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Mutmaßlicher Millionenbetrug Abzocke mit Barclays-Siegel

Ein Schweizer bringt Dutzende Deutsche um ein Millionenvermögen. Abgewickelt werden die Geschäfte in Filialen von Barclays. Gegen den Mann wird ermittelt, doch das Geldhaus schweigt. Waren Mitarbeiter an den Deals beteiligt?
31.07.2016 Update: 01.08.2016 - 15:07 Uhr Kommentieren
Barclays Filiale in Saronno, Italien Quelle: Google Street View
Barclays-Filiale in Saronno, Italien

Die Geschäftsstelle als Tarnung für mutmaßlichen Betrug.

Saronno Wie fühlt es sich an, wenn man feststellt, dass man um 1,8 Millionen Euro betrogen worden ist? Günther Steinberger (Namen geändert, Anm. d. Redaktion) weiß nur noch eines: Er wollte es so lange nicht glauben, bis es zu spät war. „Ich ging schließlich über ein Jahr lang davon aus, ein Geschäft mit der Barclays Bank gemacht zu haben.“ Das habe ihm der Vermittler des Geschäfts garantiert. Schriftlich.

Der Mann, der dem Millionär aus Deutschland einen Traumdeal versprach, heißt Antonio Giancola. Der 37-jährige Schweizer ist eigentlich Scout für italienische Fußballtalente. Das behauptet er zumindest. Nur nebenher betätige er sich laut eigener Homepage als Finanzvermittler. Doch er hatte einen Deal vorzuschlagen, dem manche Millionäre nur schwer widerstehen konnten: bis zu 36 Prozent Rendite – pro Halbjahr. Nach Recherchen des Handelsblatts sammelte Giancola mit seiner Masche innerhalb von anderthalb Jahren rund 30 Millionen Euro ein. Fast alles ist weg. Mehr als zwei Dutzend Anleger sind auf den Mann reingefallen.

Gestandene Menschen wurden um ihr Geld gebracht. Sie müssen in ihren Jobs als Anwalt, Vorstand oder Unternehmer täglich unseriöse Angebote ausschlagen und bei der Anbahnung neuer Geschäfte lieber dreimal hinschauen, bevor sie einmal zu oft unterschreiben. Dennoch: Ein eigentlich erfolgreicher Investor aus Berlin, ein Partner einer hoch angesehenen deutschen Anwaltskanzlei oder ein Familienunternehmer aus dem Rhein-/Ruhr-Gebiet ließen sich linken. Ein klassischer Fall von „Gier frisst Hirn“?

Kostspielige Hobbys

Giancola sitzt inzwischen in der Ostschweiz in Untersuchungshaft, nicht weit von der liechtensteinischen Grenze entfernt. Dem Handelsblatt liegen Unterlagen von Giancolas Firmen vor sowie Aussagen zahlreicher Geschädigter und Recherchematerial einer Detektei. Mehrere Leitz-Ordner Material, aus denen sich das Bild eines Menschen abzeichnet, der den Bezug zur Realität verloren hat – und nicht allein gehandelt hat.

Sein Hobby lässt auf jemanden schließen, der mitten im Leben steht. Er fährt bis Anfang 2015 beim Porsche GT3 Cup mit. Pro Saison muss man eine halbe Million Euro aufbringen, um überhaupt mitfahren zu dürfen. In Videos auf seinem Youtube-Kanal gibt Giancola sich regelmäßig als erfolgreicher Scout für italienische Fußballtalente aus. Ein Mann, der Nebeneinkünfte aus Finanzgeschäften gar nicht nötig hat, soll das wohl suggerieren. Doch wie überzeugt man gestandene Geschäftsleute restlos, solch einem Mann ihr ganzes Vermögen anzuvertrauen? Indem man höchstmögliche Sicherheit suggeriert.

Die Geschädigten lud Giancola in eine Bankfiliale des britischen Geldhauses Barclays ein. Die Geschäftsstelle der Bank im Ort Saronno bei Mailand könnte auch in einer deutschen Vorstadt stehen. An einem zentralen Platz im Zentrum des Ortes gelegen, sieht man durch zahlreiche große Fenster in das Geschäft hinein. In einem großen Raum befinden sich zwei Schalter für Bankgeschäfte, daneben Sitzgruppen für Beratungsgespräche. Hinten ist ein Glaskasten mit einem Schreibtisch – das Büro des Filialleiters. Alles ist offen, jeder kann jeden sehen und hören.

Nur etwas für Eingeweihte und Hartgesottene

Giancola habe sich gegenüber den Opfern als seriöser Geschäftsmann geriert, weiß Klaus Nieding. Der Frankfurter Anwalt vertritt zahlreiche Geschädigte in dem Fall. „Man traf sich vor dem Abschluss der Verträge meist persönlich“, Giancola habe dann stets erklärt, wie die Rendite zustande komme. „Er erschien den Geschädigten stets als vertrauenswürdige Person.“

Wenn Giancola mit seinem Kunden die Bank betrat, wurde er bereits erwartet. Der Filialleiter erhob sich aus seinem Stuhl, kam ihm mit ausgestreckter Hand entgegen und wies ihm und Steinberger einen der Tische in der Geschäftsstelle zu. Die beiden kamen gleich zum Geschäftlichen. Es ging um 650.000 Euro, die Steinberger anlegen wollte. Giancola sprach Englisch mit italienischem Akzent. Die Zahlen, die er präsentierte, seien unmissverständlich gewesen: Drei bis sechs Prozent Zinsen sollten locker drin sein – pro Monat. Steinberger bekam große Augen.

Sein Hobby waren Porsche-Rennen. Quelle: Screenshot Spiegel TV auf Youtube
Antonio Giancola

Sein Hobby waren Porsche-Rennen.

Möglich machen sollte dies der sogenannte Eigenhandel der Barclays Bank. So behauptete es Giancola. Das Geldhaus investiert dabei Teile des eigenen Vermögens in hochspekulative Anlagen und steigert so bei Erfolg den hausinternen Gewinn. Eigentlich nur etwas für Eingeweihte und Hartgesottene. Doch Giancola versprach den vermögenden Deutschen, an diesen Spekulationen teilhaben zu können.

Nach ein paar Minuten gesellte sich ein Mann hinzu, der sich als Giovanni Trappani vorstellte. Dunkler Anzug, schwarze Krawatte. Er sei ein Direktor der Barclays-Direktion in Mailand, spreche besser italienisch als englisch und sei allein zur Vertragsunterzeichnung gekommen. „Damit alles seine Richtigkeit hat“, betonte er in akzentuiertem Englisch. „Ich hatte anfangs ein mulmiges Gefühl“, räumt Steinberger ein. Doch als Giancola vorschlug, alles in einer Barclays-Filiale abzuschließen, verflogen seine Vorbehalte. „Was soll in einer Bank schon schiefgehen?“

Es gab saftige Renditen

Mitten in der Filiale versprach Giancola noch einmal: „Barclays zahlt Ihnen drei Prozent Zinsen – pro Monat!“ Die Mitarbeiter der Geschäftsstelle gingen derweil ihrer Arbeit nach. Niemand wunderte sich über die Anwesenheit dieser Runde.

Anfangs habe er tatsächlich Zinsen erhalten – von einem Barclays-Konto. Ob er zu irgendeinem Zeitpunkt Misstrauen entwickelt habe? „Es gab saftige Renditen. Wir hatten keinen Zweifel!“ Knapp ein Jahr lang lief das so. „Dann habe ich auf 1,8 Millionen Euro aufgestockt“, erzählt Steinberger, gefolgt von langem Schweigen.

Dem Geschädigten Peter von Landschreiber (Namen geändert, Anm. d. Redaktion) erging es ähnlich. Er ist Gesellschafter einer großen Sozietät aus dem Herzen Deutschlands. Der Top-Anwalt vertraut Giancola 300.000 Euro an. Die Summe will er später inklusive Zinsen für die Pflege des schwerkranken Vaters verwenden. Über einen Freund hört er von den Barclays-Geschäften und von Giancola. Dieser bietet von Landschreiber 1,5 Prozent Zinsen pro Monat an, also 18 Prozent pro Jahr. Der Anwalt überlegt nicht lange.

Nach wenigen Wochen bemerkt von Landschreiber aber, dass etwas nicht stimmt. Er ist verunsichert, sendet eine Nachricht an Barclays und erhält eine Antwort von Paul Manny, angeblich Business Services Advisor bei Barclays. „Zuerst möchte ich mich für die Ihnen entstandenen Unannehmlichkeiten entschuldigen“, schreibt er. „Ich persönlich werde mich der Angelegenheit annehmen und sicherstellen, dass alles entsprechend aufgeklärt wird.“ Auch dieses Verhalten gehörte zu seiner Masche, weiß Anlegeranwalt Nieding. „Selbst als die versprochenen Ausschüttungen ausblieben, konnte er sie immer beschwichtigen.“

Manny lud von Landschreiber zu einem persönlichen Treffen ein. In London-Camden. Die Filiale ist dort im ersten Stock eines zweigeschossigen Hauses untergebracht. Darin erwartete ihn Paul Manny. Der erklärte von Landschreiber haarklein, wie es weitergehe mit seinem Geld. Am Ende erhielt der deutsche Kunde sogar eine Bankgarantie der UBS Bank aus Zürich und einen Scheck der Barclays Bank – als Sicherheit. „Selbst wenn das Investment misslingen sollte, hätte ich diesen Scheck einlösen können, behaupteten sie“, erzählt von Landschreiber. Als er seinen Scheck im Juni 2015 bei der Commerzbank einreicht, passiert: nichts. Er kommt als ungedeckt gegen eine Gebühr von 3000 Euro zurück. „In dem Moment war klar, was das heißt.“

Die zweifelhafte Rolle der Bank
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