Handelsblatt testet Was Girokonten mit Extras bieten

Wer mehr Geld auf dem Konto bunkert, als dem Kreditinstitut lieb ist, muss zahlen.
Köln Erst traf es nur Tages- und Festgeldkonten, nun fallen auch immer mehr Girokonten darunter: Banken und Sparkassen verlangen zunehmend ein sogenanntes Verwahrentgelt. Wer mehr Geld auf dem Konto bunkert, als dem Kreditinstitut lieb ist, muss zahlen – in der Regel 0,5 Prozent pro Jahr, also jenen Betrag, den Banken ihrerseits im Moment berappen müssen, wenn sie Geld bei der Europäischen Zentralbank parken.
Unter den Geldhäusern, die Strafzinsen für Girokonto-Guthaben erheben, finden sich sowohl große Privatbanken als auch regionale Sparkassen und kleine Genossenschaftsbanken. Lediglich der Freibetrag unterscheidet sich von Institut zu Institut.
Verbraucherschützer beobachten den wuchernden Kostendschungel rund um das Girokonto seit Jahren mit zunehmendem Ärger. Die neuen Strafzins-Regelungen vieler Kreditinstitute bringen für sie das Fass zum Überlaufen.
„Wir werden über kurz oder lang die Rechtslage gerichtlich prüfen lassen“, kündigt Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, an. Er hält es für unzulässig, dass Geldhäuser zusätzlich zur Kontoführungsgebühr noch ein Verwahrentgelt verlangen. „Wenn Verbraucher für einen Girovertrag bereits ein Entgelt zahlen, können sie erwarten, dass dieser Vertrag auch erfüllt wird. Die Verwahrung des Geldes ist damit abgegolten“, findet er.
Das Landgericht Tübingen hat im Jahr 2018 ein entsprechendes Urteil gefällt, auf das sich die Verbraucherschützer bei einem möglichen Rechtsstreit stützen wollen.
Hinter dem Rechtsstreit steht allerdings ein genereller Trend, den man den Kreditinstituten auch nach Ansicht von Experten kaum vorwerfen kann: Da ihre Margen wegen der anhaltenden Niedrigzinsen zusammengeschmolzen sind, verlangen sie immer öfter Geld für ihre Dienstleistungen wie etwa das Führen von Konten. „Verbraucher können auf dem freien Markt selbst entscheiden, wie viel Geld sie für ein Konto zahlen wollen“, sagt Nauhauser.
Max Herbst, Gründer des Finanzdienstleisters FMH-Finanzberatung in Frankfurt, geht noch weiter: „Banken pflegen das Konto, sichern es ab, bieten eine Dienstleistung, ohne die man heutzutage kaum noch auskommt“, sagt er. Er hält deshalb ein transparentes Entgelt, das alle wichtigen Services rund um Kontoführung und Zahlungsverkehr abdeckt, für durchaus gerechtfertigt.
Kreditinstitute verlangen immer öfter Geld
Quasi als Antwort auf die aussterbende Kostenlos-Kultur bieten immer mehr Banken und Sparkassen Girokonten an, die zwar nicht günstig sind, Nutzern aber einen Mehrwert bieten sollen. „Die Zahl solcher Mehrwert- oder All-Inclusive-Konten steigt“, sagt Herbst. Für das Handelsblatt hat er mehr als 400 Angebote untersucht und die besten herausgestellt.
Punkte gab es für niedrige Kosten, besondere Leistungen, günstige Dispozinsen, pfiffige Extras. Unter den bundesweit tätigen Häusern konnten sich zwei Institute nach Punkten die Bewertung „sehr gut“ sichern: die Commerzbank für ihr „Premium Konto“ und die Postbank für ihr „Giro extra plus“.
Bei der Commerzbank zahlen Kunden für das Luxus-Girokonto 12,90 Euro im Monat, das entspricht 154,80 Euro pro Jahr. Im Angebot enthalten sind bis zu vier Gold-Kreditkarten, die mit einem breiten Spektrum an Reiseversicherungen wie Reiserücktritts-, Gepäck- und Unfallpolice einhergehen. Weniger großzügig fällt bei Deutschlands viertgrößter Bank die Regelung zum Geldabheben am Automaten aus: Im Inland können Kunden mit der Kreditkarte nur zwölfmal pro Jahr gratis einen Geldautomaten nutzen.
Im Ausland ist das Geldabheben bis zu 25 Mal pro Jahr kostenfrei. Mit der Girocard können Kunden wie üblich nach Belieben die Automaten der Commerzbank sowie die Geräte der anderen Cash-Group-Mitglieder nutzen, ohne dafür bezahlen zu müssen.
Das All-Inclusive-Girokonto der Postbank ist auf den ersten Blick etwas günstiger. Pro Monat zahlen Kunden dort 10,90 Euro. Wer zusätzlich eine Gold-Kreditkarte haben will, muss allerdings 30 Euro pro Jahr oben drauflegen. Die jährlichen Kosten liegen dann mit 160,80 Euro etwas höher als bei der Commerzbank. Zugleich fällt der Versicherungsschutz, der über die Kreditkarte enthalten ist, deutlich magerer aus.
Pluspunkte gibt es wiederum dafür, dass Kunden der Deutsche-Bank-Tochter mit der Kreditkarte zum Konto in sämtlichen Ländern des Euro-Raums kostenlos Geld am Automaten abheben können, sooft sie wollen. Das Postbank-Girokonto lohnt sich also für Vielreisende – vor allem aber für Besserverdiener: Ab 3.000 Euro monatlichem Geldeingang entfällt die Kontoführungsgebühr.
Unter den regional tätigen Kreditinstituten bekamen gleich sechs Häuser im FMH-Test die Bewertung „sehr gut“: die Sparkasse Leipzig, die Kreissparkasse Heilbronn, die Ostsächsische Sparkasse Dresden, die Stadtsparkasse Wuppertal sowie die Volksbanken Berlin und Karlsruhe. Die jährlichen Kosten für deren Mehrwert-Girokonten variieren zwischen 120 und 200 Euro.
Besonders günstig ist die Kreissparkasse Heilbronn, insbesondere, wenn Kunden auf die Gold-Kreditkarte für 50 Euro Jahresgebühr verzichten. In diesem Fall entgehen ihnen allerdings auch die dazugehörigen Reiseversicherungen und die – bei diesem Institut ohnehin nicht sehr üppigen – Vorteile beim Geldabheben im Ausland.
Zusätzlich zu den Leistungen, die mit einer Premium-Kreditkarte einhergehen, bieten Banken und Sparkassen rund um ihre All-Inclusive-Girokonten zahlreiche Extras an: von Neukunden-Bonusaktionen über Dispo-Vorteile bis hin zu Rabatten bei ausgewählten Reiseveranstaltern oder Kultureinrichtungen.
Den größten Vorteil von Mehrwert-Girokonten sieht FMH-Chef Herbst aber darin, dass Verbraucher dort keine versteckten Extra-Kosten erwarten müssen. Denn dabei zeigen sich Banken seiner Erfahrung nach immer kreativer.
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