Geldanlage Wie Frauen fürs Alter vorsorgen

Abmachungen innerhalb der Partnerschaft gehören auch zur Altersvorsorge.
Frankfurt Wenn Finanzexpertin Claudia Müller Seminare für Frauen gibt, werden viele Familiengeschichten erzählt. Es geht um komplizierte Erbschaften, Immobilien oder um eine Trennung vom Partner. „Das kann auch sehr emotional werden“, sagt Müller. Doch eigentlich geht es um ein trockenes Thema: „Wirklich alle Teilnehmerinnen sind wegen der Altersvorsorge da.“
Workshops wie bei Müllers Initiative „Female Finance Forum“ finden sich seit einigen Jahren zuhauf, stetig wächst das Angebot an Coachings, Seminaren und Onlinekursen für Frauen, die ihre Finanzen eigenständig regeln wollen – und immer liegt der Schwerpunkt auf der Altersvorsorge.
Denn Frauen erhalten in Deutschland im Schnitt noch immer 53 Prozent weniger Rente als Männer, schließt man bei der Berechnung die gesetzliche, betriebliche und private Altersvorsorge sowie die Zusatzversicherung des öffentlichen Dienstes mit ein. Viele Frauen verlassen sich auf die Planung des Partners. Doch die fehlende eigene private Vorsorge kann existenzielle Folgen haben, häufiger rutschen Frauen in Altersarmut ab.
Die Gründe für die großen Rentenunterschiede sind vielschichtig. Zum einen verlaufen die Erwerbsbiografien bei Frauen anders als bei Männern. Weitaus öfter setzen sie im Beruf aus, um sich um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zu kümmern. Auf solche Phasen ohne Einkommen folgt oft die Teilzeit oder der Minijob.
Zudem verdienen Frauen in Deutschland im Durchschnitt noch immer rund 21 Prozent weniger als Männer. Damit zahlen sie weniger in die gesetzlichen Rentenkassen ein, hinzu kommen Lücken bei der betrieblichen und privaten Altersvorsorge.
Umso wichtiger ist es, dass Frauen sich rechtzeitig Gedanken um ihre private finanzielle Vorsorge im Alter machen. Denn um die großen gesetzlichen Lücken auszugleichen, ist diese besonders wichtig. Was müssen Frauen dabei beachten? Wann beginnt man am besten damit, für das Alter zu sparen? Im Folgenden sieben Tipps, um im Alter unabhängig zu bleiben und den Lebensstandard zu halten:
1. Zum richtigen Zeitpunkt einsteigen
Bereits 1987 gründete Finanzexpertin Helma Sick ihre Finanzberatung „Frau & Geld“. Sie rät Frauen, „so früh wie möglich mit dem Sparen anzufangen, auch mit kleinen Beiträgen, und diese aufzustocken, wenn mehr verdient wird.“ Den meisten Frauen steht weniger Geld zur Verfügung als Männern.
Deshalb sollten sie schon früh Gespartes investieren. Elgin Gorissen-van Hoek, Inhaberin eines Sachverständigenbüros für nachhaltige Anlagen, rät: „Mit ETFs oder Aktienfonds kann man auch mit kleinen Beiträgen beginnen.“ Einige ETF-Sparpläne beginnen bereits bei 25 Euro im Monat.
Allerdings ist selbst das oft zu viel, betont Heide Härtel-Herrmann, Gründerin eines Frauenfinanzdienstes: „Ich finde es anmaßend zu sagen ‚Jetzt spar doch mal‘, wenn wirklich am Ende des Monats nichts da ist.“ Stattdessen sollten Frauen den Startzeitpunkt bewusst wählen: „Starten, aber dann mit Verbindlichkeit“, rät sie. Sonst würde der Sparplan auch früh wieder aufgelöst.
2. Vollzeit statt Teilzeit
Neben dem geringeren Lohn arbeiten Frauen auch auf das Leben gerechnet weniger. Die Folge: Der „Gender Pay Gap“ wird im Laufe des Lebens zum „Gender Savings Gap“, denn wer weniger verdient, kann weniger zur Seite legen – und weniger investieren. Das trifft Frauen besonders, denn gerade bei der privaten Altersvorsorge sind Investitionen wichtig.
Expertin Sick betont: „Dass Teilzeitarbeit auch Teilzeitrente bedeutet, bedenken viele nicht.“ Auch Finanzberaterin Isolde Mischke-Flach rät: „Gut ist es natürlich, immer zu arbeiten und möglichst viel zu verdienen.“ Besonders schlecht sei es, auszusetzen: „Man sollte immer versuchen, seine Zeiten aufzufüllen, notfalls auch in Teilzeit.“
So können Frauen mehr Beiträge zur gesetzlichen Rente leisten und zugleich mehr sparen, um privat vorzusorgen. Denn selbst gleichberechtigte junge Paare verfallen mit dem ersten Kind oft in alte Beziehungsmuster, erklärt Sick.
Das liegt auch an der Gesetzeslage: Um Frauen in Vollzeit zu fördern, fordert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung etwa die Abschaffung des Ehegattensplittings und einen Ausbau der Partnermonate beim Elterngeld.
3. Die Spar-Strategie an Lebensziele knüpfen
Frauen legen für die private Altersvorsorge seltener Geld in Fonds oder Sparplänen an als Männer. „Gleichzeitig sind Frauen oft die, die langfristiger und vorsichtiger investieren. Damit sind sie eigentlich die besseren Anlegerinnen“, sagt Expertin Müller. Die frühere Bundesbank-Ökonomin rät, sich vorerst selbstständig über Finanzprodukte zu informieren, im Internet oder bei Verbraucherzentralen.
Entscheidend ist aber im zweiten Schritt die langfristige Strategie, betont Gorissen van-Hoek, denn: „Es geht um nichts Geringeres als die eigene Lebensplanung.“ Möchte ich Kinder haben? Will ich in einer eigenen Immobilie leben? Wie sieht meine langfristige Lebensplanung aus? Diese Fragen gilt es auch mit dem Partner zu besprechen, denn auch Abmachungen innerhalb der Partnerschaft gehören zur Vorsorge.
Während sich ein Partner um die Kinder kümmert, könne der andere etwa dessen private Altersvorsorge weiterzahlen, rät Müller. Beim bundesweiten Zusammenschluss „FinanzFachFrauen“ finden Frauen Expertinnen, die sie zu ihren Finanzen beraten können, das Onlineportal „herMoney“ stellt die wichtigsten Informationen auch im Netz zusammen.
4. Mut zum Risiko
Einmal begonnen, ist es besonders wichtig, die private Altersvorsorge auch in Phasen ohne Erwerb durchzuziehen, betonen Expertinnen. Dennoch findet Finanzexpertin Härtel-Herrmann: „Jede Geschichte ist individuell, die eine Lösung gibt es nicht.“
Selbst, wer spät mit der privaten Altersvorsorge beginnt, könne viel erreichen, beispielsweise durch ein Erbe, einen Karrieresprung oder einen Berufswechsel, der es erlaubt, zu einem späteren Zeitpunkt noch viel zu investieren. Wer aber durchgehend investiert, sollte auch Risiken eingehen. Helma Sick rät: „Frauen sind meist risikoscheuer als Männer.
Um langfristig gute Erfolge mit einem Sparplan zu erzielen, müssen sie aber vernünftige Risiken eingehen. Also Aktiensparplan statt Sparbuch.“ Bei aller Risikofreude warnt Expertin Gorissen-van Hoek aber vor Kryptowährungen: „Das ist ein hochspekulatives Thema. Finger weg davon.“
Das Risiko sollte im Verhältnis zur Lebensplanung stehen, fasst sie zusammen: „Die Betrachtung der Gesamtsituation ist letztendlich das Wichtigste.“
5. Für Alleinerziehende lohnt die Riester-Rente
Fast 90 Prozent der Alleinerziehenden in Deutschland sind Frauen. Für sie ist die Riester-Rente besonders interessant, wie Expertin Mischke-Flach erklärt: „Es gibt Fälle, bei denen Frauen 60 Euro jährlich einzahlen und 800 oder 900 Euro jährlich – je nach Anzahl der Kinder – an staatlicher Zulage erhalten. Das lohnt sich auf jeden Fall.“
Auch Helma Sick rät: „Wer Kinder hat, sollte unbedingt einen Riester-Vertrag abschließen. Bei geringem Einkommen fällt auch nur ein kleiner Beitrag an. Die Förderung – 300 Euro pro Kind und 175 eigene staatliche Zulage – ist geschenktes Geld, also Geld, das frau nicht selbst sparen muss.“
6. Netzwerken
Adina Pfennigsdorf betreibt den Finanz-Blog „Lady Invest“. Die größte Hürde für Frauen sieht sie im ersten Kontakt mit der Altersvorsorge: „Sie haben keine Zeit oder keine Lust, sich selbst um ihre private Altersvorsorge zu kümmern, oder haben es nie gelernt“.
Immer mehr Plattformen wollen das ändern, beobachtet sie, darunter Blogs, Podcasts, Frauen-Finanz-Communities oder Social-Media-Gruppen, in denen sich Frauen untereinander austauschen können. Selbst online könne das helfen, Ängste zu nehmen und Lust auf das Thema zu machen.
Gerade auf dem Land ist der Austausch für Frauen derzeit noch schwierig, zudem gibt es dort kaum Beraterinnen, bedauert Mischke-Flach. Wie viele Expertinnen bezeugt sie, dass sich Frauen eine Beratung von Frau zu Frau wünschen.
7. Vorsicht vor Marketing-Fallen
Auch Finanzberater sprechen Frauen mittlerweile gezielt an, etwa mit Slogans wie „Gold – Der glänzende Allrounder für SIE“.
Doch Mischke-Flach warnt vor Anbietern, die behaupten, ein bestimmtes Finanzprodukt sei für Frauen besonders geeignet: „Es gibt keine speziellen Produkte für Frauen. Wenn jemand das so beschreibt, ist das einfach eine Werbekampagne.“ Helma Sick ist zuversichtlich: „Frauen merken durchaus, wenn es um Marketing statt um sie und ihre Lebenssituation geht.“
Bei allen Tipps gilt jedoch: Viele Angebote erreichen ausgerechnet jene Frauen nicht, die die passende Zielgruppe wären. Claudia Müller wendet sich deshalb auch direkt an die Arbeitgeber.
Das Konzept: Die Unternehmen zahlen ihr Honorar, die weibliche Belegschaft nimmt teil. So können sich auch jene Frauen informieren, die sich das Seminar nicht leisten können. Ihr nächstes Ziel: „Mein größter Traum wäre es, die Seminare auch bei Lidl oder DM für die Kassiererinnen anzubieten.“
Mehr: Frauen sorgen seltener vor als Männer – Männer kümmern sich in der Regel öfter und auch etwas eher um eine finanzielle Vorsorge. Bei anderen Anlagen haben jedoch Frauen die Nase vorne.
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