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Anlagebetrug Verteidiger fordert Freispruch für Ex-Infinus-Chef Biehl

Im Betrugsprozess um den Finanzdienstleister Infinus sind die Fronten verhärtet. Der Verteidiger greift im Schlussvortrag das Gericht scharf an.
14.06.2018 - 19:12 Uhr Kommentieren
Infinus: Verteidiger fordert Freispruch für Ex-Infinus-Chef Quelle: dpa
Angeklagte im Infinus-Prozess

Die Richter müssen in einem besonders vertrackten Prozess ein Urteil fällen.

(Foto: dpa)

Dresden/Düsseldorf Im Prozess gegen ehemalige Führungskräfte des Dresdener Finanzdienstleisters Infinus hat der Verteidiger des Hauptangeklagten einen Freispruch gefordert. „Jörg Biehl hat nie Geld oder Werte verschwinden lassen“, sagte der Strafverteidiger Ulf Israel in seinem Schlussvortrag am Donnerstag.

Er kritisierte, dass sich Gericht und Staatsanwaltschaft im Verfahren zu nahgestanden hätten. Es sei schwer gewesen, „einen fairen Prozess zu finden“, die Kammer sei von Anfang an voreingenommen gewesen.

Mit verschränkten Armen, die Stirn in Falten gelegt, wandte sich Israel vor vollbesetzten Zuschauerrängen direkt an Oberstaatsanwalt Arnulf Berner. „Sie haben in über fünf Jahren nicht ein einziges Formaldelikt, keine Schwarze Kasse, keine gefälschten Unterlagen gefunden.“

Dass ein Unternehmer bilanzielle Gestaltungsspielräume ausnutze, könne man ihm nicht vorwerfen, sagte Israel. Es seien auch keine Scheingewinne erzielt wurden. Überdies habe der Hauptangeklagte Biehl sein ganzes Geld in die Firma gesteckt und davon ausgehen können, dass er sich auf die Wirtschaftsprüfer, deren Testate und die Steuerberater verlassen könne.

Damit liegen Anklage und Verteidigung auf der Zielgeraden des Megaprozesses weitestmöglich auseinander. Vergangene Woche hatte Oberstaatsanwalt Berner eine Haftstrafe von acht Jahren für den „Infinus-Patriarchen“ Biehl gefordert – und für die übrigen fünf Angeklagten Freiheitsentzug zwischen knapp fünf und knapp sieben Jahren beantragt.

Die Staatsanwaltschaft sieht es nach 160 Verhandlungstagen als erwiesen an, dass die Ex-Manager Zehntausende Anleger getäuscht und spätestens seit 2011 ein Schneeballsystem betrieben haben. Das Firmengeflecht, zu dem auch die Futures Business KG (Fubus) gehörte, sei auf immer neues Anlegergeld angewiesen gewesen. Es habe nur aufgrund immer waghalsigerer Transkationen überleben können. Die Bilanzen seien durch buchhalterische Tricks geschönt worden.

Verteidiger spricht von „Lebenslüge“

Dieser Sicht widersprach Verteidiger Ulf Isreal im Saal N 1.05 des Dresdener Landgerichts ruhig, aber vehement. „Sie haben ein Flugzeug, das 21 Jahre geflogen ist, zum Absturz gebracht“, sagte er mit Blick auf die Großrazzia Ende 2013, die das Ende der Infinus-Gruppe markierte. Die Aussage der Staatsanwaltschaft, so Schlimmeres verhindert zu haben, nannte der Strafverteidiger „eine Lebenslüge“.

Biehl habe nie derart Gelder verbrannt, wie es nach dem Ende des Unternehmens geschehen sei. Damit erlaubte sich Israel einen Seitenhieb auf die Insolvenzverwalter, die heute gut verdienten, „während beim Anleger wohl nur noch Brosamen ankommen werden.“

Die Infinus-Gruppe kaufte von Privatanlegern Lebensversicherungen zu einem höheren Rückkaufswert, als sie von ihrer Versicherung bekommen hätten. Das ausbezahlte Geld legten Anleger häufig gleich wieder in Genussrechte oder festverzinsliche Orderschuldverschreibungen der Fubus an.

Als die Kapitalmarktzinsen immer niedriger wurden, erwirtschaftete die Gruppe die hohen Zinsen nicht mehr. Die Manager verfielen darauf, eigenen Mitarbeitern zum Schein großvolumige Lebensversicherungen  zu verkaufen, um sofort Provisionen in Millionenhöhe zu kassieren. Auch Immobiliengeschäfte und Goldsparpläne kamen hinzu. Biehl habe immer einen Plan gehabt, wie es mit dem Geschäft weitergehen sollte, argumentierte nun sein Verteidiger Israel.

Der Prozess behandelt die Fälle von 22.000 Investoren, die rund 312 Millionen Euro in Orderschuldverschreibungen und Genussrechte der Infinus-Gruppe angelegt haben. Es geht dabei nur um einen Teil der insgesamt 54.000 Anleger, die bis zu zwei Milliarden Euro verloren haben sollen.

Das Verfahren ist eines der größten in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Seit 2015 wird verhandelt, mehr als 220 Zeugen sagten aus. Im Laufe der Jahre wurden alle Angeklagten aus der U-Haft entlassen, zuletzt Biehl. Ein Ende des Prozesses kommt nun in Sicht. In den nächsten Wochen werden die Verteidiger der übrigen Angeklagten ihre Schlussvorträge halten. Ein Urteil der Kammer um den Vorsitzenden Richter Hans Schlüter-Staats wird für Juli erwartet.

Signalwirkung für hunderte Zivilprozesse

Der Ausgang des Strafprozesses in Dresden hat auch eine Signalwirkung für zahllose Zivilprozesse. In rund 850 Verfahren wehren sich geschädigte Anleger gegen Mahnbescheide und Rückzahlungsforderungen des Insolvenzverwalters der Fubus-Tochter Prosavus, Frank Scheffler, die überwiegend mit Lebensversicherungen handelte. Scheffler verlangt von den Anlegern der Prosavus Zinszahlungen auf Genussrechte in zweistelliger Millionenhöhe zurück, weil diese nicht gerechtfertigt gewesen seien.

Die Fubus-Gruppe hatte die Höhe der Zinsen auf die Genussrechte von den Gewinnen abhängig gemacht. Insolvenzverwalter Frank Scheffler ließ nachprüfen und kam zu dem Ergebnis, dass Fubus die Bilanzen geschönt hatte und statt der ausgewiesenen Gewinne hohe Verluste angefallen waren. Rund 10.000 Anleger der Prosavus haben demnach zu Unrecht Ausschüttungen erhalten, die nach Insolvenzrecht in den Topf für alle Gläubiger zurückbezahlt werden müssen.

Die rund 28.000 Anleger der von Insolvenzverwalter Bruno Kübler verwalteten Teile der Fubus-Gruppe hingegen bleiben überwiegend von Rückzahlungsforderungen verschont, weil sie auf ihre gezeichneten Papiere feste, gewinnunabhängige Zinsen erhalten haben.

Der Strafprozess in Dresden wird auch von den Gläubigern mit Spannung verfolgt. Hohe Haftstrafen wegen gewerbsmäßigen Betrugs würden die Annahme, dass die Fubus-Gruppe mit Scheingewinne hantierte, noch einmal untermauern. Umgekehrt dürften Zivilklagen der Insolvenzverwalter gegen die Altgesellschaften und alle damals Beteiligten auf das Strafmaß im Dresdner Prozess ausstrahlen. Die Verwalter halten die Bilanzen der Jahre 2009 bis 2012 für falsch. Die Zivilgerichte haben ihnen, von einem Fall abgesehen, weitgehend Recht gegeben. Das stützt den Verdacht, dass bei Fubus im großen Stil getrickst, getäuscht und betrogen wurde.

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