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Kapitalmärkte Schwellenländer kommen durch hohe US-Anleihezinsen in Bedrängnis

Die steigenden US-Renditen und der stärkere Dollar setzen den Schwellenländern zu. Einige sind wegen struktureller Schwächen besonders anfällig.
06.04.2021 - 16:53 Uhr Kommentieren
Binnen weniger Wochen hat die türkische Lira deutlich abgewertet. Das könnte auch Folgen für andere Schwellenländer haben. Quelle: AP
Wechselstube in Istanbul

Binnen weniger Wochen hat die türkische Lira deutlich abgewertet. Das könnte auch Folgen für andere Schwellenländer haben.

(Foto: AP)

Frankfurt Der türkische Präsident Erdogan versucht derzeit mit eindringlichen Appellen den Verfall der Währung Lira zu stoppen. Die Bürger sollten ausländische Devisen und Gold verkaufen, empfahl er jüngst. Geholfen hat das bisher wenig.

Seit Erdogan den türkischen Notenbankchef Naci Agbal am 20. März entlassen hat, steht die Lira massiv unter Druck. Die türkische Währung hat in den Wochen danach rund 13 Prozent ihres Wertes gegenüber dem US-Dollar verloren. Agbal galt als Verfechter einer stabilitätsorientierten Geldpolitik. Er war wegen deutlicher Zinserhöhungen bei Erdogan in Ungnade gefallen.

Seine Entlassung schürt nun Zweifel an der Unabhängigkeit der türkischen Notenbank – was wiederum die Währung belastet. Hinter der Lira-Krise stecken aber nicht nur hausgemachte Probleme. Insgesamt hat sich die Stimmung gegenüber den Schwellenländern durch den Renditeanstieg am US-Anleihemarkt und den starken Dollar eingetrübt. Die Gefahr besteht nun, dass auch andere Länder Probleme bekommen. Sie sind allerdings unterschiedlich anfällig für Krisen.

Der Chefvolkswirt des Internationalen Bankenverbands IIF, Robin Brooks, sieht den Renditeanstieg in den USA als Auslöser der Lira-Krise. Da die Türkei ein vergleichsweise großes Schwellenland ist, sei mit Ansteckungseffekten auch anderswo zu rechnen, schrieb er kürzlich auf Twitter.

Brooks warnt schon seit einiger Zeit vor einer Wiederholung des Taper Tantrum von 2013, als Investoren abrupt Kapital aus den Schwellenländern abzogen und ihre Währungen einbrachen. Auslöser war ebenfalls ein plötzlicher Renditeanstieg am US-Anleihemarkt. Der damalige Chef der US-Notenbank Fed, Ben Bernanke, hatte ein Zurückfahren der zuvor sehr großzügigen Anleihekäufe in Aussicht gestellt, was die Rendite emporschießen ließ.

Seit dem Beginn dieses Jahres sind die US-Renditen ebenfalls stark gestiegen. Brooks geht davon aus, dass sie im aktuellen Umfeld weiter steigen – und die Kurse entsprechend fallen. „Wir haben eine neue Phase des Ausverkaufs am US-Anleihemarkt erreicht“, sagt er. Bislang hätten vor allem positive Erwartungen für die amerikanische Wirtschaft den Anstieg verursacht.

Inzwischen bestätigten harte Daten schrittweise diese Erwartungen, wie zum Beispiel ein gestiegenes Verbrauchervertrauen. Dies könnte aus Sicht des Volkswirts den Anstieg der Renditen nochmals beschleunigen – und die Schwellenländer entsprechend unter Druck setzen.

Schwellenländer verzeichnen geringere Kapitalzuflüsse

Daten des IIF zeigen bereits, dass sich die Kapitalzuflüsse in die Schwellenländer seit Jahresbeginn deutlich abgeschwächt haben. Im März flossen unter dem Strich lediglich noch 10,1 Milliarden Dollar in die Aktien und die Anleihemärkte dort. Mit 8,8 Milliarden Dollar entfiel der Großteil auf China. Im vierten Quartal 2020 waren noch 230 Milliarden Dollar in die Regionen gelangt.

Das wirft die Frage auf, welche Schwellenländer neben der Türkei besonders anfällig sind. Brooks beispielsweise hält Ägypten und seine Währung für labil. Die Notenbank dort hat zuletzt immer wieder interveniert, um den Kurs des ägyptischen Pfunds zum Dollar stabil zu halten. Dadurch sind die Devisenreserven dort niedrig. Zudem ist die Währung im Vergleich zu anderen Schwellenländern sehr hoch bewertet, was dem heimischen Exportsektor schadet.

Die japanische Investmentbank Nomura und die britische Großbank HSBC haben jüngst unabhängig voneinander die Verwundbarkeit von Schwellenländern untersucht. Auch Nomura schätzt das Risiko für Ägypten besonders hoch ein.

Es ist neben der Türkei das einzige Land, das im Ranking der Bank auf einen Wert von über 100 Punkten kommt, der als Warnsignal für eine drohende Währungskrise in den nächsten zwölf Monaten gilt. Dahinter erscheint knapp unterhalb dieser Schwelle Rumänien, gefolgt von Sri Lanka und Kenia.

Nomura stützt sich in ihrem Ranking auf acht Kriterien. Es fließen unter anderem die kurzfristigen Auslandsschulden und die Devisenreserven ein, der Saldo im Haushalt sowie in der Leistungsbilanz, also im Handel von Waren und Dienstleistungen mit dem Ausland.

Riskante Leistungsbilanzdefizite

Länder mit einem Defizit in der Leistungsbilanz geben mehr Kapital für Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland aus, als sie durch Exporte dorthin einnehmen. Das macht sie anfällig. Um das Defizit auszugleichen, sind sie auf Kapitalzuflüsse aus dem Ausland angewiesen.

In der Regel ist dies kein Problem. In einer Krise kann es aber zu einem plötzlichen Stopp der Zuflüsse kommen. Einige Schwellenländer haben sich zudem stark in Dollar verschuldet. Steigen wie jetzt die Anleiherenditen in den USA und der Außenwert des Dollars, nimmt die Last ihrer Schulden zu und die Finanzierungskonditionen verschlechtern sich.

Ägypten verzeichnete 2020 ein Leistungsbilanzdefizit von 3,2 Prozent seiner Wirtschaftsleistung und ein Finanzdefizit von geschätzt 7,5 Prozent. Kritisch wird auch Rumänien gesehen mit einem Leistungsbilanzdefizit von 5,3 Prozent und einem Finanzdefizit von 9,6 Prozent. Ein weiteres gewichtiges Problem Ägyptens und Rumäniens sind ihre relativ niedrigen Devisenreserven.

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Den Anleihe-Experten von HSBC zufolge sind unter den Schwellenländern indes Brasilien, Indonesien, Mexiko und Südafrika besonders anfällig. Auch Polen schneidet relativ schlecht ab. Ägypten und Rumänien blieben bei dieser Untersuchung außen vor. Anders als Nomura berücksichtigt HSBC stärker den Anteil ausländischer Investoren am lokalen Anleihemarkt.

Dahinter steht die Logik, dass nicht nur die Schulden in fremder Währung für Schwellenländer zu einem Problem werden können, wenn der Dollar aufwertet. Die Gefahr ist überdies, dass ausländische Investoren in einem solchen Fall generell kritischer gegenüber Emerging Markets werden – und abrupt Kapital von dort abziehen.

Hoher Anteil ausländischer Investoren in Mexiko

Das kann auch Staaten treffen, die sich hauptsächlich in ihrer eigenen Währung verschuldet haben, wenn dort viele ausländische Investoren vertreten sind. Deren Anteil im lokalen Anleihemarkt ist besonders hoch in Mexiko mit 46 Prozent, in Brasilien mit 44,7 Prozent wie auch in Südafrika mit gut 30 Prozent.

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Ein weiteres Kriterium im Ranking ist, wie stark sich die Finanzierungskosten eines Landes erhöhen, wenn die Zinsen steigen. Hier spielt neben der Schuldenhöhe auch die Finanzierungsstruktur eine Rolle. Länder, die sich langfristig finanziert haben, müssen kurzfristig weniger Kapital am Markt aufnehmen und sind daher weniger anfällig für abrupte Zinsänderungen. In dieser Kategorie schneiden die Türkei, Brasilien und Südafrika vergleichsweise schlecht ab.

Zudem fließt in das Ranking von HSBC auch der Umfang der Devisenreserven und die durchschnittliche Entwicklung der Leistungsbilanz in den vergangenen fünf Jahren ein. Durch die langfristige Betrachtung sollen Verzerrungen in der Corona-Pandemie ausgeglichen werden. Viele Schwellenländer haben während des Herunterfahrens der Wirtschaft ihre Leistungsbilanzen verbessert. Es wird allerdings erwartet, dass sich das teilweise wieder umkehrt, wenn die Beschränkungen wegfallen.

Bei den Devisenreserven schneiden die Türkei und Malaysia besonders schlecht ab, wenn man diese ins Verhältnis zu ihren kurzfristigen Auslandsschulden setzt. Vergleichsweise hohe Leistungsbilanzdefizite verzeichneten im langfristigen Vergleich Südafrika und Kolumbien.

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Unter dem Strich erwarten die Experten von HSBC anders als IIF-Chefökonom Brooks keine Wiederholung des Taper Tantrum. Sie argumentieren, dass viele Investoren schon im vergangenen Jahr als Reaktion auf die Pandemie viel Kapital aus den Schwellenländern abgezogen hätten.

Daher gehen sie davon aus, dass weitere Abflüsse geringer ausfallen werden. Dennoch seien beträchtliche Auswirkungen auf die Märkte möglich. Besonders Hochzinsanleihen aus den Schwellenländern wurden bereits vom Renditeanstieg am US-Anleihemarkt erschüttert.

Folgen für Anleger

Was bedeutet das aber nun für Anleger? Die HSBC-Experten sind vergleichsweise optimistisch für Hartwährungsanleihen von Schwellenländern, die in der Regel in Dollar oder Euro notieren. Sie bevorzugen diese gegenüber Lokalwährungsanleihen, unter anderem, weil sie davon ausgehen, dass die Schwellenländer-Währungen wieder stärker schwanken werden, was zu höheren Risikoprämien und fallenden Kursen dort führen würde.

Geringe Risiken unter den Schwellenländern sehen sie in China, Südkorea und Thailand. Diese Länder verzeichneten zuletzt teilweise sogar in Phasen der Unsicherheit Kapitalzuflüsse. Beispielsweise sind chinesische Anleihen weiter sehr gefragt. Thailand erzielt seit Jahren hohe Leistungsbilanzüberschüsse.
Auch Nomura hält Thailand für sehr stabil. Im Vergleich zu HSBC sieht die japanische Investmentbank die Risiken in Mexiko, Brasilien, Südafrika und Polen weniger kritisch.

Der Sparkassen-Fondsanbieter Deka empfiehlt in einer Analyse ebenfalls eher Hartwährungsanleihen von Schwellenländern. Unter den Lokalwährungsanleihen bevorzugen die Fachleute dort die Papiere asiatischer Emittenten.

Mehr: Renditeanstieg am Anleihemarkt bringt Schwellenländer in Bedrängnis

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