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Altersvorsorge EuGH: Betriebsrenten dürfen in der EU nicht unverhältnismäßig gekürzt werden

Der Europäische Gerichtshof pocht auf einen EU-weiten Mindestschutz für Betriebsrenten. Experten werten das Urteil als Bestätigung des Vorhabens der Bundesregierung.
19.12.2019 Update: 19.12.2019 - 16:58 Uhr Kommentieren
Das Gericht hat bereits Vorgaben für die Sicherung von Betriebspensionen gemacht. Quelle: dpa
Europäischer Gerichtshof

Das Gericht hat bereits Vorgaben für die Sicherung von Betriebspensionen gemacht.

(Foto: dpa)

Frankfurt/Berlin Betriebsrenten unterliegen in der Europäischen Union einem Schutz vor unverhältnismäßigen Kürzungen, wenn eine Pensionskasse oder ein früherer Arbeitgeber in wirtschaftliche Not gerät. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag in einem Urteil festgestellt (Rechtssache C-168/18). Über den konkreten Fall eines deutschen Rentners soll nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) befinden.

Der Rentner hatte vor dem Arbeitsgericht geklagt, um die vollen Leistungen aus seiner Betriebsrente wiederzubekommen. Seine betriebliche Versorgung war gekürzt worden, als seine Pensionskasse 2003 in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet. Sein früherer Arbeitgeber hatte die Kürzung zunächst ausgeglichen, bis dieser 2012 insolvent ging.

Der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV), eine privatrechtliche Einrichtung zur Sicherung von Betriebsrenten im Fall einer Insolvenz von Arbeitgebern, hat die Zahlung der Betriebsrente für den Arbeitgeber zwar übernommen – nicht aber die Pensionskürzung der Pensionskasse ausgeglichen. Aus Sicht des Rentners müsste der PSV auch für die Pensionskasse einspringen.

Das Bundesarbeitsgericht hat nun in diesem Fall den Europäischen Gerichtshof um Auslegung des EU-Rechts gebeten. Die EU-Richter urteilten wie folgt: Die entsprechende Richtlinie (2008/94) über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers verpflichtet die EU-Staaten, „einen gewissen Schutz zu gewährleisten“, wenn Kürzungen bei Betriebsrenten offensichtlich unverhältnismäßig sind.

Dabei gebe es einen weiten Ermessensspielraum: Die Mitgliedsstaaten seien entsprechend der Richtlinie nur verpflichtet, eine Mindestschutz zu garantieren. So müsse ein ehemaliger Arbeitnehmer bei einer Pleite seines Arbeitgebers etwa mindestens die Hälfte der Leistungen aus seinen erworbenen Ansprüchen bekommen, meinen die Richter.

Dennoch könnten auch solche Leistungen unter Umständen noch als „unverhältnismäßig“ eingestuft werden. Zudem könne eine Kürzung einer Betriebsrente als unverhältnismäßig angesehen werden, wenn ein Betroffener Probleme hat, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Dies definiert der EuGH für den Fall, dass jemand wegen einer Kürzung der Betriebsrente unter eine von der EU-Statistikbehörde Eurostat definierte Armutsgefährdungsschwelle rutscht.

Kein Ratschlag an das BAG

So könnten unter bestimmten Umständen für Zahlungen auch privatrechtliche Einrichtungen herangezogen werden, die vom Staat als Träger der Insolvenzsicherung von Betriebsrenten bestimmt worden sind. Ob für diesen Fall aber der PSV einen von der Richtlinie verlangten Mindestschutz sicherstellen muss, wollen die EuGH-Richter wiederum vom BAG klären lassen.

Experten leiten aus dem Urteil keinen Ratschlag an das BAG ab, den PSV in diesem Fall unmittelbar für Pensionskassenleistungen einzubinden. Zwar „hat der EuGH grundsätzlich erkannt, dass der PSV dem Staat in diesem Fall gleichgestellt werden kann“, sagt Michael Karst, Pensionsexperte der Unternehmensberatung Willis Towers Watson.

Das BAG müsse nun für diesen Fall klären, ob die Bundesrepublik die Insolvenzsicherung des vom Arbeitgeber gezahlten Ausgleichs für die Rentenkürzung der Pensionskasse auf den PSV übertragen hat. Doch auf Basis der im Verfahren vom PSV und der deutschen Regierung vorgelegten Dokumente, „lässt der EuGH gewisse Zweifel erkennen, dass hier der PSV tatsächlich unmittelbar in Anspruch genommen werden kann.“

Damit bestätigt der EuGH nach Ansicht des Beraters aber „mittelbar“ die Bemühungen des Bundesarbeitsministeriums (BMAS), mit einer Änderung des Insolvenzschutzes für Pensionskassenzusagen Sicherungslücken zu schließen. Nach der EuGH-Entscheidung steht auch für Judith May, Leiterin der Rechts- und Steuerberatung beim Beratungshaus Mercer in Deutschland, fest: "Der deutsche Gesetzgeber muss dafür sorgen, dass die betriebliche Altersversorgung auch beim Durchführungsweg Pensionskasse angemessen insolvenzgeschützt ist. Und angemessen bedeutet nicht, dass nur die Hälfte der Versorgung sicher sein muss. Gerade im Bereich kleiner und kleinster Renten muss dem Begünstigten hier einiges mehr verbleiben."

Peter Weiß, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, erkennt in dem Urteil, dass „ der EuGH die betriebliche Altersvorsorge gestärkt hat.“ Auch er sieht die Bundesregierung bestärkt, „diesen Pfeiler der Altersvorsorge künftig besser abzusichern.“

Das BMAS will über ein neues Gesetz nun den PSV-Schutz auf Betriebsrenten der Pensionskassen ausdehnen. Eingeschlossen werden sollen solche Pensionskassen, die nicht einem Sicherungsfonds der Versicherungen angehören. Nach Schätzung des Bundesarbeitsministeriums dürften von einem solchen neuen Schutz 20.000 Arbeitgeber, 100 Pensionskassen und rund drei Millionen Versicherte betroffen sein. May von Mercer lobt: "Das ist gut so, denn Lücken in der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersvorsorge sollte es nicht geben, insbesondere nicht im unteren Einkommensbereich, wo auch geringe Kürzungen schnell in die Armutsgefährdung führen."

Hintergrund des Gesetzesvorhabens sind die Probleme von immer mehr der insgesamt rund 130 Pensionskassen im Land: Die Kassen haben Mühe, in der anhaltenden Phase niedriger Zinsen mit ihrem Vermögen ausreichend Renditen zur Finanzierung ihrer Betriebsrenten zu erzielen. Pensionskassen unterliegen dabei relativ strengen Auflagen und haben daher einen besonders gewichtigen Teil ihres Pensionskapitals in renditearmen Anleihen angelegt. Bereits mehrere Kassen sind in Schieflage geraten und mussten Betriebsrenten kürzen.

Mehr: Die Ergänzung des Sicherheitsnetzes bei den Betriebsrenten ist notwendig, meint Handelsblatt-Redakteur Frank Drost. Sie ist eine gute Nachricht für rund drei Millionen Versicherte.

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