Gerhard Schick: „Für Warburg scheinen in Hamburg andere Gesetze zu gelten als für andere“
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Finanzexperte im InterviewGerhard Schick attackiert Behörden: „Für Warburg scheinen in Hamburg andere Gesetze zu gelten“
Der Finanzexperte ist über das Vorgehen der Hamburger Finanzbehörde im Cum-Ex-Skandal bei der M.M. Warburg Bank entsetzt. Auch die Bafin kritisiert er harsch.
Der Fall der Hamburger Bank M.M. Warburg und die mögliche Verwicklung des ehemaligen ersten Bürgermeisters und heutigen Bundesfinanzministers Olaf Scholz schreckt Gerhard Schick auf. Der Finanzexperte und frühere Bundestagsabgeordnete Schick fordert Scholz auf, zu den Vorwürfen umgehend Stellung zu beziehen: Wenn Scholz mit Christian Olearius, dem damaligen Chef der Bank gesprochen habe, solle er über den Grund und den Inhalt aufklären.
Schon jetzt kritisiert Schick die Finanz- und Justizbehörden Hamburgs scharf. Für Schick drängt sich der Verdacht auf, dass für Warburg in Hamburg andere Gesetze zu gelten scheinen als für andere. So etwas gehe in einem Rechtsstaat gar nicht.
„Dieser Banken-Filz in Hamburg gehört ausgemistet“, sagt Schick. Lob spricht er dagegen der Justiz in Nordrhein-Westfalen aus. Dort läuft ein erstes Strafverfahren, in dem auch die Warburg Bank beteiligt ist: „Auf die Kölner Staatsanwaltschaft und das Bonner Landgericht kann man echt stolz sein“, sagt Schick.
Schick war von 2005 bis 2018 für die Grünen Mitglied des Deutschen Bundestages. Dort verantwortete er Finanzthemen und initiierte den Untersuchungsausschuss zum Cum-Ex-Skandal, bei dem es um die Mehrfach-„Erstattung“ einer nur einmal gezahlten Kapitalertragsteuer geht. Seit Juli 2018 ist Schick Vorstand der „Bürgerbewegung Finanzwende“.
Schick vergleicht den Cum-Ex-Skandal in der Vergangenheit mit einem Diebstahl bei offener Tür. Die Politik habe nicht dafür gesorgt, die Tür rechtzeitig zu schließen, so dass es den Dieben möglich war, einen zweistelligen Milliardenbetrag zu erbeuten.
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Herr Schick, die „Zeit“ berichtet, dass sich der ehemalige Chef der Hamburger Bank M.M. Warburg, Christian Olearius, mit dem ehemaligen Ersten Bürgermeister und heutigen Finanzminister Olaf Scholz getroffen hat, um über das Thema Cum-Ex zu sprechen. Wie beurteilen Sie solche Gespräche? Ich wäre ziemlich entsetzt, sollte ein Bürgermeister – immerhin letztlich Vorgesetzter der zuständigen Behörden – mit einem Tatverdächtigen aus dem größten Finanzskandal unseres Landes einfach so geplaudert haben. Da würde jegliches Gespür für den Fall und die eigene Rolle fehlen.
Vita Gerhard Schick
In seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter leitete Schick zunächst die Arbeitsgemeinschaft „Wirtschaft und Arbeit“ der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Im September 2007 wurde er finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Er war stellvertretender Vorsitzender des Finanzausschusses und stellvertretendes Mitglied des Haushaltsausschusses.
Während seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter initiierte Schick den Untersuchungsausschuss zum Cum-Ex-Skandal, bei dem es um die Mehrfach-„Erstattung“ einer nur einmal gezahlten Kapitalertragsteuer geht. Seit Juli 2018 ist Schick Vorstand der „Bürgerbewegung Finanzwende“.
Was erwarten Sie nun vom Finanzminister? Olaf Scholz sollte zu den Vorwürfen umgehend Stellung beziehen: Gab es dieses Gespräch? Und wenn ja, sollte er erklären, warum und mit welchem Inhalt.
Der Warburg Bank und deren Tochter Warburg Invest drohen im Bonner Strafprozess Rückzahlungen von 278 Millionen Euro. Wie blicken Sie auf den ersten Strafprozess in Bonn? Auf die Kölner Staatsanwaltschaft und das Bonner Landgericht kann man echt stolz sein. Wenn alle staatlichen Stellen so gute Arbeit leisten würden, wäre Cum-Ex nie so ein großes Problem geworden. Hoffentlich arbeiten die Frankfurter und Wiesbadener Kollegen jetzt ähnlich knackig am nächsten Fallkomplex.
Die Warburg Bank will nur einen kleineren Teil zurückzahlen, vor allem die Jahre bis einschließlich 2009 seien verjährt. Können Sie nachvollziehen, dass die Bank die Steuererstattungen behalten will, sofern das rechtlich möglich ist? Nachvollziehen kann man das. Warum sollten Banker, die offenbar in kriminelle Geschäfte verwickelt waren, plötzlich anständig sein? Eine wirkliche Verantwortungsübernahme würde aber freilich anders aussehen.
Wenn sich die Bank durchsetzen würde, hätte die Hamburger Finanzverwaltung einen enormen Schaden zu verantworten. Welche Konsequenzen sollte das aus Ihrer Sicht haben? Selbst wenn die Bank sich letztlich aufgrund der Arbeit der Kölner Staatsanwaltschaft nicht durchsetzen kann: Die rot-grüne Stadtregierung hat 2016 offenbar Tatverdächtige mit Millionen Euro an Diebesgut trotz Hinweisen entkommen lassen. Das wäre skandalös. Die Frage nach der Verantwortung dafür müsste genau geklärt werden.
Womöglich schonte die Hamburger Finanzverwaltung die traditionsreiche Warburg Bank aus wirtschaftspolitischen Gründen. Wäre das für Sie nachvollziehbar? Für Warburg scheinen in Hamburg andere Gesetze zu gelten als für andere. So was geht in einem Rechtsstaat gar nicht. Aber auch gegen die Cum-Ex-Verantwortlichen bei der HSH Nordbank wurde in Hamburg nicht ermittelt, obwohl die Bank selbst der Staatsanwaltschaft die Ergebnisse interner Untersuchungen vorlegte. Dieser Banken-Filz in Hamburg gehört ausgemistet.
Die Bafin hat trotz Sonderprüfung erst sehr spät eingegriffen. Die beiden Haupteigentümer Christian Olearius und Max Warburg sind in Sachen Cum-Ex seit Jahren selbst beschuldigt, sie haben erst kürzlich ihre Aufsichtsrat-Mandate niedergelegt. Handelt die Bafin zu nachlässig? Ja. Die Bafin wacht beim Thema Cum-Ex immer erst auf, wenn alles fast schon vorbei ist. Das ist ziemlich peinlich für eine Aufsichtsbehörde.
Die Bafin argumentiert, sie sei für steuerliche und strafrechtliche Themen nicht unmittelbar zuständig. Was halten Sie dem entgegen? Das ist Quatsch. Die Insolvenz der Maple-Bank und der Dero-Bank, aber auch die drohenden Millionenzahlungen bei Warburg zeigen, dass das Steuerthema Cum-Ex durchaus eine Bank ins Kippen bringen kann. Die Bafin kann außerdem Geschäftsleiter, die nicht zuverlässig sind, abberufen. Bei kriminellen Geschäften wie CumEx hat man da schon eine Handhabe. Aber was will man schon erwarten von einer Behörde, deren Vize-Präsidentin Roegele als Syndikus der Deka-Bank vor wenigen Jahren die Cum-Ex-Geschäfte noch verteidigt hat?
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