Rohstoff unter der Lupe Hoffnungswert Lithium

Der Preis des Leichtmetalls ist explodiert.
Toronto, Melbourne, Frankfurt Wenn es nach Peter Secker geht, liegt nahe dem 400-Seelen-Dorf Zinnwald-Georgenfeld in Ostsachsen der Grundstein für eine große deutsche Rohstoffzukunft. Secker vermutet unter den Hügeln des Erzgebirges das vielversprechendste europäische Lithium-Feld. Das soll sein Unternehmen Bacanora Minerals und ihn reich machen und Deutschlands Elektromobilität in Schwung bringen. „Das Lithium liegt strategisch optimal für die elektrochemische Industrie in Dresden“, wirbt Secker.
Wie viele Rohstoffunternehmen wettet das 2008 gegründete Bacanora auf den Trend Elektromobilität. Zwar gibt es weltweit derzeit nur rund zwei Millionen Elektroautos. Doch die Prognosen überschlagen sich: Bis 2030 soll die Zahl der Elektrofahrzeuge auf 100 Millionen in die Höhe schnellen, schätzt die Internationale Energieagentur. Für Lithium, das neben Kobalt der wichtigste Bestandteil in den Elektrobatterien ist, sind das hervorragende Aussichten. Am Markt haben sich die Preise binnen eines Jahres verdoppelt. Doch der Boom wird manchem unheimlich. Für Unternehmen und Anleger birgt er Chancen – aber auch Tücken.
Lithium ist ein sehr weiches Leichtmetall, das aus Sole von Salzseen oder aus Lithiummineralen im Bergbau gewonnen wird. Es steckt vor allem in Batterien für Smartphones, Laptops, Elektrofahrzeugen und Stromspeichern. Das Leichtmetall kann so viel Energie speichern wie kein anderes. „Wird heute noch rund ein Drittel der Lithiumproduktion in Batterien verbaut, wird es in fünf Jahren schon die Hälfte sein“, sagt Colin Hamilton, Rohstoffanalyst bei der australischen Bank Macquarie. „Die ganze Tesla- und Elektroauto-Story macht Lithium heute zum interessantesten Rohstoff.“ Und sie geht weiter: Am Freitag will Elon Musk seinen lange ersehnten Volks-Tesla erstmals vom Band laufen lassen. Nach Berechnungen der Deutschen Bank lag die Nachfrage nach Lithium im Jahr 2016 weltweit bei 209.000 Tonnen. Bis zum Jahr 2025 sollen es dann schon 534. 000 Tonnen sein.
Den Preis hat das förmlich explodieren lassen. Eine Tonne Lithium-Karbonat – die Grundlage, die Batteriehersteller brauchen – kostet heute mit knapp 11.000 Dollar mehr als doppelt so viel wie noch 2015. Der Preis für Lithium am chinesischen Spotmarkt hat sich innerhalb von zwei Jahren auf über 25.000 Dollar je Tonne knapp verfünffacht.
Der Markt ist illiquide
Anleger sollten sich davon aber nicht blenden lassen. Der physische Markt sei erstens sehr illiquide, berichtet Torsten Dennin, Portfoliomanager beim Schweizer Asset Manager Tiberius. Wer sich das Metall kaufe, habe es beim Weiterverkauf schwer. Zweitens sei der Markt weitgehend intransparent. „Sollte es in einigen Jahren einen Terminkontrakt an der Londoner Metallbörse geben, würden die Möglichkeiten für Anleger sicher interessanter“, sagt Dennin. Heute werden Verträge meist zwischen Produzent und Abnehmer ausgehandelt. Auch rechnen Analysten nach den starken Preissteigerungen heute wieder mit Korrekturen, da sie auf Dauer ein Überangebot fürchten.
Heute wird der Markt von vier Unternehmen dominiert: „Albemarle, SQM, FMC und Talison haben bis zuletzt 90 Prozent des Marktes kontrolliert“, erläutert Hamilton. Die Aktien sind bei Analysten beliebt – aber schon gut gelaufen. Der Börsenwert von Orocobre etwa hat sich seit Januar 2016 bereits verdreifacht. An jene Gewinne von Galaxy Resources, einem neuen Produzenten am Markt, kommt so schnell aber keiner heran: Dessen Kurs hat sich binnen 18 Monaten mehr als verachzehnfacht. Doch mit einem Preis von 0,4 Australischen Dollar ist die Aktie noch immer ein Pennystock.
Aktien sind für Anleger bislang die einfachste Möglichkeit, am Lithiumboom teilzuhaben. Die Auswahl an breit streuenden Indexfonds ist begrenzt. In den USA gibt es den Global X Lithium & Battery Tech Exchange Traded Funds (ETF), der in 27 Lithium- und Batterieunternehmen investiert. In Europa gibt es einen ähnlichen Fonds, den Structured Solutions Next Generations Resources Fund, der sich auf Lithium, Kobalt und Graphen konzentriert, aber auch in Rohstoffe wie Kupfer, Gold und Silber investieren kann. Ebenso gibt es Zertifikate auf Lithium-Anlageprodukte. Aber: „Mit Zertifikaten kaufen Sie nicht wie mit einem Fonds Sondervermögen, das vom Vermögen der Investmentgesellschaft getrennt ist. Sie kaufen de facto Schuldverschreibungen eines Unternehmens. Das kann zu einem bösen Erwachen führen“, sagt Morning‧star-Analyst Ali Masarwah.
Hoffnungsträger für Australien
Für den Westen Australiens wird das Leichtmetall hingegen zunehmend zum Hoffnungsträger. Das Land ist mit 13 400 Tonnen pro Jahr der wichtigste Produzent des Metalls, dicht gefolgt von Chile mit 11.700 Tonnen. Für Westaustralien bedeutet der neue Metallrausch eine mehr als willkommene Injektion von Kapital, aber auch an Risikobereitschaft. „Lithium hat den Unternehmergeist wieder aufleben lassen, an dem es in den letzten Jahren gefehlt hat“, sagt Tim Richards von Deloitte. Auch Fondsmanager mit Investitionen in australischen Lithium-Firmen sehen Potenzial. Stephen Wood von UBS meint, diese Unternehmen seien in „der größten strukturellen Veränderung involviert, die wir im nächsten Jahrzehnt sehen werden“.
Der Boom führt auch zu Veränderungen am Markt. Das Oligopol wird gebrochen, neue Herausforderer wollen vom Lithium-Boom profitieren. Die weltweit größten neuen Projekte Mount Cattlin und Mount Marion – beide in Australien – sind in der Hand der neuen Firmen Galaxy Resources und Mineral Resources. „Beide Projekte zusammen könnten dem Markt in den nächsten zwei Jahren 74 000 Tonnen Lithium-Karbonats-Äquivalent zuführen, was ungefähr 40 Prozent des heutigen Angebots entspricht“, erklärt Macquarie.
Worüber sich Batterieproduzenten freuen, dürfte Glücksritter beunruhigen. 2017 werde ein Lackmustest für den Lithiummarkt, sagt Hamilton von Macquarie. Schon in den vergangenen Monaten ist der Preis wieder gefallen. Weltweit haben Projekte, die sich in der Entwicklung befinden, nach Schätzungen der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) Reserven von insgesamt rund zehn Millionen Tonnen Lithium-Karbonat-Equivalent (LCE), eine Maßeinheit, unter der verschiedene Lithium-Verbindungen zusammengefasst werden. Reserven sind die gegenwärtig wirtschaftlich und technologisch abbaubaren Vorkommen. Neben Australien und Chile wollen auch Kanadier kräftig mitverdienen.
Auch Secker von Bacanora Minerals erhofft sich große Abnehmer. Zwar nennt er keine Namen, aber eine Firma hat er ganz sicher fest im Blick: Accumotive. Die Daimler-Tochter hat kürzlich den Grundstein für eine zweite Batteriefabrik in Kamenz gelegt – 80 Kilometer von Zinnwald entfernt.
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