Kryptowährungen „Wir müssen vor Betrug schützen“ – Diese Pläne hat SEC-Chef Gensler im Krypto-Sektor

„Nur wenn wir die Dinge in den Griff bekommen, hat eine Technologie eine Chance auf eine breitere Akzeptanz“, sagt der neue oberste Börsenaufseher in den USA.
Washington Dem Chef der mächtigsten Börsenaufsicht der Welt kann man kaum vorwerfen, von Kryptowährungen keine Ahnung zu haben. Gary Gensler ist kein verstaubter Bürokrat – sein Kurs zum Thema an der Eliteuni Massachusetts Institute of Technology (MIT) wurde von Millionen online verfolgt. Und doch war seine Haltung zu Bitcoin & Co. für viele an der Wall Street und in Silicon Valley bislang unbekannt.
Nun hat sich Gensler in seinem ersten ausführlichen Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg über den digitalen Geldmarkt geäußert. Er signalisiert: Seine Faszination für Digitalwährungen bedeutet nicht, dass er mit der von vielen Krypto-Enthusiasten geforderten Laissez-faire-Haltung einverstanden wäre.
„Während ich der Technologie neutral gegenüberstehe, oder sogar fasziniert bin – ich habe immerhin drei Jahre damit verbracht, sie zu lehren und mich in sie hineinzuversetzen – bin ich nicht neutral, was den Anlegerschutz angeht“, sagt Gensler. „Wenn jemand spekulieren will, ist das seine Entscheidung, aber als Staat haben wir die Aufgabe, diese Investoren vor Betrug zu schützen.“ Ein robustes Aufsichtssystem, so Gensler, soll sich auf die Schaffung von Schutzmaßnahmen für die Millionen von Anlegern konzentrieren, die ihre Portfolios mit Digitaltoken bestückt haben.
Der SEC-Chef hat den Kongress aufgefordert, ein Gesetz zu verabschieden, das der Behörde die rechtliche Befugnis zur Überwachung von Kryptobörsen geben könnte. Die Befugnisse der SEC seien allerdings schon jetzt weit gefasst, so Gensler.
Eine der zahlreichen Debatten dreht sich darum, in welche Anlageklasse digitale Vermögenswerten fallen und ob die SEC für sie zuständig ist. Bitcoin zum Beispiel verhält sich wie eine Währung, gilt aber als Rohstoff und nicht als Wertpapier. Coins gibt es aber Tausende an der Zahl. Gensler ist der Meinung, dass die meisten nicht-registrierte Wertpapiere sind, die den SEC-Vorschriften entsprechen müssen.
Genslers spannender Vergleich mit der Autoindustrie
Allgemein merkt Gensler an, dass Technologie den wirtschaftlichen Fortschritt in der gesamten Menschheitsgeschichte angekurbelt hat. Auch digitale Vermögenswerte brächten einen Schub. Doch auch die Automobilindustrie sei erst voll durchgestartet, als Regierungen Verkehrsregeln aufstellten, so Gensler. Geschwindigkeitsbegrenzungen und Ampeln sorgten nicht nur für öffentliche Sicherheit, sondern trugen auch dazu bei, dass sich das Auto durchsetzte. „Nur wenn wir die Dinge in den Griff bekommen – und zwar im Rahmen unserer politischen Ziele –, hat eine Technologie eine Chance auf eine breitere Akzeptanz“, sagt er.
Einen Zeitplan für Maßnahmen der SEC gab Gensler nicht, auch nicht für eine mögliche Zulassung eines Bitcoin-ETF, der in der Kryptoszene ungeduldig erwartet wird. Auf seiner Aufgabenliste stehen 49 Großthemen, die mit Kryptoassets gar nichts zu tun haben, darunter die Börsenmanie um Gamestop, der Kollaps des Archegos-Konstrukts oder Publizitätsregeln für CO2-Emissionen und Umweltrisiken.
Der Fortschritt braucht Zeit
Fortschritte im Kryptobereich könnten daher auf sich warten lassen. Die SEC arbeitet laut Gensler an mindestens sieben Themenbereichen, darunter Initial Coin Offerings, Handelsplätze, Kreditplattformen und dezentrale Finanzplattformen, durch Vermögenswerte gedeckte Stablecoins, Treuhandaspekte sowie ETFs und andere Fondsprodukte. „Ich habe mein Team angewiesen, unsere Kompetenzen in jedem möglichen Bereich auszunutzen.“
Genslers Verständnis der Blockchain und digitaler Vermögenswerte stammt größtenteils aus den Jahren, die er am MIT verbracht hat. Neben seinem Krypto-Lehrgang sprach er 30 bis 50 Mal pro Jahr auf Fachkonferenzen und traf dort auf Vordenker und Unternehmer aus dem Sektor. Schriften des nur unter Pseudonym bekannten Bitcoin-Erfinders Satoshi Nakamoto kann Gensler aus dem Gedächtnis zitieren.
Der 63-Jährige, früher als Partner bei Goldman Sachs beschäftigt, war unter Präsident Barack Obama Chef der Commodity Futures Trading Commission, wo er die Swap-Regeln nach der Finanzkrise neu formulierte. Für Hillary Clintons gescheiterte Präsidentschaftskampagne agierte er als Finanzchef und suchte daher 2017 nach einem neuen Job – und nach einem Ort, an dem er Donald Trump aussitzen konnte.
Die Antwort kam vom Wirtschaftswissenschaftler Simon Johnson. Der MIT-Professor ermutigte Gensler, zum MIT zu kommen und dort zu lehren. Gensler wollte sein lang gehegtes Interesse an der Schnittstelle von Technologie und Finanzen ausleben und ergriff die Gelegenheit.
Obwohl er nicht viel über digitale Token wusste, knüpfte er Kontakte zu Leuten, die Teil der aufkeimenden Digital-Currency-Initiative der Universität waren, und besuchte sogar einen Kurs in Krypto-Programmierung. Als er dem MIT vorschlug, mehr über Finanzen und digitales Geld zu lehren, wurde ihm die Aufgabe übertragen. Er ahnte nicht, dass er in ein paar Jahren die Chance haben würde, seine akademischen Studien in der realen Welt zu nutzen. „Das Leben ist manchmal ein bisschen wie ein Glücksfall“, sagt der heutige SEC-Chef.
Mehr: Spezialfonds dürfen bis zu 20 Prozent in Krypto-Werte investieren
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.