Türkei Lira-Verfall geht weiter – Euro steigt in die Nähe des Rekordhochs

Die türkische Devise hat in den vergangenen vier Wochen gegenüber dem Euro rund 15 Prozent an Wert verloren.
Düsseldorf Der Verfall der Lira nimmt wieder deutliche Formen an: Die türkische Währung steht am Donnerstag unter Druck, der Euro steigt im Gegenzug um 1,5 Prozent auf 10,04 Lira. Das ist der höchste Stand seit November des vergangenen Jahres. Damals wurde die Gemeinschaftswährung bei 10,1947 Lira gehandelt, das bisherige Rekordhoch.
Damit hat die türkische Devise in den vergangenen vier Wochen gegenüber dem Euro rund 15 Prozent an Wert verloren. Ein vergleichbares Plus gibt es beim Dollar, der bei 8,3669 Lira notiert.
Auslöser für die aktuelle Kursbewegung sind politische Spannungen zwischen der Türkei und den USA. Die Beziehungen nach Washington könnten „in naher Zukunft angespannter werden“, begründet ein Devisenhändler den Kursverfall gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Für zusätzliche Bedenken sorge Präsident Recep Tayyip Erdogan mit der Ankündigung, dass bei Bedarf weitere Devisenreserven verkauft werden könnten.
Der Lira-Verfall könnte in den nächsten Tagen sogar noch weitergehen, meint Commerzbank-Devisenanalyst Tatha Ghose. Er prognostiziert für die türkische Währung bis zum Endes des dritten Quartals im Vergleich zum Dollar einen Wechselkurs von zehn Lira. Das wäre eine weitere Abwertung um 20 Prozent.
„Abwertungen der Lira sind immer von Bedeutung, weil der währungsbedingte Ausstrahlungseffekt maßgeblich zur hohen türkischen Inflation beiträgt“, sagt Ghose. „Jede noch so unscheinbare Bewegung kann eine neue Marktspirale auslösen und die Lage erschweren.“
Streit um Knappheit der Devisenreserven
Die neue Schwäche der Lira steht zum einen im Einklang mit den breiteren Trends von Schwellenländerwährungen in den vergangenen Tagen. Doch es gibt zusätzlich eine neue interessante Entwicklung speziell in der Türkei: Staatspräsident Erdogan wies die Opposition in die Schranken, als es um die Erklärung für die Knappheit der Devisenreserven ging. Diese waren gesunken, als der vorige Zentralbankchef Murat Uysal der Schwäche des Wechselkurses mit Verkäufen von Devisenreserven entgegenwirkte.
Für die Devisenanalysten der Commerzbank ist der Streit um die Devisenreserven nicht so wichtig, auch wenn diese Reserven im vergangenen Jahr abrupt fielen. Denn die Türkische Zentralbank besaß nach Meinung der Experten zu keinem Zeitpunkt Reserven in einer Größenordnung wie China oder Russland, die wesentlich dazu hätten beitragen können, die Folgen einer inkonsequenten Inflationsbekämpfung zu überwinden. „Auch mit den Reserven von vor zwei Jahren hätte man nichts ausrichten können“, meint Ghose.
Zinssenkungen könnten an Wirkung einbüßen
Der Präsident entließ den Zentralbankchef Naci Agbal, Nachfolger von Uysal, im März, nachdem dieser kurz zuvor den Leitzins von 17 auf 19 Prozent erhöht hatte. Höhere Zinsen machen eine Währung für Anleger attraktiver und können so den Kurs stützen, können aber auch die Konjunktur belasten, da Kredite etwa für den Bau teurer werden. Agbals Nachfolger Sahap Kavcioglu ließ zuletzt verlauten, wegen der hohen Inflation müssten die Zinsen hoch bleiben.
Investoren zogen noch eine Woche nach der Abberufung von Naci Agbal innerhalb von fünf Arbeitstagen 1,9 Milliarden US-Dollar aus dem Land ab. Sie alle sorgen sich darum, dass der neue Zentralbank-Gouverneur die Zinsen senkt und damit der Lira-Kurs weiter abrutscht.
So liest sich das Szenario der Commerzbank zur türkischen Lira und den wirtschaftlichen Folgen keineswegs erfreulich. In einem Währungsausblick von Ende März dieses Jahres heißt es: „Zinserhöhungen, die von der gleichen politischen Führung durchgeführt werden, die zuvor die Zinsen senkte, werden in der Zukunft nicht funktionieren, da sie unglaubwürdig erscheinen. Unter welchem institutionellen Rahmen – möglicherweise dem IWF oder andere – die Stabilisierungsphase beginnen wird, ist derzeit nicht absehbar.“
Mehr: Mit seinem Führungsstil riskiert Staatschef Erdogan die nächste Lira-Krise.
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Erdogan dreht auch bereits immer mehr am Rad und attackiert jetzt sogar die türkische Opposition wegen Kritik an Devisenverkäufen.
Auch hier brauche ich nur meinen Kommentar zum türkischen Krypto-Zahlungsverbot vom 16.04. zu wiederholen:
"Im übrigen geht es hier selbstverständlich nur um die Vorstufe von (harten) Kapitalverkehrskontrollen.
Der Türkei gehen sukzessive die Devisen aus, und wenn die Flucht erst richtig aus der Lira einsetzt, ist eben bald "Schicht im Schacht".
Wird allerdings langfristig nix nutzen, da man mit Kapitalverkehrskontrollen eben erst recht ausländische Investoren und Devisenbringer vertreibt.
Wie immer, wenn ein Staat vor der Pleite steht, läuft er Amok gegen die eigenen Bürger, die ihre Ersparnisse schützen wollen."
https://www.handelsblatt.com/politik/international/bitcoin-tuerkei-verbietet-zahlungen-mit-kryptogeld/27102090.html