Sorge vor Inflation Deutsche Anleger kaufen mehr als 90 Tonnen Gold im ersten Halbjahr

Das Edelmetall findet in Deutschland derzeit reißenden Absatz.
Zürich 90,5 Tonnen Gold in Barren und Münzen – so viel Edelmetall haben die Deutschen im ersten Halbjahr 2021 gekauft. Das geht aus kürzlich veröffentlichten Daten des World Gold Council hervor. Es ist die größte Menge verkauften physischen Goldes in Deutschland innerhalb eines Halbjahres seit 2009. Zuvor hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg darüber berichtet.
Damit übertraf der Goldabsatz sogar den bisherigen Rekord von 90 Tonnen aus dem Corona-Halbjahr 2020. Weltweit kaufen derzeit nur die Chinesen mehr Gold. In Europa ist Deutschland der mit Abstand wichtigste Gold-Absatzmarkt: Auf die deutschen Anleger entfielen im ersten Halbjahr knapp 60 Prozent des auf dem europäischen Kontinent verkauften Goldes. Dahinter folgen die Schweiz und Österreich.
Der Kaufrausch der Deutschen fällt in eine Zeit, in der die Inflationssorgen zunehmen. Im Juli stieg die Inflationsrate in Deutschland auf 3,8 Prozent – so viel wie seit fast 30 Jahren nicht mehr. Am Montag kommen die Zahlen für August. Auch die Europäische Zentralbank geht davon aus, dass die Teuerungsrate mittelfristig erhöht bleibt. Nach wie vor hält die Notenbank den Preisanstieg in diesem Jahr aber hauptsächlich für ein vorübergehendes Phänomen.
Gleichzeitig ist das reale Zinsniveau in Deutschland so gering wie noch nie: Die Rendite der zehnjährigen inflationsbereinigten Bundesanleihe handelt nahe ihrem Allzeittief bei rund minus zwei Prozent. Da Gold keine Zinsen abwirft, ist das Edelmetall aus Sicht deutscher Anleger eine attraktive Alternative.
Trotz des eigentlich günstigen Umfelds schwächelt Gold derzeit. Der Preis notiert bei etwa 1800 Dollar pro Feinunze (rund 31,1 Gramm). Seit Jahresbeginn ist der Goldpreis um fünf Prozent gefallen. Insbesondere Profianleger in den USA halten sich aktuell mit Edelmetall-Investments zurück. Nur zögerlich fließt Investorengeld in Gold-ETFs.
Als Grund sieht Daniel Briesemann, Rohstoffexperte der Commerzbank, Unsicherheit über die weitere Entwicklung der US-Zinsen: Er rechnet damit, dass die US-Notenbank Federal Reserve schon bald den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik vorbereitet. „Daher könnte es Gold unseres Erachtens schwer haben, deutlich und nachhaltig zu steigen, zumal schon seit Wochen die Unterstützung der ETF-Anleger fehlt“, so Briesemann.
Die Investorennachfrage könnte jedoch zurückkommen, wenn die gestiegene Inflation auf schwächelndes Wirtschaftswachstum trifft. Joe Foster, Portfoliomanager und Goldexperte beim Vermögensverwalter Van Eck, sagt: „Derzeit treiben Angebotsengpässe und die wachsende Nachfrage die Inflation an.“
Doch die tiefen Anleiherenditen zeigten, dass die Märkte niedrigeres Wachstum in der Zukunft einpreisen. „Inflation stellt ein erhebliches Risiko dar, und wenn der Anleihemarkt die wirtschaftliche Schwäche richtig vorhersagt, dann wird die aktuelle Inflation eventuell irgendwann in eine Stagflation übergehen“, warnt Foster. Für genau diesen Fall scheinen die deutschen Goldkäufer vorzusorgen.
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