neun von zehn werden demnach allein zur Spekulation verwendet. Nutzer hoffen auf sagenhafte Kursgewinne, sind viele Tokens doch analog zum Bitcoin stark im Wert gestiegen. Platzt aber die Blase, dann dürften viele davon wertlosen Spendenquittungen gleichen.

Die Politik entdeckt das Thema

Im schlimmsten Fall könnte sich der Crash der Jahrtausendwende wiederholen, als sich viele Anleger mit Internet-Aktien überschätzten, damals ebenfalls als Innovationstreiber gepriesen. Erste Politiker haben das Thema entdeckt. „Wir sehen in neuen Geschäftsmodellen erst einmal Chancen“, sagt Ralph Brinkhaus, Vizefraktionschef der CDU-Bundestagsfraktion. „Natürlich ist es aber auch legitim und wichtig, sich Gedanken zu machen, ob und wie die bisherige Regulierungswelt auf Finanzinnovationen passt.“

Applaus erhält die Bafin von unerwarteter Seite: Die Generalsekretärin der neu gegründeten Branchenlobby, des Blockchain-Bundesverbands, begrüßt die bevorstehende Warnung. „Prinzipiell sind ICOs eine tolle Art, den Unterstützern einer Schwarmfinanzierung gleich bestimmte Rechte zukommen zu lassen“, sagt Friederike Ernst. „Leider ist es tatsächlich so, dass viele ICOs in betrügerischer Absicht stattfinden.“ Der Verband setze sich daher für eine Regulierung ein.

Der Verband warnt aber auch, dass dem Finanzstandort Deutschland Chancen entgehen. „Erhebliche Rechtsunsicherheiten“ würden eine Umsetzung neuer Geschäftsideen unverhältnismäßig verzögern. Dass da etwas dran sein könnte, zeigt der Fall des Geodaten-Vermarkters Cloudeo. Die Münchener Firma will im Frühjahr eine ICO-ähnliche Finanzierungsrunde starten. Vorstandschef Manfred Krischke ist optimistisch. Man hebe sich von der Masse der ICOs ab, „da wir seit fünf Jahren über ein funktionierendes Geschäftsmodell verfügen“. Für seine virtuelle Finanzierungsrunde sieht Cloudeo dennoch Unsicherheit in Deutschland. Die Firma hat der Liechtensteiner Regulierungsbehörde ihr „White Paper“ vorgelegt. „Wir haben die Bestätigung, dass wir hier keinen versteckten Börsengang planen, sondern legal vorgehen“, sagt Krischke. Von der Bafin habe er keine vergleichbare Auskunft erhalten.

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