Tanja Birkholz Schufa-Chefin will das Misstrauen gegen Deutschlands größte Auskunftei bekämpfen

Die Vorstandsvorsitzende der Schufa war zuvor unter anderem Risikomanagerin der Commerzbank.
Berlin Schufa-Chefin Tanja Birkholz hat selbst erfahren, wie kritisch die Auskunftei in Deutschland von der Öffentlichkeit beäugt wird. Als die ehemalige Risikomanagerin der Commerzbank und Ex-Partnerin der Beratungsgesellschaft Oliver Wyman im Freundeskreis über ihren Wechsel zur Schufa sprach, „traten einigen die Schweißperlen auf die Stirn. Die dachten, ich lese dann irgendwelche Sachen über sie aus.“
Diese Sorge müsse man den Menschen nehmen, sagt Birkholz im Gespräch mit dem Handelsblatt und versichert: „Wir leben hier höchste Standards im Datenschutz.“
Birkholz ist seit Januar 2020 im Vorstand der Schufa-Holding und führt das Gremium seit Mitte 2020. Seitdem hat sie eine Kluft zwischen der wirtschaftlichen Relevanz der Schufa und der gesellschaftlichen Akzeptanz erlebt. Ihr erklärtes Ziel ist es, diese beiden Ebenen stärker in Übereinstimmung zu bringen. „Wir müssen stärker erklären, warum wir etwas machen – und wie wir es machen“, glaubt Birkholz.
Ohne Auskunfteien wie die Schufa ist das Wirtschaftsleben kaum vorstellbar. Will ein Verbraucher einen Kredit abschließen, ein Auto oder ein Handy kaufen oder eine Wohnung mieten, machen Banken, Einzelhändler oder Vermieter in der Regel einen Bonitätscheck bei der Auskunftei, die 1927 als „Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung“ gegründet wurde.
Mehrheitlich gehört die Schufa den Banken. Bei der Auskunftei sind Informationen von rund 68 Millionen Privatpersonen und sechs Millionen Unternehmen gespeichert. Innerhalb von Sekunden erhalten die Schufa-Kunden eine Kennziffer, die Auskunft gibt über die Kreditwürdigkeit von Verbrauchern und Unternehmen.
In den sogenannten Score-Wert fließen bisherige Kreditaktivitäten und Zahlungsausfälle ein. Mit dem Wert wird die Wahrscheinlichkeit beurteilt, ob der Kunde seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann.
Immer wieder gibt es Berichte von Verbrauchern, die sich wundern, wie ihr Score-Wert zustande gekommen ist. „Natürlich stehen die Fälle im Vordergrund, in denen Leute etwas nicht bekommen haben. Aus einer emotionalen Perspektive wiegt das schwerer als die Millionen, bei denen das klappt“, gibt Birkholz zu bedenken. „Wir haben aber auch den Auftrag, die Allgemeinheit vor zu großen Ausfallrisiken zu bewahren.“
Kritiker sehen Schufa in der Verantwortung
Diese Sichtweise greift nach Auffassung von Gert Wagner zu kurz. Er ist Mitglied im Sachverständigenrat für Verbraucherfragen und berät das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz. „Um ihre Akzeptanz zu erhöhen, muss die Schufa konsequent transparent sein“, sagt Wagner. Derzeit wüssten Verbraucher nicht, wie bestimmte Scores zustande kämen. Daher bestehen Zweifel, ob sie fair behandelt werden.
„Die Schufa ist selbst schuld, wenn man ihr misstraut“, bringt der emeritierte Volkswirtschaftsprofessor seine Meinung auf den Punkt. Es müsse möglich sein, Verbrauchern alle Merkmale, auf deren Basis sie gescort werden, sowie deren Gewichtung auf nachvollziehbare Weise offenzulegen – ohne Ausnahmen.
Höchstgerichtlich ist durch den Bundesgerichtshof geklärt, dass die Schufa ihren Algorithmus zur Berechnung der Kreditwürdigkeit von Kunden nicht offenlegen muss. „Das ist auch gar nicht notwendig, um Transparenz herzustellen“, betont Wagner. „Man kann und sollte gegenüber Verbrauchern voll und ganz transparent sein, ohne verraten zu müssen, wie ein Score entwickelt und programmiert wird.“
Schufa-Chefin Birkholz ist da eher skeptisch. Bei den Risikomodellen würde viele Variablen eine Rolle spielen. Doch das Problem ist bei ihr angekommen. „Wir arbeiten daran – die Menschen wollen verstehen, wie sie ihre Bonität verbessern können, und haben gleichzeitig das Ziel, sich konkrete Wünsche zu erfüllen.“
Kritik an Pilotprojekt
Dabei sei zu bedenken, so die Schufa-Chefin, dass ein Score-Wert keine absolute Aussagekraft habe. „Die Konsequenzen hängen auch immer vom Risikoappetit der Anbieter ab.“ Nicht jeder Schufa-Kunde bestehe auf allerbeste Bonität. Wie dieses Ringen um nachvollziehbares Scoring ausgeht, ist noch offen.
Übel genommen wurde der Schufa der Versuch, Geschäfte jenseits des üblichen Scorings zu ermöglichen. In einem Pilotprojekt mit dem Mobilfunkunternehmen Telefónica/O2 ging es darum, abgewiesenen Kunden doch noch einen Vertrag zu ermöglichen – indem man einen Blick auf das Konto des Kunden wirft.
Mithilfe ihres übernommenen Fintech-Unternehmens Finapi ist die Schufa in der Lage, mit Einwilligung des Kunden über eine Schnittstelle zu dessen Bank Kontobewegungen auszulesen. Schnell wurde der Vorwurf laut, dass die Schufa sich jetzt auch Zugriff auf die Konten verschaffe.
Birkholz räumt ein, dass sie nicht mit dieser Reaktion gerechnet hat. „Der Verbraucher lässt bereits heute täglich in diversen Plattformen den Kontoeinblick zu. Der Gesetzgeber hat dies explizit erlaubt – gerade zum Nutzen des Verbrauchers.“
Begleiter der digitalen Transformation
Nach der EU-Zahlungsdienstrichtlinie PSD2 können Drittanbieter auf Wunsch der Kunden auf deren Konten zugreifen. Klar sei auch, dass Finapi nicht automatisch Schufa-Daten nutzen könne. Bei der vom Kunden beauftragten Kontoanalyse gehe es zum Beispiel um einen regelmäßigen Zahlungseingang und ausreichende Kontodeckung. Das ist aus Sicht der Schufa-Chefin ein etabliertes Instrument, um die Bonität des Verbrauchers einzuschätzen. Auch der Kunde könne so nachvollziehen, wie er auf einen besseren Score einwirken könne.
„Das Beispiel Kontoanalyse zeigt mir erneut, dass an die Schufa höhere Ansprüche gestellt werden als an andere Dienstleister“, bilanziert Birkholz. Es sei für sie völlig in Ordnung, besonders kritisch beobachtet zu werden. „Wir akzeptieren aber nicht, dass man uns die Möglichkeit der marktüblichen Weiterentwicklung abspricht“, stellt die Schufa-Chefin klar. Sie regt deshalb eine gesellschaftspolitische Debatte an. Da sieht sich Birkholz aber auch persönlich gefordert. „Bei der Frage, was tut die Schufa und was bezweckt sie mit ihren Diensten, liegt der Ball definitiv bei uns im Spielfeld.“
Während das Geschäft mit Privatkunden aufgrund der sensiblen Kombination von Finanzen und Daten wohl immer eine kritische Begleitung erfahren wird, entwickelt sich die Schufa bei Unternehmen immer mehr zum Begleiter der digitalen Transformation. Neben dem Geschäftsfeld Bonität habe sich der gesamte Bereich der Kundenidentifizierung und der regulatorischen Compliance sehr gut entwickelt, erklärt Birkholz.
So hat die Schufa zusammen mit dem Fintech Fino für den Bereich „Know your Customer“ (KYC) ein Joint Venture gegründet. KYC spielt gerade bei den Banken im Kampf gegen Geldwäsche eine zentrale Rolle. „Wir haben für unser Angebot drei der fünf größten Banken als Kunden gewonnen“, so Birkholz. Die weitere Kunden-Pipeline sei sehr erfreulich. Auch für Notare, Immobilienmakler und Güterhändler spiele die Frage, wer ihre Kunden sind, eine immer größere Rolle.
Mehr: Bank meldet Kontoüberziehung der Schufa und wird bestraft
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Dem Ansehen der Schufa wäre schon gedient, wenn Frau Birkholz die Banken, die es angeht, mal ins Gebet nimmt, nicht mit der Weitergabe von Daten an die Schufa zu drohen, wenn die Schuldner zwar eine Schuld haben, zuvor aber niemals eine Einwilligung zur Übermittlung von Daten an die Schufa unterschrieben haben.
Wie im Falle einer befreundeten Familie geschehen, die die Verbindlichkeit g e e r b t hat !
Zumal sich die Bank, die es angeht, bis dato weigert, ihre Forderung mit einer Wertberichtigung zu versehen und eine gerichtsfeste Forderungsberechnung zur Verfügung zu stellen.
Hier wird die Schufa als Mittel der Repression instrumentalisiert !