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Devisen Brasilien, Südafrika und die Türkei: Drei Schwellenländer in der Schuldenfalle

Die Coronakrise bringt manche Länder besonders in Bedrängnis. Nach massiven Kapitalabflüssen und einem Absturz der Währungen droht eine Schuldenkrise.
21.04.2020 - 04:00 Uhr Kommentieren
Brasilien und andere Schwellenländer stehen in der Coronakrise stark unter Druck. Quelle: Reuters
Aktienmarkt in Sao Paolo

Brasilien und andere Schwellenländer stehen in der Coronakrise stark unter Druck.

(Foto: Reuters)

Frankfurt Wenn die Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) vor einem „perfekten Sturm“ warnen, ist Vorsicht geboten. Der Fonds hat jahrzehntelange Erfahrung im weltweiten Krisenmanagement. Die aktuelle Warnung bezieht sich auf Länder wie Brasilien, Südafrika und die Türkei. Seit Beginn der Coronakrise haben Investoren dort so viel Kapital abgezogen wie nie zuvor – mit dramatischen Folgen.

Die Kapitalflucht hat eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt. Viele Schwellenländer trifft die Krise besonders hart, und ihre Währungen sind regelrecht abgestürzt. Für Unternehmen und ganze Staaten wird es dadurch immer schwerer, die Schulden zu bedienen.

Zudem fehlen diesen Ländern oft die Mittel, um sich gegen die Wirtschaftskrise zu stemmen. Experten fürchten daher, dass die Probleme dort länger anhalten. „In vielen Schwellenländern droht nach den massiven Kapitalabflüssen eine Schuldenkrise“, sagt Klaus-Jürgen Gern, Schwellenländerexperte vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW).

Ähnlich pessimistisch ist Paul McNamara, der beim Schweizer Vermögensverwalter GAM einen Fonds für Schwellenlandanleihen in Lokalwährung verantwortet: „Vielen Schwellenländern wird es schwerer als den Industrieländern fallen, die Krise zu bekämpfen.“

Die Gesundheitssysteme seien vielfach weit weniger entwickelt, und ein Kontaktverbot sei in dicht besiedelten Großstädten schwer durchzusetzen. „Wenn sich das Virus in den Schwellenländern ausbreitet, wird es deutlich mehr Tote geben“, ist McNamara überzeugt. „Die Auswirkungen von Corona sind potenziell desaströs.“

Abflüsse aus Schwellenlandfonds

Die Investoren haben bereits die Flucht angetreten. Daten der Bank of America (Bofa) zufolge haben Anleger seit Anfang März rund zwölf Milliarden Dollar aus Schwellenlandfonds abgezogen. Gleichzeitig sind die Renditen für Schwellenlandanleihen emporgeschnellt. Die Rendite des J.P. Morgan Emerging Market Bond Index, des wichtigsten Marktbarometers, stieg von 4,6 Prozent Ende Februar in der Spitze auf 7,9 Prozent. Mittlerweile ist die Rendite wieder leicht auf 6,6 Prozent gesunken. „Der Verkaufsdruck war extrem“, berichtet Rob Drijkoningen, Fondsmanager und Chefstratege für Emerging Markets bei Neuberger Berman.

Wie in Krisen üblich flüchten Investoren hauptsächlich in den US-Dollar. Das hat dazu geführt, dass die Lokalwährungen gegenüber dem Greenback deutlich an Wert verloren haben: Besonders erwischt hat es seit Jahresbeginn den südafrikanischen Rand (minus 34 Prozent), den brasilianischen Real (minus 30 Prozent) und den mexikanischen Peso (minus 25 Prozent). Auch die türkische Lira (minus16 Prozent) und der ungarische Forint (minus 10 Prozent) gaben deutlich nach.

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Die Abwertung ist vor allem deshalb ein Problem, weil sich in Schwellenländern viele Unternehmen, aber zum Teil auch der Staat in US-Dollar verschuldet haben. Ihre Einkünfte erzielen sie meist in der Lokalwährung. Wertet diese ab, steigt so die Last ihrer Schulden. Dadurch droht eine Abwärtsspirale, bei der sich die Sorgen der Investoren, der Verfall der eigenen Währung und zunehmende Schuldenprobleme gegenseitig verstärken.

Die starke Abwertung der Schwellenländerwährungen schränkt zudem ihren Spielraum ein, die Geldpolitik in der Krise zu lockern, denn dies würde die eigene Währung noch zusätzlich schwächen.

Anders als im Jahr 2018, als die Schwellenländerwährungen ebenfalls stark unter Druck standen, hat diesmal zumindest auch die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) die Zinsen wegen der Coronakrise massiv gesenkt, was tendenziell den Dollar schwächt und dadurch anderen Notenbanken mehr Spielraum für ähnliche Schritte verschafft. „Relativ gesehen macht es das für viele Schwellenländer einfacher“, sagt Drijkoningen.

Türkei tastet Devisenreserven an

Um sich gegen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise zu stemmen, setzen viele Schwellenländer auf ähnliche Rezepte wie die Industrieländer: Die Zentralbanken kappen reihenweise die Leitzinsen. GAM-Manager McNamara hat zuletzt Zinssenkungen in 15 Schwellenländern gezählt. Einige Notenbanken haben sogar Ankaufprogramme für Staatsanleihen gestartet.

Doch wie erfolgreich diese sind, hängt von der „monetären Souveränität“ der Staaten ab, sagt McNamara, also davon, wie stark die Länder Zinsen senken und gegebenenfalls Anleihen kaufen können, ohne dass sie wegen der Abwertung der Währung in Bedrängnis geraten.

„Eigentlich müssten die Schwellenländer im aktuellen Umfeld die Zinsen weiter senken. Im März haben das viele auch getan. Zinssenkungen werden für sie aber zunehmend schwerer, weil diese Senkungen den Druck auf den Wechselkurs der eigenen Währung erhöhen“, sagt IfW-Experte Gern.

Commerzbank-Devisenexpertin Thu-Lan Nguyen hält weitere Verluste bei Schwellenländerwährungen durchaus für möglich. „Ein Problem ist die Unsicherheit, ob Länder mit hohen Auslandsschulden wie Südafrika, die Türkei, Brasilien oder Ungarn ihre Kredite bedienen können. Das dürfte ihre Währungen weiter belasten.“

Skeptisch ist Nguyen vor allem mit Blick auf die Türkei. Zwar hat sich die türkische Lira seit Jahresbeginn im Vergleich zu anderen Schwellenländerwährungen relativ stabil gehalten. „Das lag aber vor allem daran, dass die Notenbank am Devisenmarkt interveniert hat.“ Auf Dauer sei das jedoch schwierig. „Selbst wenn man hohe Devisenreserven hat, lässt sich damit der Verfall der Währung kaum dauerhaft stoppen.“

Auch GAM-Manager McNamara teilt die Skepsis. „Die Türkei ist das Land, um das wir uns am meisten Sorgen machen.“ Das Land kämpft mit rasant steigenden Fallzahlen, schlittert in eine Wirtschaftskrise und hat seine Währungsreserven weitgehend aufgebraucht. Zudem ist die Türkei stark abhängig vom Tourismus, der vollständig zum Erliegen gekommen ist.

Positiver ist dagegen McNamaras Urteil im Falle Ungarns, das aus seiner Sicht neben Polen, Chile oder Thailand noch vergleichsweise gut dasteht. Diese Länder könnten sich weiterhin zu relativ günstigen Konditionen am Kapitalmarkt verschulden.

„Bolsonaro lässt Trump wie einen Technokraten aussehen“

Kritisch sieht er auch die Situation in Brasilien. Der Fondsmanager bescheinigt dem Präsidenten Jair Bolsonaro ein desolates Krisenmanagement. „Er lässt Donald Trump wie einen Technokraten aussehen.“ Zudem, so ergänzt Neuberger-Berman-Manager Drijkoningen, sei die Staatsverschuldung in Brasilien zuletzt auf über 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen. „Irgendwann wird dieser Kurs selbstzerstörerisch.“

Und auch Südafrika kämpft mit den wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise. Das Land wurde von der Ratingagentur Moody’s auf Ramschniveau herabgestuft. Das habe zu zusätzlichen Abflüssen aus Südafrika geführt, weil viele Investoren als „spekulativ“ eingestufte Anleihen nicht halten dürfen, so Drijkoningen.

Angesichts dieser Probleme halten es viele Experten für wahrscheinlich, dass der IWF einigen Ländern mit Notkrediten helfen muss. Über 100 Staaten haben den Fonds zuletzt bereits um Hilfen gebeten. Vor allem größere Schwellenländer tun sich damit aber schwer.

So hat die Türkei erklärt, dass sie keine Notwendigkeit für Hilfen sieht. Auch Südafrika hat ein klassisches IWF-Programm ausgeschlossen. „Die meisten Schwellenländer wollen keine individuelle Hilfe des IWF, weil sie die damit verbundenen Auflagen und die Stigmatisierung fürchten“, sagt Commerzbank-Expertin Nguyen.

Ob sich dieser Kurs durchhalten lässt, ist jedoch fraglich. „Der IWF wird kräftig mitmischen“, erwartet McNamara. Neben Kursverlusten sei das für Anleger das größte Risiko. „Der IWF hat deutlich gemacht, dass er Länder rettet – nicht Investoren.“ Wenn Staaten unter der Regie des IWF umschulden, müssen sich Anleger darauf einstellen, einen Teil ihres investierten Kapitals abzuschreiben.

Die kurzfristigen Risiken in Schwellenländern sind also groß. Zumindest einen Vorteil haben sie gegenüber Industrieländern aber im Kampf gegen das Virus. „Die Demografie hilft den Schwellenländern“, sagt McNamara. Bei jungen Menschen nimmt Corona meist einen milderen Verlauf. Das habe dazu beigetragen, dass etwa viele afrikanische Staaten bislang keinen starken Anstieg der Fallzahlen erlebt hätten.

Zudem glaubt McNamara, dass das Interesse der Investoren an Schwellenlandinvestments auf längere Sicht zurückkehren wird, wenn die Krise ausgestanden ist. Grund dafür sei das weltweit niedrige Zinsniveau, das nun auch in den USA gegen null tendiert. „Die Gründe, die die Zinsen niedrig halten, verschwinden nicht einfach so.“ Er ist daher überzeugt: „Die Investoren werden zwangsläufig wieder auf die Suche nach Rendite gehen.“

Mehr: Corona bringt in den Schwellenländern die Armut zurück.

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