BGH-Urteil Flugpassagiere gehen trotz stundenlanger Verspätung leer aus

Zwei Frauen hatten gegen die Airline geklagt.
Frankfurt Trotz stundenlanger Verspätung nach einer Flugreise steht Passagieren in bestimmten Fällen keine Entschädigung zu. Das stellte der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag klar. Das oberste Gericht wertete einen Streik des Dienstleisters einer Airline, der zu der Verspätung führte, als „außergewöhnlichen Umstand“.
Kann eine Fluggesellschaft die Ursache der Verspätung nicht beeinflussen, muss sie auch keine Entschädigungszahlungen leisten. Nicht jeder Streik gilt aber automatisch als nicht von der Airline beeinflussbar. Deswegen landen immer wieder Fälle vor Gericht.
Geklagt hatten zwei Frauen gegen British Airways (X ZR 15/18 und X ZR 85/18). Sie forderten jeweils 600 Euro Ausgleichszahlung, weil ihr Flug im Mai 2016 von New York so viel Verspätung hatte, dass sie ihren Anschluss in London nach Stuttgart nicht erreichen konnten und erst mit mehr als neun Stunden Verspätung am Ziel ankamen.
Grund für den verspäteten Abflug in New York war ein Ausfall der Computersysteme an den Abfertigungsschaltern. Weil bei dem für die Telekommunikationsleitungen verantwortlichen Unternehmen aber gerade gestreikt wurde, konnte der Systemausfall über Stunden nicht behoben werden. Die Abfertigung musste von Hand erledigt werden.
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Schon das Landgericht Stuttgart hatte die Klagen zuvor abgewiesen. Der BGH bestätigte nun die Entscheidungen der Vorinstanz. Der Betrieb der technischen Einrichtungen eines Flughafens, zu denen auch die Telekommunikationsleitungen gehören, obliege dem Flughafenbetreiber.
Ein Systemausfall sei von der Fluggesellschaft „nicht zu beherrschen, da die Überwachung, Wartung und Reparatur derartiger Einrichtungen nicht in seinen Verantwortungs- und Zuständigkeitsbereich fällt“, so die obersten Richter. Damit sei der Ausfall ein „außergewöhnlicher Umstand“, für den die Fluggastrechteverordnung der EU eine Ausnahme von der Zahlungspflicht vorsieht.
Flugreisende haben in der Regel einen Entschädigungsanspruch, wenn sich die Ankunft um drei Stunden oder mehr verzögert, der Flug kurzfristig ausfällt oder trotz Buchung kein Platz an Bord ist. Die zugrundeliegende EU-Verordnung gibt es seit 2005. Die Höhe der Ausgleichszahlung hängt von der Flugstrecke ab: Je nach Entfernung gibt es 250, 400 oder 600 Euro. Betroffene müssen das Geld von der Fluggesellschaft einfordern.
Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) begrüßte die aktuelle BGH-Entscheidung, forderte aber von der EU eine Präzisierung, was außergewöhnlichen Umstände sind. „Wir benötigen dringend eine Revision der Verordnung, die Luftfahrtunternehmen und ihren Kunden umfassende Rechtssicherheit gibt“, sagte BDL-Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow.
Denn was als „außergewöhnlicher Umstand“ zählt, ist nicht immer klar. Im April vergangenen Jahres sprach der Europäische Gerichtshof (EuGH) Passagieren von Tuifly eine Entschädigung für Verspätungen aufgrund eines wilden Streiks bei der Airline zu. Das Unternehmen hatte zuvor überraschend Umstrukturierungen angekündigt.
Konflikte mit den Mitarbeitern seien dabei nicht ungewöhnlich. Die EuGH-Richter werteten die Situation daher als Teil der normalen Geschäftstätigkeit. Zudem sei der wilde Streik für Tuifly nicht unbeherrschbar gewesen — er endete nach einer Einigung zwischen dem Konzern und dem Betriebsrat einige Tage später.
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