Lebensversicherung: Standmitteilungen haben große Mängel
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LebensversicherungStandmitteilungen haben große Mängel
Verbraucherschützer haben im Rahmen des „Marktwächters Finanzen“ die Standmitteilungen von 48 Lebensversicherern geprüft. Ein Viertel davon genügt nicht den gesetzlichen Vorgaben – und häufig überfordern sie die Kunden.
Frankfurt In jedem Jahr bekommen mehr als 30 Millionen Deutsche eine Mitteilung darüber, welche Leistung sie aus ihrer Kapitallebensversicherung erwarten können. Doch diese „Standmitteilungen“ gehen oft am Informationsbedarf der Versicherten vorbei, wie Verbraucherschützer monieren. Ein Viertel der von der Verbraucherzentrale Hamburg untersuchten Mitteilungen erfüllt nicht die gesetzlichen Vorgaben. Den meisten fehlen zudem Informationen, die der Versicherungsverband GDV in einer Muster-Standmitteilung empfiehlt.
Die Studie wurde am Donnerstag im Rahmen des Projekts „Marktwächter Finanzen“ veröffentlicht, mit dem die Verbraucherzentralen und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) das Finanzgeschehen aus Verbrauchersicht beobachten. „Die Informationen in den Standmitteilungen bei Lebensversicherungen sind unzureichend“, moniert Dorothea Mohn, Leiterin des Teams Finanzmarkt beim vzbv. Verbraucher sollten diese Mitteilungen lesen und verstehen können.
In der Praxis seien jedoch viele Verbraucher mit den jährlichen Briefen der Versicherer überfordert, ergänzt Sandra Klug von der Verbraucherzentrale Hamburg. Ihr Team wertete eine Stichprobe von 68 Standmitteilungen von 48 Lebensversicherern aus, die rund 89 Prozent des Bruttoumsatzes der Branche abdecken. Insgesamt haben sie rund 900 Mitteilungen gesichtet.
Die größten Lebensversicherer in Deutschland (nach Bruttobeiträgen)
Nürnberger Versicherung
Marktanteil 2014: drei Prozent (2013: drei Prozent)
Bayern-Versicherung
Marktanteil 2014: drei Prozent (2013: drei Prozent)
Axa
Marktanteil 2014: drei Prozent (2013: drei Prozent)
Ergo
Marktanteil 2014: drei Prozent (2013: vier Prozent)
Generali
Marktanteil 2014: vier Prozent (2013: fünf Prozent)
Debeka
Marktanteil 2014: vier Prozent (2013: vier Prozent)
Zurich
Marktanteil 2014: vier Prozent (2013: vier Prozent)
Aachen Münchener
Marktanteil 2014: sechs Prozent (2013: fünf Prozent)
R+V
Marktanteil 2014: sechs Prozent (2013: sechs Prozent)
Allianz
Marktanteil 2014: 21 Prozent (2013: 19 Prozent)
Quelle: Map-Report
Alle Angaben beziehen sich auf die verdienten Bruttobeiträge im Lebensversicherungsgeschäft.
Der Kern der Kritik richtet sich gegen Anbieter, die die Vorgaben einer Verordnung zum Versicherungsvertragsgesetz nicht erfüllen. Von den 68 ausgewerteten Standmitteilungen enthalten vier keine Angabe zu Leistungen im Todesfall. Auch zu Leistungen bei Ablauf des Vertrags und dazu, in welcher Höhe dem Versicherten heute bereits Überschüsse zum Ablauf des Vertrages garantiert sind, sollen häufig Angaben fehlen. Ihre detaillierte Auswertung haben die Verbraucherschützer online publiziert.
Der vzbv hat die festgestellten Rechtsverstöße der Finanzaufsicht Bafin gemeldet. Die Bafin will die Standmitteilungen der Versicherer, die diese gesetzlichen Mindestvorgaben laut Studie nicht einhalten, untersuchen und gegebenenfalls im Rahmen ihrer Befugnisse einschreiten.
Der GDV könne im Detail dazu keine Bewertung abgeben, da ihm die Standmitteilungen nicht vorlägen. Aus Gründen der Transparenz verzichte der Versicherungsverband darauf, über die gesetzlichen Anforderungen hinaus „einzelne Kriterien“ zu empfehlen.
Auf Anfrage des Handelsblatts gaben einige Versicherer an, dass sie die Kritik zunächst prüfen müssten. Manche sicherten aber bereits zu, dass sie ihre Standmitteilungen ergänzen wollen. Als Grund für das Fehlen von Informationen wurde mehrfach die Vertragsübernahme im Rahmen einer Fusion mit einem anderen Versicherer genannt. Die Informationen seien in der IT noch nicht hinterlegt worden, aber daran werde gearbeitet.
Doch von den Versicherern kam auch Gegenwehr zu der Studie. So haben die Marktwächter etwa der Europa Lebensversicherung vorgeworfen, dass die Angaben zur Todesfallleistung fehlten. Die Versicherung teilte dem Handelsblatt dazu jedoch mit: „Gemäß den Allgemeinen Bedingungen für die Kapitallebensversicherung wird die Versicherungssumme beim vereinbarten Ablauf des Versicherungsvertrages oder im Todesfall (vor dem Ablauftermin) als Todesfallleistung ausgezahlt. Die Höhe dieser Leistung (auch als Gesamtleistung bezeichnet) wird in unserer Jahresmitteilung endsprechend der gesetzlichen Vorgaben ausgewiesen. Die Aussage in der aktuellen Marktwächter-Studie ist daher fehlerhaft.“
Dies veranschaulicht jedoch ein anderes Problem, das die Marktwächter ebenfalls benannt haben: Den Begriffsdschungel. Die Versicherer verwenden teils eigene Begriffe, die der Verbraucher nicht immer ohne weitere zuordnen kann.
Die DEVK legte auf Nachfrage ebenfalls dar, wo sich die von den Verbraucherschützern vermissten garantierten Überschüsse in ihrer Standmitteilung befinden. Die Versicherung räumte jedoch ein: „Aber natürlich gibt es uns zu denken, dass unsere Standmitteilungen offenbar missverständlich sind. Wir planen deshalb, sie künftig zu präzisieren und zu ergänzen, um verständlich zu machen, dass mit der Position „Überschussguthaben“ die Höhe der garantierten Überschüsse gemeint ist.“
Worüber sich Bankkunden bei der Finanzaufsicht beschweren
Beschwerde bei der Bafin
1 von 6
Eigentlich kontrolliert sie Banken, Versicherungen und Wertpapier-Emittenten, um die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten. Doch gelegentlich wenden sich auch Verbraucher an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), wenn sie sich von einem Institut ungerecht behandelt fühlen. Im vergangenen Jahr gingen 5636 Verbraucherbeschwerden bei den Bafin-Aufsehern ein, wie der Jahresbericht der Behörde für 2015 ausweist. Die häufigsten und interessantesten Fälle im Folgenden.
(Foto: AP)
Kreditbearbeitungsgebühren
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Viele Bankkunden beschwerten sich im vergangenen Jahr über Kreditbearbeitungsgebühren. 2014 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) derartige Gebühren für unzulässig erklärt – und den Banken eine Rückerstattung für den Zeitraum bis 2004 auferlegt. Die Verbraucher bemängelten zumeist, dass die Rückzahlungen zu lange auf sich warten ließen. Während einige Institute zügig Geld zurück zahlten, gingen bei anderen Banken mehrere Monate ins Land.
(Foto: Imago)
Gewerbekredite
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Unklarheit herrschte in dieser Angelegenheit auch darüber, inwiefern die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) auch für Gewerbekredite oder Förderdarlehen gilt. Der BGH erklärte lediglich pauschale Gebühren für unzulässig, die unabhängig vom Bearbeitungsaufwand des Kreditantrags erhoben werden. Allerdings könne die Bafin nicht im Interesse einzelner Kunden tätig werden und deren Verträge prüfen, so die Aufseher in ihrem Bericht.
Wer einen Bausparvertrag abschließt, spart in der Regel, um ein Haus zu bauen. Doch manch einer „überspart“ seinen Vertrag, indem er über die vereinbarte Summe hinaus Geld einzahlt. In Zeiten niedriger Zinsen bedeutet das oft ein Verlustgeschäft für das betroffene Institut, das den Vertrag dann in der Regel kündigt. Für viele Verbraucher war das 2015 ein Grund, sich bei der Bafin zu melden. Die Aufseher schreiben jedoch in ihrem Bericht, dass die Institute rechtmäßig handelten – sei die Bausparsumme erreicht, bestehe kein Recht mehr auf, sich ein Bauspardarlehen auszahlen zu lassen.
Daneben ging im vergangenen Jahr auch eine Reihe von Einzelfällen bei der Bafin ein. So beschwerte sich etwa ein Hausbesitzer, der seine Immobilie per Darlehen einer Bank finanzierte. Weil er das Haus noch während der Laufzeit verkaufen wollte, einigte er sich mit seiner Bank darauf, statt des Hauses ein verpfändetes Kontoguthaben als Sicherheit zu hinterlegen. Als der Kunde jedoch den Darlehensvertrag vorzeitig beenden wollte, verlangte die Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung. Das Problem: Eine solche Vorfälligkeitsentschädigung ist nur zu zahlen, wenn es sich um ein grundpfandrechtlich gesichertes Darlehen handelt – und nicht etwa um ein verpfändetes Konto. Nach Intervention der Bafin verzichtete die Bank auf die Entschädigung.
Kurios auch der Fall des Bankkunden, der sich wegen einer Abbuchung in Höhe von 0,01 Euro bei der Bafin beschwerte: Weil eine Überweisung nicht durchgeführt werden konnte, versuchte sich eine Bank an einer schnellen, aber ungewöhnlichen Benachrichtigungsmethode. Sie buchte einen Cent vom Konto des Kunden ab, teilte ihm den Fehler per Verwendungszweck mit – und buchte den Cent kurz darauf wieder zurück. Nach einer Beschwerde beanstandete die Bafin die „Art und Weise, wie die Bank Informationen übermitteln wollte“. Die Bank sagte daraufhin in einer Stellungnahme zu, ihren Kunden künftig keine Informationen mehr auf diesem Weg zukommen zu lassen.
Der Bund der Versicherten (BdV) lobte am Mittwoch, dass die Studie „detailliert, umfangreich und sachkundig durchgeführt“ worden sei. Allerdings: „Die Situation der Lebensversicherungen in Sachen Standmitteilungen ist noch dramatischer als vom Finanzmarktwächter zusammengefasst“, erklärte Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des BdV.
Probleme gebe es aber, wenn ein Unternehmen für unterschiedliche Tarife unterschiedliche Standmitteilungen verschicke. Dann würde in die Bewertung der Studie jeweils die beste Variante eingehen. „Der Finanzmarktwächter hat die Versicherer belohnt, die uneinheitlich agieren und bestimmten Kunden schlechtere Standmitteilungen zusenden als anderen“, so Kleinlein. „Die tatsächliche Lage ist vermutlich sogar noch ernster“. Deshalb erwarte der Verband ein schnelles Vorgehen von der Aufsichtsbehörde Bafin.