Außergerichtliche Streitbeilegung Kundenbindung: Reise-Vermittler entdecken die Schlichtung

Für Beschwerden über einen Urlaub gibt es jetzt eine Schlichtungsstelle.
Frankfurt Verspätungen, Annullierungen, Überbuchungen – nicht immer läuft im Urlaub alles nach Plan. Doch wenn eine Beschwerde nicht den gewünschten Erfolg bringt, muss der Verbraucher abwägen: Lohnt sich eine juristische Auseinandersetzung – oder balle ich lieber die Faust in der Tasche?
Seit Dezember gibt es eine außergerichtliche Alternative, die für Beschwerden über einige digitale Vermittler sogar kostenlos ist. Private Kunden der Online-Buchungsplattformen Evaneos, Ebookers.com, Expedia.de, HolidayCheck, Journaway und weg.de können sich bei ungelösten Streitigkeiten an die „Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personennahverkehr“ (SÖP) wenden und dort online einen Schlichtungsantrag stellen.
Die Online-Formulare sind auf der Webseite soep-online.de zu finden. Voraussetzung ist, dass das Unternehmen bereits kontaktiert wurde und ausreichend Zeit bestand, auf die Beschwerde zu reagieren.
Die außergerichtliche Streitschlichtung füllt nun eine Kooperation der SÖP und dem Verband Internet Reisevertrieb (VIR) mit Leben. „Bei Beschwerden muss es oberstes Ziel sein, den Kunden nicht zu verlieren. Wenn es zu einer juristischen Auseinandersetzung kommt, haben wir aber den Kunden verloren“, bringt VIR-Vorstand Michael Buller die Motivation seiner Verbandsmitglieder auf den Punkt.
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Denn noch hat sich nur eine Minderheit der Verbandsmitglieder dazu entschlossen, eine Schlichtungsstelle als Vermittler zu akzeptieren. „Ich gebe gern zu, dass viele unserer Unternehmen noch erste Erfahrungen abwarten wollen“, sagt Buller, der mehr als 90 Mitglieder in seinem Verband zählt, dem Handelsblatt. Er würde es begrüßen, wenn sich auch die Reiseveranstalter der Schlichtungsstelle anschließen würden.
Bei der SÖP sind 30 Volljuristen spezialisiert auf die Rechte der Reisenden. Mit 32.000 Fällen im vergangenen Jahr ist die SÖP die bedeutendste Schlichtungsstelle in Deutschland. Sie ist eine nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz anerkannte und bei der EU registrierte Verbraucherschlichtungsstelle. Seit 2009 arbeitet sie mit rund 400 Verkehrsunternehmen aus den Bereichen Bahn, Bus, Fernbus, Flug, öffentlicher Personennahverkehr, Schiff und deren Kunden zusammen.

Die Schlichtungsquote in der Luftfahrt ist zuletzt auf 90 Prozent gestiegen.
Das Know-how hat den VIR überzeugt. „Die Pauschalreiserichtlinie war für uns der der letzte Anstoß, die Kooperation mit der SÖP zu suchen“, so Buller. Die Richtlinie trat Mitte 2018 in Kraft und soll für einen einheitlichen Verbraucherschutz in der EU sorgen – mit entsprechend vielen Regelungen. „Da macht es Sinn, in Streitfragen mit versierten Partnern zu kooperieren“, so der Verbandschef.
Beispielsweise ist in der Reiserichtlinie geregelt, dass Reisende Ansprüche wegen Reisemängeln innerhalb von zwei Jahren geltend machen können. Es genügt, wenn der Urlauber die Mängel gegenüber dem Reisevermittler anzeigt. Tauchen Probleme bei den Reisevermittlern regelmäßig auf, könnten diese auch eine wichtige Informationsquelle sein, um der Sache auf den Grund zu gehen, meint Buller.
Im Bundesverbraucherministerium wird die Vereinbarung begrüßt. „Verbraucherschlichtung ergänzt den gerichtlichen Rechtsschutz und stellt für alle Verbraucher ein kostenfreies, schnelles und mit wenig Aufwand verbundenes Angebot dar“, sagt Staatssekretär Gerd Billen.
Geringe Hürden für Verbraucher
Damit hebt sich die SÖP beispielsweise auch von Fluggastrechte-Portalen ab. Diese versuchen, gegen Abtretung eines bestimmten Teils der Entschädigungssumme, die dem Reisenden zusteht, Forderungen der Verbraucher durchzusetzen. Die SÖP arbeitet hingegen kostenlos für den Verbraucher.
Buller vom VIR geht davon aus, dass sich die Schlichtung in seiner Branche durchsetzen wird. Es gebe für die Mitglieder zwar keine Verpflichtung, den Schlichterspruch anzunehmen. „Aber es würde keinen Sinn machen, den Vorschlag der Schlichtungsstelle zu ignorieren.“ Die Schlichtungsquote der SÖP, also der Anteil an den Verfahren, die mit einer von beiden Parteien angenommenen Schlichtungsempfehlung endet, liegt bei 85 Prozent.
Dabei stieg die Schlichtungsquote im Bereich Flug, der mit 83 Prozent den höchsten Anteil am gesamten Schlichtungsaufkommen der SÖP hat, um vier Punkte auf 90 Prozent. Bis 2013 beteiligte sich übrigens so gut wie keine Fluggesellschaft an der Schlichtung. Dann half der Gesetzgeber nach. Seitdem haben die Fluggesellschaften die Wahl. Entweder schließen sie sich der SÖP an, oder sie wenden sich an die behördlichen Auffangschlichtungsstelle beim Bundesamt für Justiz.
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