Verbraucherschutz 5 Sterne für 23 Euro – Online-Portale kämpfen gegen falsche Kundenbewertungen

Kundenbewertungen im Internet sind für viele Verbraucher mittlerweile die wichtigste Entscheidungshilfe.
Frankfurt Was Reisende auf dem Urlaubsportal Holidaycheck über das Hotel schreiben, hört sich vielversprechend an: „Das erste Mal bleibt nicht das letzte Mal“, heißt es dort. „Wir haben uns sehr sehr wohlgefühlt“, schreibt ein anderer, und „Sofort wieder, eigentlich will ich nicht mehr weg“. Einer Buchung sollte somit nichts im Weg stehen.
Doch viele Verbraucher fragen sich, ob sie sich auf diese Einschätzungen überhaupt verlassen können. Denn immer wieder sind Bewertungen auf Internetplattformen gekauft oder sogar gefälscht. Das ist nicht nur für die Nutzer ein Ärgernis. Auch die Online-Portale riskieren ihren Ruf. Deshalb gehen diese verstärkt gegen Anbieter sogenannter Fake-Bewertungen vor – notfalls auch vor Gericht.
Bewertungen abgeben können Internetnutzer auf einer Vielzahl von Plattformen: bei der Suchmaschine Google etwa, beim Online-Händler Amazon oder auf dem Vergleichsportal Check24. Arbeitgeber bekommen ihr Fett auf Kununu weg, Ärzte müssen Lob und Kritik auf Jameda einstecken. Auch Facebook bietet ein Bewertungssystem an.
Verbraucher schenken den Bewertungen der anderen Nutzer hohe Aufmerksamkeit, häufig ersetzen sie sogar das persönliche Gespräch. Eine im Januar veröffentlichte Umfrage des Digitalverbands Bitkom hat ergeben, dass Kundenbewertungen mittlerweile die wichtigste Entscheidungshilfe beim Online-Kauf von Produkten sind.
Umso wichtiger ist es, dass die Rezensionen authentisch sind. „Gefälschte Bewertungen sind mittlerweile recht professionell. Häufig werden sie dennoch entdeckt – etwa wenn bei einem Unternehmen ganz plötzlich viele Bewertungen auftauchen“, sagt Karsten Gulden, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht aus Mainz. Gleichwohl betont Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale Bayern, dass Kunden Bewertungen im Internet immer kritisch betrachten und lediglich als Hilfestellung nutzen sollten.
Die Rechtsanwältin stören vor allem die Dienstleister, die Bewertungen zum Kauf anbieten. Wer im Internet danach sucht, stößt auf zahlreiche Agenturen wie Fivestar Marketing oder Goldstar Marketing. Bei Fivestar Marketing kostet eine einzelne Amazon-Bewertung 22,95 Euro, für ein Paket von 50 Bewertungen zahlt der Kunde 969,95 Euro. Eine Google-Bewertung gibt es für 12,95 Euro.
„Es ist ein regelrechter Wettbewerb unter diesen Dienstleistern entstanden“, sagt Halm. Ob diese legal sind oder nicht, lasse sich schwer sagen. Dazu müsse es noch mehr gerichtliche Entscheidungen geben. „Meiner Ansicht nach führen bezahlte Bewertungen zu unlauterer Werbung“, betont die Verbraucherschützerin. In den Nutzungsvereinbarungen der meisten Online-Portale steht, dass gekaufte Bewertungen nicht eingestellt werden dürfen.
Ausgang offen
Holidaycheck will nun eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen. Das Portal hat Anfang Februar Klage gegen Fivestar Marketing am Landgericht München 1 eingereicht. Georg Ziegler, Director Brand, Content & Community bei Holidaycheck, sagt: „Fivestar Marketing ist aus unserer Sicht der unverblümteste Fall von Bewertungsbetrug.“ Auch wenn der Ausgang völlig offen sei, „erhoffen wir uns von unserer Klage, dass die Gerichte es wie wir sehen, dass das Geschäft moralischer und inhaltlicher Betrug am Kunden und damit unrechtmäßig ist“.
Fivestar Marketing kontert: „Unserer Ansicht nach ist es absolut in Ordnung und selbstverständlich auch legal, Bewertungen gegen eine Aufwandsentschädigung zu vermitteln“, heißt es in einer Stellungnahme gegenüber dem Handelsblatt.
Das Unternehmen sieht sich als Sündenbock, um von der Problematik abzulenken, dass bei Bewertungen im Internet seit jeher manipuliert werde. Fivestar betont zudem, ausschließlich echte Bewertungen von realen Personen zu vermitteln: „Art und Weise der Bewertungen werden von uns dabei in keiner Form vorgeschrieben oder beeinflusst.“
Die Rezensenten seien verpflichtet, ausschließlich Bewertungen für Produkte und Dienstleistungen abzugeben, die sie kennen beziehungsweise in Anspruch genommen haben. Ziegler von Holidaycheck sieht das anders: „Wir können belegen, dass den Bewertungen keine Hotelaufenthalte zugrunde liegen und das widerspricht unseren Nutzungsbedingungen.“
Der Klage vorausgegangen war eine Abmahnaktion von zahlreichen Hotels in Deutschland, Österreich und der Schweiz durch Holidaycheck. Die Hotels wollten durch bei Fivestar Marketing gekaufte Bewertungen einen Vorteil bei möglichen Kunden erzielen. Doch auf seiner Webseite versah Holidaycheck die betroffenen Hotels mit einem Manipulations-Hinweis.
„Von den über 50 Hotels, die mit Fivestar zusammengearbeitet hatten, zeigten sich die meisten kooperativ und haben Unterlassungserklärungen unterschrieben“, sagt Ziegler. „Drei Hoteliers haben sich gerichtlich gegen den Warnhinweis gewehrt, zwei der drei Verfahren sind mittlerweile erfolgreich beigelegt worden.“
Allgemein ist Holidaycheck sehr bemüht, echte von falschen Bewertungen zu trennen. Die Plattform beschäftigt ein Team von 60 Spezialisten, das nach einer technischen Prüfung der Bewertungen stichprobenartig Aufenthaltsnachweise von den Kunden fordert. Zudem kümmern sich die Mitarbeiter um Fälle, bei denen Nutzer Auffälligkeiten melden.
„Abgegebene gefälschte Bewertungen haben auf Holidaycheck einen Anteil an den gesamten Bewertungen im unteren einstelligen Prozentbereich“, betont Ziegler. Verbraucherschützerin Halm geht davon aus, dass Portale, deren Geschäftsmodell von Bewertungen lebt, tendenziell mehr investieren, um gefälschte Rezensionen herauszufiltern als beispielsweise Online-Händler.
Doch auch Marktführer Amazon will die Zahl der Fake-Bewertungen auf seiner Seite geringhalten. Man investiere „erhebliche Summen“ für die Glaubwürdigkeit der Bewertungen, versichert ein Konzernsprecher. Amazon verbietet es etwa, dass ein Unternehmen eine Rezension für das eigene Produkt veröffentlicht und vorgibt, ein unvoreingenommener Kunde zu sein oder dass ein Kunde eine Rezension veröffentlicht und im Gegenzug eine finanzielle Vergütung erhält.
Kennzeichnung zwingend
Zuletzt ging Amazon ebenfalls den Klageweg und bekam am Oberlandesgericht Frankfurt am Main weitgehend Recht (Az. 6 W 9/19): Das Gericht untersagte „die Veröffentlichung gekaufter Kundenrezensionen, wenn nicht zugleich auf die Entgeltlichkeit hingewiesen wird“. Beklagt war ein Dienstleister, der unabhängigen Verkäufern auf Amazon die Erstellung und Veröffentlichung von Kundenrezensionen gegen Entgelt angeboten hat. Es heißt, die beklagte Firma habe die einstweilige Verfügung inzwischen akzeptiert und eine Abschlusserklärung abgegeben. Amazon will diese Information nicht kommentieren.
Verbraucherschützerin Halm reicht diese Kennzeichnungspflicht für gekaufte Bewertungen nicht aus. „Ich denke nicht, dass eine solche Kennzeichnung von den Verbrauchern wahrgenommen wird“, meint sie zum Frankfurter OLG-Beschluss. Bei Amazon würde eine als gekauft gekennzeichnete Bewertung indes zu einer Löschung führen - wegen des Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen.
Anwalt Gulden sieht das komplette Geschäftsmodell der Bewertungsanbieter ebenso kritisch: „Aus meiner Sicht sind bereits das Angebot und der Verkauf von Bewertungen wettbewerbswidrig, nicht erst die Nutzung durch Unternehmen. Gekaufte Bewertungen entstehen nicht aus freien Stücken – egal ob die Bewerter die Produkte oder Dienstleistungen tatsächlich getestet haben.“
Auch wenn Anbieter wie Fivestar Marketing angeben, ihren Testern keine Vorgaben zu machen, sei es doch so, dass die Unternehmen, die die Bewertungen kaufen, gute Noten erwarten. Die Prognose des Fachanwalts: Immer mehr Portale wählen künftig den Weg der Klage.
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