Künstliche Intelligenz So helfen Algorithmen bei Investments in Schwellenländern

Künstliche Intelligenz soll bessere Vorhersagen ermöglichen.
Frankfurt Sogar die Mimik von Mario Draghi haben japanische Forscher mithilfe Künstlicher Intelligenz ausgewertet. Als der Italiener Präsident der Europäischen Zentralbank war, analysierten sie bei wichtigen Pressekonferenzen jede halbe Sekunde seinen Gesichtsausdruck, um Rückschlüsse auf die Geldpolitik zu gewinnen. Ihr Fazit damals: Wenn er besonders ernst schaut, ist das ein Anzeichen für eine straffere Geldpolitik.
Der Fall ist ein kurioses Beispiel für die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Finanzbranche. Wenn es um Anlageentscheidungen geht, spielen KI-Methoden eine immer wichtigere Rolle. Sie helfen zum Beispiel bei der Auswertung von Geschäftsberichten, Börsenkennziffern und anderen Finanzdaten.
Verschiedene Fonds setzen auf KI-Ansätze: Zum Beispiel haben die Anbieter DWS und Amundi Indexfonds aufgelegt, die sich bei ihren Anlageentscheidungen auf Daten zur Auswertung von Patenten stützen. Das Bonner Unternehmen Stockpulse wertet mit KI-Hilfe Texte aus dem Finanzbereich und aus Quellen wie Twitter aus. Ein weiteres Anwendungsfeld hat der dänische Investmentfonds Global Evolution aufgebaut.
Er nutzt die Methode für Investitionsentscheidungen in Frontier Markets, also Schwellenländern aus der zweiten Reihe. „Die Herausforderung in Frontier Markets ist, dass es nur wenige Daten gibt und diese nur mit starkem Zeitverzug zur Verfügung stehen“, erklärt der Forschungsleiter von Global Evolution, Ole Jørgensen. Zum Beispiel erhebt die Weltbank Indikatoren zur Qualität der politischen Institutionen in einem Land nur auf Jahresbasis. „Dadurch fehlen uns wichtige Informationen. Künstliche Intelligenz hilft uns, dieses Defizit zu kompensieren.“
Der Fondsanbieter nutzt einen Algorithmus, um Nachrichten aus 42 Schwellenländern auszuwerten. Dieser liest am Tag 50.000 bis 100.000 Artikel und durchsucht diese nach positiven und negativen Schlagworten. Daraus bildet er einen täglichen Governance-Indikator zur Qualität der politischen Institutionen in einem Land.
Künstliche Intelligenz hebt Qualität der Prognosemodelle
Für die Auswertung zieht das Team von Jørgensen einen Index der lokalen Berichterstattung in einem Land heran und einen weiteren Index zur internationalen Berichterstattung. Der Unterschied spielt eine Rolle, weil lokale Quellen in der Regel besseren Zugang zu Informationen vor Ort haben. Andererseits ist der Grad der Pressefreiheit je nach Land unterschiedlich ausgeprägt. Das wiederum wirkt sich auf die Informationsqualität aus.
„Wenn es in einem Land wenig Pressefreiheit gibt, ist die Informationsqualität lokaler Nachrichtenquellen wahrscheinlich geringer. Um einen besseren Überblick zu bekommen, werten wir daher lokale und internationale Quellen separat aus,“ erklärt Jørgensen. Zudem sieht er weiteres Potenzial, um die Informationsqualität zu verbessern. Momentan ist es beispielsweise so, dass der Algorithmus alle Publikationen gleich gewichtet. Denkbar wäre, sie künftig stärker nach Bedeutung zu gewichten.
Die Nutzung von Algorithmen spielt aber nicht nur eine Rolle, um Daten zu gewinnen. Es geht auch darum, die Qualität der Prognosemodelle zu verbessern, die der Fonds für Investitionsentscheidungen heranzieht. Bei den meisten klassischen Modellen, auf die Investoren zurückgreifen, geht es um lineare Zusammenhänge. „Diese stoßen aber oft an Grenzen, denn in der Realität sind viele Abhängigkeiten komplexer“, erklärt Jørgensen.
Bessere Modelle durch maschinelles Lernen und neuronale Netze
Durch Künstliche Intelligenz will er daher nicht-lineare Zusammenhänge identifizieren, die für das menschliche Auge nicht zu erkennen sind. „Wir brauchen Methoden, um versteckte Muster zu erkennen und daraus zu lernen.“ Dafür nutzt Global Evolution maschinelles Lernen und Modelle neuronaler Netze. Diese bilden nach, wie Neuronen im menschlichen Gehirn nach Mustern suchen. Ein Beispiel ist die Gesichtserkennung auf dem iPhone. Jørgensen will die Technologie für Prognosen über die Entwicklung von Wechselkursen nutzen – ein besonders schwieriges Feld.
In einer bahnbrechenden Arbeit hat der US-Ökonom Kenneth Rogoff 1983 gezeigt, dass die damaligen Vorhersagemodelle für Wechselkurse nicht besser waren als ein sogenannter Random Walk, also ein mathematisches Zufallsmodell.
In Prognosemodelle fließen einzelne Variablen ein, wie zum Beispiel die Entwicklung der US-Anleihezinsen, des Ölpreises und anderer Komponenten, um so Rückschlüsse auf die künftige Wechselkursentwicklung zu ziehen.
„Für einige Währungen wie den taiwanesischen Dollar und vier weitere Schwellenländerwährungen schaffen wir es bereits, einen Random Walk und klassische lineare Modelle zu schlagen“, sagt Jørgensen. Noch sei das zu wenig, aber man stehe erst am Anfang. „Wenn wir das für 20 Währungen schaffen, wäre das großartiger Erfolg.“
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