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In Macau wird sechs Mal so viel Geld umgesetzt wie in Las Vegas.

(Foto: Reuters)

Dragon-Coins Warum der weltgrößte virtuelle Börsengang einem Krypto-Roulette gleicht

Ein Start-up will Asiens Spielhöllen revolutionieren – und reklamiert den größten virtuellen Börsengang für sich. Beobachter sehen jedoch viele Warnsignale.
02.04.2018 - 18:56 Uhr Kommentieren

Tokio Die Geschichte des Dragon-Coins klingt fast zu gut, um wahr zu sein. Hinter dem kryptischen Namen verbirgt sich eine technische Revolution, die die milliardenschwere Casinobranche umkrempeln könnte. Mit dabei: chinesische Spielhöllen, Mafiabosse aus Macau – und sehr viel Geld. Aber der Reihe nach.

Zu Beginn steht eine Nachricht: Der vermeintlich weltgrößte virtuelle Börsengang ist beendet – und diesmal macht keine US-amerikanische Firma das Rennen, sondern ein asiatisches Projekt. Virtuelle Börsengänge sind auch unter dem Kürzel ICO bekannt. Firmen sammeln hier Geld von Anlegern ein und geben dann keine Aktien heraus, sondern virtuelle Münzen oder Tokens, die auf Internetbörsen gehandelt werden.

Während die großen Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum nach dem Kursfeuerwerk 2017 heute schwächeln, locken auf dem ICO-Markt unglaubliche Spekulationsgewinne. 2017 hat sich das Volumen der „Initial Coin Offerings“ auf 5,6 Milliarden US-Dollar mehr als verzwanzigfacht. Immer mehr Anleger hoffen, schnell reich zu werden. Dass real neun von zehn ICOs scheitern und die Finanzaufseher in den USA, China und Südkorea viele Projekte als Betrug entlarvt haben, stört die wenigsten.

Im Fall von Dragon-Coin wollen die Macher die fast unglaubliche Summe von 340 Millionen Dollar erlöst haben. Natürlich locken auch sie mit einer radikalen Vision, um für ihren Coin zu werben.

Hinter dem Projekt steht der Thailänder Chris Ahmad. Sein Start-up Dragon will mit einer eigenen Kryptowährung nicht Bitcoin und Co. Konkurrenz machen, sondern die Casinowelt revolutionieren – so zumindest das Versprechen. Starten will Ahmad in Korea, um dann das größte Casino der Welt zu sprengen, Chinas Spielerparadies Macau. Die frühere portugiesische Kolonie und heutige Sonderverwaltungszone gilt als Spielhölle Asiens und setzt fast fünfmal so viel Geld um wie Las Vegas.

Ahmad ist nicht leicht zu erreichen, erst über die Dragon-Gruppe in der Chat-App Telegram klappt es mit einem Gespräch. Ungefähr 340 Millionen US-Dollar habe er beim ICO seines Dragon-Coins eingenommen, sagt er dem Handelsblatt. Das wären 83 Millionen Dollar mehr, als das bislang größte Projekt Filecoin erzielt hat. Filecoin will eine globale Cloud, einen dezentralen Datenspeicher aufbauen.

Nachprüfen lässt sich Ahmads Zahl nicht. Ein Großteil der Gesamtsumme, 320 Millionen Dollar, hat Dragon aber schon in der ersten beschränkten Finanzierungsrunde eingenommen, meldet die Branchenseite ICO Drops. Zu den Hauptinvestoren gehörten große private Spielraumbetreiber aus Macau, sagt Ahmad.

„Casino des 21. Jahrhunderts“

An den ersten Kryptobörsen wird der Dragon-Coin bereits gehandelt. Aber bis heute hat das Start-up kein offizielles Ergebnis des am 15. März geschlossenen ICOs veröffentlicht. Auf Handelsblatt-Nachfrage verspricht Ahmad die finale Bilanz für den kommenden Tag. Das war vor fast zwei Wochen. Online aber hält er die Hoffnung wach auf den Hauptgewinn, den er den Investoren versprochen hat.

Eine eigene Dragon-Börse soll bald eröffnet werden und noch im April der erste Spieleraum unter der Dragon-Marke.

Auch seine Mission klingt ambitioniert. „Ich will die Welt virtueller Währungen mit der realen Welt verschmelzen und den ersten wirklichen Anwendungsfall der Blockchain-Technik zur Verfügung stellen“, sagte Ahmad am Tag nach dem ICO dem Handelsblatt. Blockchain ist die Datenbanktechnik, auf der Kryptowährungen basieren.

Der Dragon-Chef aus Thailand hat Großes vor. Quelle: Dragon Corp
Chris Ahmad

Der Dragon-Chef aus Thailand hat Großes vor.

(Foto: Dragon Corp)

Ahmad will mit ihr ein altes Problem der Spielbanken lösen: die Betreuung der „High Roller“. Das ist Casino-Slang für superreiche Zocker. Diese Oligarchen und Ölmilliardäre fliegen aus der ganzen Welt in die Spielparadiese ein und machen das Geschäft in Las Vegas, Monaco, Macau erst richtig lukrativ. Da sie oft Millionen Dollar einsetzen, ist der grenzüberschreitende Geldtransfer ihr größtes Problem.

Bisher zahlen die VIP-Zocker ihr Spielgeld in der Heimat an Agenten, deren Partner dann im jeweiligen Casinoland Kredit gewähren. Dafür knöpfen die Agenten den Betreibern privater VIP-Spielräume in Macau – den sogenannten Junkets – eine Gebühr von rund fünf Prozent ab. Spieler zahlen weitere fünf Prozent, wenn sie ihre Gewinne ins Heimatland zurückholen. Angesichts der umgesetzten Millionensummen verdienen die Agenten prächtig.

Der Thailänder will nun durch die grenzüberschreitende Nutzung des Dragon-Coins durch passionierte Zocker die menschlichen Agenten ausschalten. So könnten die Gesamtgebühren auf ein Prozent sinken, behauptet er. Ach ja, und nebenbei will sein Start-up auch noch selbst Casinos betreiben, eine schwimmende Spielbank namens „Dragon Pearl“ inklusive.

So verrückt der fantastische Plan klingt: In den Augen vieler Anleger, die in Internetforen den ICO preisen, blinken die Dollar-Zeichen. Aufmerksame Beobachter sehen den Dragon-Plan allerdings extrem kritisch – wie viele andere ICOs auch. Denn anders als bei regulierten Börsengängen finden ICOs oft im Graubereich des Internets statt.

Chat statt Firmenadresse

Firmen warnen nicht vor Risiken, stattdessen wird mit Verheißungen sowie auf Treu und Glauben gehandelt. „Der Boom bei ICOs hat Opportunisten und Schwindler angelockt“, warnt Thomas Glucksmann, der die Geschäftsentwicklung der Hongkonger Währungsbörse Gatecoin in Asien leitet. Viele hätten bemerkt, wie einfach es ist, einen Token zu entwickeln und schnell viel Kapital einzutreiben.

Gatecoin stellt seine Handelsplattform auch einzelnen ICOs zur Verfügung. „Wir erhalten pro Woche 15 Bewerbungen und nehmen vielleicht eine an“, sagt Glucksmann. Diese wurden dann meist von Geschäftskontakten empfohlen.

In den USA wird die Ausgabe von Coins und Tokens bereits heute wie die Ausgabe von Wertpapieren reguliert. Viele ICOs scheuen diesen regulatorischen Aufwand und verzichten von vornherein darauf, Geld von US-Amerikanern anzuwerben.

Dazu gehört auch Dragon. Bürger der USA, Singapurs und Chinas sind offiziell vom ICO ausgeschlossen. Zusätzlich wich Dragon wie viele ICOs auf kaum regulierte Handelsplätze aus.

Dragon gibt an, auf den britischen Jungferninseln registriert zu sein. Wer aber im öffentlichen Teil von Dragons Homepage oder dem digitalen Investorenprospekt, dem Whitepaper, so schnöde realweltliche Angaben wie Adresse, Telefonnummer und Kontakt-E-Mail sucht, wird enttäuscht. Einzig digital scheinen Vertreter der Firma erreichbar zu sein.

Der Kontakt zu den Investoren läuft über eine Gruppe in der Chat-App Telegram, die genauso schnell ins digitale Nichts verschwinden kann, wie sie aufgetaucht ist. Ein dürrer Internetblog mit 49 Followern ergänzt den Auftritt.

Auch das beworbene Geschäftsmodell wird von Beobachtern sehr kritisch beäugt. „Die meisten in der Gemeinde nehmen es nicht ernst“, meint ein Insider in Japan. Für ihn ist Dragon ein gieriges Geldspiel, das auf „die leichtgläubigen südostasiatischen und chinesischen Investoren“ abziele.

Tatsächlich lassen sich viele Artikel auf einschlägigen Krypto-Nachrichtenseiten auf Beiträge zurückführen, die Dragon selbst verfasst hat. Positive Bewertungen stammen oft aus der Feder von Bloggern, die Dragon als Berater führt. Und die Ankündigung eines Deals mit Südkoreas staatlicher Casinokette „7Luck“ verschwand nach dem ICO vom Firmenblog. „7Luck“ antwortete auf Handelsblatt-Anfragen bisher nicht.

Besonders pikant: Bei der Dragon-Gründungsfeier im vorigen Herbst in Macau waren nicht nur Casinobetreiber und Investoren vor Ort, sondern auch der ehemalige Unterweltboss „Broken Tooth“ Wan Kuok-Koi. Dragon-Gründer Ahmad hat wiederholt versichert, dass Wan uneingeladen erschienen und nicht am Projekt beteiligt sei. Der Vorfall wirft dennoch ein Licht auf die alten Verstrickungen zwischen Casinobranche und Unterwelt in der Hafenstadt.

Selbst wenn der Dragon-ICO mehr ist als eine Seifenblase: Der deutsche Fintech-Berater Norbert Gehrke in Tokio sieht auch bei einem funktionierenden Start des Coins eine unterschätzte Gefahr: die chinesischen Behörden. „Da ist jede Menge regulatorisches Risiko dabei“, sagt Gehrke.

So hänge nicht nur Macaus Casinokonjunktur von der Gnade der Zentralregierung ab, die 2015 mit Einschränkungen für chinesische Spieler eine erste Krise ausgelöst hatte. Die Sonderverwaltungszone hat außerdem im September, dem Pekinger Vorbild folgend, Kryptowährungsprojekte und -börsen verboten.

Dragon-Gründer Ahmad gibt sich im Gespräch zwar zuversichtlich, die Aufseher davon überzeugen zu können, mit seiner Technik lediglich ein altmodisches System der Kreditvermittler durch eine transparente digitale Lösung zu ersetzen. Doch Gehrke zweifelt, ob ihm das gelingt.

Auch die Idee, mit einer schwimmenden Spielhölle ein eigenes Casino zu betreiben, löst unter Beobachtern Skepsis aus. „Das wird schwierig“, meint Grant Covertsen, Head of Asia Equity bei der auf Casinos spezialisierten Investmentboutique Union Gaming in Macau.

Zwar gebe es theoretisch eine kleine Chance, da die chinesischen Lizenzen 2020 auslaufen und neu vergeben werden. Aber: „Es ist nicht so, dass jeder eine Casinolizenz bekommen kann.“ Ahmad pariert die Kritik wie üblich virtuos. Man habe einen Plan B, versichert der Gründer. In vielen Ländern Südostasiens schössen derzeit Casinos aus dem Boden. Frei nach dem Motto: Wenn es in Macau nicht klappt, kann sein schwimmendes Casino woanders vor Anker gehen.

Aber auch das ist eine Wette auf die Zukunft. Anleger, die in ICOs investieren, müssen diese selbst genau prüfen und Spielernaturen sein. Und vielleicht wird die Drachenmünze aus Macau eines Tages zum Symbol des ICO-Roulettes schlechthin: ein Glücksspiel mit hohem Einsatz und guten Chancen, alles zu verlieren.

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