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Kleinanlegerschutzgesetz Zartes Pflänzchen

Das Kleinanlegerschutzgesetz ist ein Jahr alt. Während es sich aus Sicht der Politik bewährt hat, fordert ein Sachverständigenrat Änderungen. Es geht ums Crowdinvesting. Muss die noch junge Branche um Mittel bangen?
11.07.2016 - 12:06 Uhr Kommentieren
„Wir müssen in Deutschland lernen, dass wir zarte Pflänzchen ein Stück wachsen lassen müssen.“ Quelle: Corbis Documentary/Getty Images
Im Entstehen

„Wir müssen in Deutschland lernen, dass wir zarte Pflänzchen ein Stück wachsen lassen müssen.“

(Foto: Corbis Documentary/Getty Images)

Berlin, Frankfurt Die Pleite des Windenergiebetreibers Prokon war ein Weckruf für die Politik. Zehntausende Anleger haben insgesamt rund 1,4 Milliarden Euro verloren, weil sie auf gut verzinste Genussrechte von Prokon setzten, die mit der Pleite wertlos wurden. Das sollte sich nicht wiederholen. Die schwarz-rote Koalition verständigte sich deshalb im vergangenen Jahr auf ein Kleinanlegerschutzgesetz – das zwar noch jung ist, aber teils schon in der Kritik steht.

Das liegt auch an seinen Zielen: Auf der einen Seite sollten die Anleger im sogenannten grauen Kapitalmarkt besser geschützt werden, beispielsweise durch effektivere Eingriffsrechte der Finanzaufsicht Bafin. Grauer Kapitalmarkt ist ein Sammelbegriff für den Teil der Finanzmärkte, der weit weniger reguliert und beaufsichtigt ist als etwa börsennotierte Aktien oder Anleihen. Andererseits sollte die Mobilisierung von Wagniskapital für hoffnungsvolle Start-ups über spezielle Finanzierungsplattformen (Crowdinvesting) nicht blockiert werden.

Ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes fordert der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen – er besteht aus Experten, die das Justiz- und Verbraucherschutzministerium beraten – bereits Änderungen. Die im Gesetz geltenden Ausnahmen für das Crowdinvesting hält Ratsmitglied Andreas Oehler für unbegründet. Außerdem sollten nach Ansicht des Bamberger Finanzprofessors nicht nur die Anlageprodukte reguliert werden, sondern auch die Internet-Plattformen, über die die Finanzierungen abgewickelt werden, sollten von der Bafin beaufsichtigt werden. Derzeit sind dafür die Industrie- und Handelskammern und die Gewerbeaufsichtsämter zuständig.

Die Koalition verständigte sich auf einen Kompromiss

Die Plattformen werden dabei als Finanzanlagenvermittler behandelt. „Tatsächlich gehen ihre Aktivitäten aber weit darüber hinaus“, sagt Dorothea Mohn vom Verbraucherzentrale Bundesverband. „Sie vermitteln Anlageprojekte nicht nur, sondern bewerten sie und stellen dann eine Vorauswahl auf ihre Plattform.“ Hier fehle es an der passenden Regulierungskategorie.

Um das Geschäftsmodell der Plattformen nicht komplett zu zerstören, einigte sich die Koalition auf einen Kompromiss. Bei Investitionsvorhaben von bis zu 2,5 Millionen Euro entfällt die relativ teure Prospektpflicht. Die Ausnahmen wurden dabei auf Finanzierungen über sogenannte partiarische Darlehen und Nachrangdarlehen und vergleichbare Produkte beschränkt. Davon hält Oehler nichts. „Die Anlage- und Finanzierungsformen des Crowdfunding sollten gemäß des Wertpapierhandelsgesetzes als Finanzinstrumente geregelt und unter Aufsicht gestellt werden.“ Die im Gesetz bestehenden Ausnahmen seien unübersichtlich und „deshalb kontraproduktiv für den Anlegerschutz“, sagte Oehler auf einer Veranstaltung in Berlin. Zudem würden sie die Vergleichbarkeit von Kapitalanlagen erschweren.

Das sieht Jamal El Mallouki, Chef der Plattform Crowddesk und Vorstandschef des kürzlich gegründeten Bundesverbands Crowdfunding, natürlich anders. Er will sogar lockerere Regeln als bisher: dass diese Ausnahmen auf Partiarische Darlehen, Nachrangdarlehen und andere beschränkt sind, sei langfristig nicht sinnvoll. „Einige Plattformen würden gerne andere Mezzanin- und Eigenkapital-Instrumente wie zum Beispiel besicherte Genussrechte nutzen, um die Anleger besserstellen zu können“, so El Mallouki. Ein Dorn im Auge ist ihm auch die Schwelle für die Prospektpflicht. Bis zu einem Emissionsvolumen von fünf Millionen Euro sollte die Prospektpflicht entfallen, wünscht er sich.

Expertin: Crowdinvesting für Kleinanleger ist riskant

„Statt umfangreiche Prospekte zu erstellen, wollen wir lieber zur Finanzbildung beitragen, damit Anleger besser verstehen, worein sie investieren“, so El Mallouki. Denkbar seien dafür kleine Lernspiele auf den Plattformen. Er weist darauf hin: Schon heute muss ein Privatinvestor vor Abschluss der Anlage Auskunft über seine Anlageerfahrungen geben. Sind diese gering, bekommt er den Hinweis „Sie sind nicht in der Lage, das Investment angemessen zu beurteilen.“ Am Investieren hindert ihn das aber nicht.  

Verbraucherschützerin Mohn hat indes noch mehr Bedenken. Sie hält Crowdinvesting zwar für eine tolle Idee, „aber für Kleinanleger ist das meist schlicht zu riskant“. Privatanleger können pro Projekt 10.000 Euro über Crowdfunding-Plattformen investieren. „Das ist viel zu hoch“, kritisiert Mohn. Sie ist dafür, dass Graumarktprodukte Kleinanlegern nicht aktiv angeboten werden. „Die Risiken, die die Anleger hier eingehen müssen, eignen sich nur für den Einsatz von Spielgeld.“

In diese Kerbe schlägt auch der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Gerhard Schick. „Der Bundesregierung ist die Zähmung des grauen Kapitalmarktes durch das Kleinanlegerschutzgesetz erwartungsgemäß nicht gelungen“, sagte er kürzlich zu einer Untersuchung der Verbraucherzentrale Hessen. Sie bemängelte bei 80 von 91 beworbenen Produkten des grauen Kapitalmarktes die fehlende Transparenz. 

Ob das Bundesfinanzministerium und das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz Konsequenzen aus der Kritik des Sachverständigenrates und anderer ziehen, ist noch nicht klar. Der Staatssekretär im Bundesverbraucherministerium, Gerd Billen, verwies auf die laufende Evaluierung des Kleinanlegerschutzgesetzes. Ergebnisse sollen Ende des Jahres vorliegen.

Politik will „Dinge mal zulassen“

Unabhängig davon hat sich das Gesetz aus Sicht Billens grundsätzlich bewährt. „Wir müssen in Deutschland lernen, dass wir zarte Pflänzchen ein Stück wachsen lassen müssen“, so Billen. Es gehe dabei nicht darum, den Verbraucherschutz zu vernachlässigen. Es sei eher eine kulturelle Übung: „Wir sollten nicht immer zuerst gucken, was wir regulieren müssen, sondern eine höhere Bereitschaft haben, Dinge auch mal zuzulassen.“ Das sei für ihn auch eine persönliche Lernkurve gewesen, räumt der ehemalige Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands ein. So würden Fintechs mit vielen Ideen aufwarten, die einen hohen Verbrauchernutzen versprächen. Natürlich sollten diese nicht außerhalb von Gesetzen agieren. Aber die Politik sei gut beraten, flexibel zu reagieren, so Billen. Und der private Investor müsse stets wissen, dass „Crowd“ kein Synonym für „Caritas“ sei. 

Das unterstreicht Tamo Zwinge, Geschäftsführer der Crowdinvesting-Plattform Companisto: Anleger würden stets darauf hingewiesen, dass ihr Engagement zu einem Totalverlust führen könne, sagt er. Companisto gehört zu den großen Finanzierungsplattformen in Deutschland. Zwinge wirbt für den Erhalt der Ausnahmen im Kleinanlegerschutzgesetz. Denn in dem Geschäft, in dem sich Companisto bewege, gebe es kaum Anbieter. „Wir stellen bei der Finanzierung von innovativen Ideen in Deutschland ein systemisches Versagen fest.“

Und Luft nach oben gibt es. Laut der Branchenseite Crowdfunding.de lag das Finanzierungsvolumen für Crowdinvesting im Jahr 2015 in Deutschland bei gerade mal rund 50 Millionen Euro. Experten gehen jedoch von einem jährlichen Wachstum des Marktes von 30 Prozent aus.

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