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Kryptowährungen Türkischer Kryptoschock: Anleger bangen um Hunderte Millionen Dollar

Bitcoin und Co. sind in der Türkei wegen der schwachen Lira sehr beliebt. Doch nach den jüngsten Skandalen ist das Vertrauen der Anleger erschüttert.
25.04.2021 - 17:06 Uhr Kommentieren
Viele Menschen in der Türkei versuchen ihr Glück mit Bitcoin und anderem Kryptogeld, vermutlich ohne genau zu wissen, worauf sie sich einlassen. Quelle: Reuters
Fahrt mit der Fähre über den Bosporus in Istanbul

Viele Menschen in der Türkei versuchen ihr Glück mit Bitcoin und anderem Kryptogeld, vermutlich ohne genau zu wissen, worauf sie sich einlassen.

(Foto: Reuters)

Istanbul Caner Sen steht vor dem Ruin. Der Inhaber eines kleinen türkischen Verlages hatte sein Erspartes gut anlegen wollen. So entschied er, vier Millionen Lira (440.000 Euro) in Kryptogeld zu investieren. Innerhalb von zwölf Monaten wuchs der Gegenwert auf 30 Millionen Lira, ein Plus von fast 700 Prozent.

Vergangenen Freitag wollte er die digitalen Münzen, die er auf der lokalen Handelsplattform Vebitcoin gekauft hatte, in Lira tauschen – und scheiterte.

Ein Vertreter der Plattform habe ihm per Telefon versichert, er bekomme bald sein Geld. Doch daran glaubt Sen nicht mehr. „Ich möchte mein Geld zurück“, fordert er.

In der Türkei ereignet sich ein Kryptoerdbeben. Erst hatte die Türkische Zentralbank Mitte April Kryptowährungen als Bezahlmittel im Land verboten. Kurze Zeit später floh der Gründer einer türkischen Handelsplattform für Kryptogeld mit vermutlich Hunderten Millionen Dollar. Und jetzt meldet ein lokaler Wettbewerber unerwartet Insolvenz an.

Die Plattform Vebitcoin habe den Betrieb komplett eingestellt und begründete das mit finanziellen Umständen. Auf der Plattform waren täglich Kryptowährungen im Gegenwert von rund 60 Millionen US-Dollar gehandelt worden. Staatsanwaltschaft und Finanzaufsicht ermitteln bereits.

Die Vorgänge in der Türkei werfen ein Schlaglicht auf einen weitestgehend unregulierten Bereich für Spekulationen mit digitalen Bezahlmitteln. Allein in der Türkei werden täglich Kryptowährungen im Gegenwert von rund zwei Milliarden US-Dollar gehandelt.

Digitale Vermögenswerte wie Bitcoin basieren auf einem dezentral organisierten Buchungssystem, wobei Vermögenssummen und Zahlungen digital signiert und für alle transparent zugänglich gemacht werden – Betrug soll so unmöglich gemacht werden.

Trotzdem soll Ermittlern zufolge Faruk Özer genau das gelungen sein. Der Gründer von Thodex, der ersten lizenzierten Handelsplattform für Kryptowährungen in der Türkei, hatte für angeblich notwendige Instandhaltungsarbeiten die Onlineplattform für „vier bis fünf Arbeitstage“ geschlossen.

Die Seite ist inzwischen nicht mehr aufrufbar und wird es wohl auch nie wieder sein. Özer soll sich übereinstimmenden Medienberichten zufolge ins Ausland abgesetzt haben.

Auch hier ermittelt die Istanbuler Staatsanwaltschaft. Es geht um einen Gegenwert von 500 Millionen bis zwei Milliarden US-Dollar.

Die schwache Lira machte Bitcoin und Co. attraktiv

Die Insolvenz von Vebitcoin hat besondere Bedeutung vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Lage in dem Land. Die Lira hat massiv an Wert verloren, die Arbeitslosigkeit ist hoch. Die Inflation betrug zuletzt im Jahresvergleich 16,2 Prozent. Angesichts dieser Schwierigkeiten versuchen viele Menschen, ihr Erspartes sinnvoll anzulegen – und häufig versuchten sie ihr Glück mit Bitcoin und anderem Kryptogeld, vermutlich ohne genau zu wissen, worauf sie sich einließen. In der Türkei entstand dadurch in den vergangenen Jahren eine schiere Kryptoeuphorie, in der Zeitungen täglich den Bitcoinkurs neben Dollar und Gold abbildeten und selbst Restaurants und Autohändler die Bezahlung mit den Digitalmünzen akzeptierten. Damit dürfte es vorerst vorbei sein.

Das von der Nachrichtenagentur Demirören freigegebene Foto soll Özer bei der Passkontrolle am Internationalen Flughafen Istanbul zeigen. Quelle: AFP
Ein Standbild des Senders CCTV von Thodex-Gründer Faruk Özer

Das von der Nachrichtenagentur Demirören freigegebene Foto soll Özer bei der Passkontrolle am Internationalen Flughafen Istanbul zeigen.

(Foto: AFP)

Von Özer, nach dem Interpol per „Red Notice“ fahndet, fehlt jede Spur. Der 27-Jährige trat oft im Fernsehen auf und nannte in Interviews vor allem die Vorteile von Bitcoin und Co. „Jeder kann damit Geld verdienen.“ Auch Mitglieder der Regierungspartei sonnten sich gerne mit dem jungen Tech-Gründer.

Inzwischen erklärte Özer, die Vorwürfe seien unbegründet. „In wenigen Tagen werde ich in die Türkei zurückkehren und vollumfänglich mit den Behörden kooperieren.“ Ob das geschieht und ob das Geld auftaucht: unklar.

Vielen Kryptoinvestoren dürfte allerdings spätestens jetzt bewusst geworden sein, wo die Schwachstelle der per Algorithmus generierten Digitalwährung liegt: beim Menschen.

Mehr: Steuern, Regulierung und geplatzte Wetten: Warum der Bitcoin so unter Druck steht.

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