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Minuszinsen Banken erheben Gebühren für Tagesgeld – Experten zweifeln an der Zulässigkeit

Einige Geldhäuser haben Preise für Tagesgeldkonten eingeführt. Auch das Tabu von Strafzinsen auf Sparkonten bröckelt. Was Bestandskunden machen können, und wo es noch Zinsen gibt.
20.04.2021 - 04:00 Uhr Kommentieren
Immer mehr deutsche Kreditinstitute veranschlagen Negativzinsen für Privatkunden. Auch die Freibeträge sinken zusehends. Quelle: imago images/Patrick Scheiber
Banken in Frankfurt

Immer mehr deutsche Kreditinstitute veranschlagen Negativzinsen für Privatkunden. Auch die Freibeträge sinken zusehends.

(Foto: imago images/Patrick Scheiber)

Frankfurt Negativzinsen für private Kunden etablieren sich immer mehr in Deutschland. Nahezu täglich führen weitere Geldhäuser Minuszinsen ein. Seit Jahresbeginn ist die Zahl der Kreditinstitute mit Negativzinsen bei Tages- und Girokonten um rund 130 auf nun 309 gestiegen, wie Verivox feststellt. Das Vergleichsportal beruft sich dabei auf die Internetseiten oder Preisverzeichnisse der Banken und Sparkassen.

Das heißt: Nahezu jedes vierte der 1300 Kreditinstitute, die Verivox untersucht, veranschlagt Strafzinsen für Neu- oder auch für Bestandskunden. Insgesamt dürfte die Zahl noch höher sein. Bei weiteren 40 Geldhäusern verweist Verivox auf Medienberichte zu Negativzinsen.

Die Zahlen von Verivox decken sich mit den Beobachtungen von Ania Scholz-Orfanidis von der Frankfurter FMH-Finanzberatung: „Strafzinsen ziehen immer weitere Kreise.“ Die Expertin prognostiziert: „Bald werden alle Kreditinstitute etwas für Einlagen auf Konten verlangen.“

Meist beträgt der Strafzins 0,5 Prozent – das entspricht dem Zins, den auch die Europäische Zentralbank (EZB) Geschäftsbanken für Kurzfristeinlagen aufbrummt. Die Banken selbst bezeichnen den Strafzins oft als „Verwahrentgelt“. Kreditinstitute dürfen allerdings nicht einfach so Minuszinsen erheben: Sie brauchen dafür die Einwilligung ihrer Kunden.

Daneben gibt es eine Reihe von Geldhäusern, die eine monatliche Gebühr für Tagesgeldkonten berechnen, teils zusätzlich zu Minuszinsen oberhalb bestimmter Summen. Oft beträgt der Preis ein bis zwei Euro, teils auch fünf Euro. Für große Summen auf Konten sind es bis zu 250 Euro.

FMH zählt hier derzeit 18 Kreditinstitute, die so vorgehen. Verivox kommt ebenfalls auf 18 Banken und Sparkassen mit einem Entgelt beim Tagesgeld- oder Girokonto. „Diese Gebühren sind Strafzinsen durch die Hintertür“, meint Scholz-Orfanidis von FMH.

Auch Bestandskunden müssen bereits zahlen

Doch nicht nur verlangen immer mehr Banken Negativzinsen oder Gebühren auf Tagesgeldkonten. Die ersten Geldhäuser rütteln auch an einem Tabu: Verwahrentgelte auf Sparkonten. Die Targobank verlangt seit Anfang April für höhere Beträge bei Spar- und Tagesgeld ein monatliches Entgelt, die Einlagen werden dabei zusammengerechnet. Die Gebühr greift für Summen oberhalb von 50.000 Euro und steigt in Stufen. Zugleich zahlt die Targobank für Sparkonten noch einen Minizins.

Auch die Commerzbank bezieht für Neukunden seit Juli 2020 Spareinlagen bei der Berechnung von Negativzinsen ein. Als Freibetrag galt zuletzt in der Regel 100.000 Euro. „Das Hamburger Abendblatt“ hatte zuerst darüber berichtet. Auch Bestandskunden würden individuell angesprochen, so die Bank.

Verbraucherschützer haben große Vorbehalte. Niels Nauhauser, Anlageexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, sagt dazu: „Für Spareinlagen habe ich grundsätzlich Zweifel an Verwahrentgelten, auch bei Neukunden.“ Der Gedanke dahinter: Beim Sparvertrag ist die Bank der Darlehensnehmer, und sie sollte daher an den Kunden, den Darlehensnehmer, Zinsen zahlen.

Die Targobank erklärt, sie sei „von der Rechtmäßigkeit des Gesamtmodells überzeugt“. Auch die Commerzbank meint: „Die sichere Verwahrung von Einlagen stellt eine Dienstleistung der Bank dar, für die ein Entgelt anfallen kann.“ Bei solchen Sparkonten oder -büchern geht es um Einlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist. Gerichtliche Auseinandersetzungen zu dem Thema sind allerdings noch nicht bekannt.

Altkunden können sich wehren

Strittig sind zudem Gebühren beim Tagesgeld. Ein Teil der betroffenen Geldhäuser veranschlagt die Tagesgeldgebühr nicht nur bei Neukunden, sondern auch bei Bestandskunden.

Das gilt beispielsweise für die Kreissparkasse Ahrweiler und die Volksbank Niedergrafschaft, wie sie auf Handelsblatt-Anfrage erklären. Die Volksbank Ammerbuch und die Sparkasse Südpfalz etwa äußerten sich nicht zu ihrem Vorgehen.

Auch bei der Comdirect, einer Marke der Commerzbank, kostet das Tagesgeldkonto monatlich 1,90 Euro. Für Neukunden bietet Comdirect das Tagesgeldkonto seit Anfang 2020 nur noch an, wenn Kunden auch ein Girokonto oder Depot haben. Ist das bei Bestandskunden nicht der Fall, müssen auch sie das monatliche Entgelt zahlen, so Comdirect.

Das müssen Altkunden nicht akzeptieren – und können sich gegen die neuen Preise wehren. Nach Einschätzung von Tobias Tröger, Juraprofessor an der Frankfurter Goethe-Universität, gilt auch hier die Regel: Geldhäuser können einen solchen Preis nur mit Einverständnis der Bestandskunden veranschlagen. Eine Vertragsänderung ist nötig.

Tröger erklärt dazu: „Für das Einlagengeschäft gilt uneingeschränkt, dass die Vergütungspflichten bei Altverträgen zivilrechtlich nach Darlehensrecht zu beurteilen sind. Danach kann ein – wie auch immer bezeichnetes – Entgelt für die Verwahrleistung der Bank nicht erhoben werden.“ Wenn Kreditinstitute eine Vergütung für das Verwahren der Kundengelder erhalten wollten, müssten sie die Vertragsbeziehung zum Kunden umstellen und einen echten Verwahrvertrag abschließen, so Tröger. „Eine solche Vertragsänderung bedarf aber ausnahmslos der Zustimmung des Kunden.“

Verbraucherschützer zweifeln am Vorgehen der Banken

Auch Nauhauser sieht Gebühren für Tagesgeldkonten kritisch: „Tagesgelder, Spareinlagen und andere Einlagen sind nach dem Gesetz nichts anderes als Darlehen, bei denen die Kunden sich verpflichten, der Bank eine Darlehenssumme zu überlassen, und die Bank sich im Gegenzug verpflichtet, Zinsen zu bezahlen“, meint er. Wenn die Bank einseitig ein Entgelt für die Hereinnahme von Darlehen verlange, weiche dies von diesem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab. „Wir haben daher Zweifel an der Zulässigkeit derartiger Entgelte.“

Verbraucher können sich also dagegen wehren, wenn ihre Bank Negativzinsen über den Umweg einer monatlichen Gebühr einführen will. Es lohnt sich aber auch nach wie vor, nach Alternativen Ausschau zu halten: Zumindest Strafzins und Gebühren können Kontensparer vermeiden und mitunter noch einen kleinen Zins einstreichen, wie Scholz-Orfanidis von FMH betont.

Die Zinsen für das täglich verfügbare Tagesgeld liegen laut FMH seit rund einem Jahr auf einem Rekordtief. Die 110 regelmäßig von der Beratung beobachteten Banken und Sparkassen zahlen gerade mal noch 0,09 Prozent. Quer durch die gesamte Bankenlandschaft im Land gibt es demnach im Schnitt gar keine Zinsen mehr.

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„Wer Konditionen vergleicht, kann für Tagesgeld noch bis zu 0,5 Prozent Zinsen im Jahr bekommen“, sagt Scholz-Orfanidis. Diesen Zins zahlen die Bank of Scotland und die Openbank, eine Tochter der spanischen Santander Bank. Die Bank of Scotland garantiert den Zins für drei Monate für neue Kunden, die bis zum 28. Mai Geld auf das Konto einzahlen. Die Openbank gibt keine Garantie ab.

Diese Konditionen sind nicht selten gestaffelt, wie Scholz-Orfanidis sagt. Bei der drittplatzierten Umweltbank gibt es 0,25 Prozent für Tagesgeld, aber nur bis zu einer Anlagesumme von 5000 Euro. Für höhere Einlagen zahlt die „Ökobank“ quasi keine Zinsen mehr, nämlich nur 0,001 Prozent. Ab 100.000 Euro verlangt sie sogar Negativzinsen von minus 0,5 Prozent. Allen drei Anbietern ist gemein, dass Sparer mit einem reduzierten gesetzlichen Einlagenschutz von 100.000 Euro pro Person leben müssen.

Eine erweiterte Einlagensicherung bietet dagegen die auf Absatzfinanzierung spezialisierte Bank11 aus Neuss, die 0,2 Prozent Zinsen im Jahr zahlt. Die Einlagen sind gesichert über den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) in Millionenhöhe. Über Vermittler wie Zinspilot oder Weltsparen das Geld bei meist ausländischen Banken ohne Filiale in Deutschland anzulegen bringt bei Tagesgeld keinen Zinsvorteil, wie die FMH-Übersicht zeigt. „Diese Banken wollen längerfristiges Geld“, sagt Scholz-Orfanidis.

Beim Festgeld sind die Zinsen zuletzt noch weiter gesunken, auf durchschnittlich 0,3 Prozent über ein Jahr, wie die FMH-Expertin sagt. Für längere Laufzeiten über zwei und drei Jahre zahlen Banken noch etwas mehr.

Den höchsten Festgeldsatz über ein Jahr zahlt die italienische Banca Finint über den Vermittler Weltsparen mit 0,6 Prozent. Über zwei Jahre sind bei der Bank 0,9 Prozent im Jahr möglich, über drei Jahre ein Prozent jährlich. Wer also – wie viele Ökonomen – davon ausgeht, dass die Zinsen noch länger niedrig bleiben und sein Geld nicht braucht, kann hier sogar noch eine Eins vor dem Komma mitnehmen.

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Real, also nach Abzug der Preissteigerungsrate, verlieren Sparer aber auch hier Geld. Denn die Inflationsrate gleicht auch diesen Zinssatz nicht aus. Im März ist die Teuerungsrate in Deutschland auf 1,7 Prozent geklettert.

Außerdem müssen Sparer auch hier mit dem begrenzten Einlagenschutz von 100.000 Euro leben. Daher raten Verbraucherschützer in der Regel davon ab, nach solchen generell eher geringen Zinsaufschlägen im Ausland zu jagen. Denn es gebe bisher noch keine einheitliche oder gar gemeinsame Einlagensicherung in der EU, betont Nauhauser.

Klar geregelt ist der Einlagenschutz allerdings schon: Nach einer neueren EU-Richtlinie müssen die EU-Staaten Sparer spätestens ab 2024 innerhalb von sieben Tagen entschädigen. In Deutschland führt die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken (EdB) eine Rückzahlung schon heute binnen sieben Tagen durch. Diese Erfahrung haben Kontensparer gerade im Fall der insolventen Greensil Bank aus Bremen gemacht, nach Informationen des BdB sind fast alle Sparer entschädigt worden.

Solche Angebote mit positiven Zinsen sind umso mehr interessant, als auch immer mehr Bestandskunden Negativzinsen zahlen müssen. Bislang waren vor allem sehr vermögende Kunden betroffen. Bei vielen Banken beläuft sich der Freibetrag nach wie vor auf 100.000 Euro, teils auch darüber. Doch die Grenze sinkt zusehends – eben auch für Altkunden.

Freibeträge von nur noch 50.000 Euro für Bestandskunden

Für Aufsehen sorgte kürzlich die Hamburger Sparkasse. Die größte deutsche Sparkasse senkt den Freibetrag für Privatkunden deutlich. Sie sollen ab Mai für Einlagen auf dem Giro- und Tagesgeldkonto oberhalb von 50.000 Euro einen Negativzins von 0,5 Prozent zahlen. Derzeit beträgt der Freibetrag 500.000 Euro. Die bisherige wie auch die künftige Regelung gilt für Neukunden, aber auch für Bestandskunden.

Noch strenger ist die Sparda-Bank West aus Düsseldorf bei Girokonten. Sie verlangt neuerdings auch von Bestandskunden ein „Verwahrentgelt“ von 0,5 Prozent ab 25.000 Euro Einlagen auf dem Girokonto. Bei Tagesgeld beträgt der Freibetrag 50.000 Euro. Auch bei der Commerzbank soll der Freibetrag für einige Bestandskunden auf 50.000 Euro sinken.

Wenn Kunden die Zahlung des Entgelts verweigern, können Banken ihnen kündigen. Passiert ist das bereits bei der Stadtsparkasse Düsseldorf, die rund 20 reichen Kunden deshalb kündigte, nachdem diese sich zuvor nicht gemeldet hatten.

Auch bei der Höhe der Strafzinsen schärfen manche Geldhäuser nach: Die genossenschaftliche PSD Bank Rhein-Ruhr, ebenfalls aus Düsseldorf, hat ihren Strafzins für neues Tagesgeld oberhalb von 500.000 Euro auf ein Prozent erhöht. Das Geldhaus betrachtet den hohen Minuszins als „Abwehrkondition“. Andere Banken haben bei Minuszinsen für Neukunden ähnlich argumentiert. Sie wollen verhindern, dass sie mit Einlagen geflutet werden.

EZB will Kreditvergabe ankurbeln

Mit der Berechnung von Negativzinsen reagieren die Geldhäuser auf die Geldpolitik der EZB. Sie hatte im Sommer 2014 Negativzinsen für Geschäftsbanken eingeführt. Im Herbst 2019 erhöhte die Notenbank den Strafzins für kurzfristige Einlagen der Geldhäuser bei der Notenbank auf 0,5 Prozent. Zudem könnten Kreditinstitute auch zu Negativzinsen bei der EZB Geld leihen, was die Effekte teils ausgleicht.

Die Notenbank zielt mit den Negativzinsen darauf ab, dass die Geschäftsbanken möglichst viele Kredite an Unternehmen und Verbraucher vergeben, um damit Investitionen und andere Ausgaben anzukurbeln. Die deutschen Banken haben ihr Kreditgeschäft in den vergangenen Jahren auch tatsächlich deutlich ausgeweitet. Doch die Minuszinsen drücken auf die Margen, auch die Zahlungen für den EZB-Strafzins an sich belasten die Ertragslage der Institute.

Zunächst hatten Geschäftsbanken im Geschäft mit Firmenkunden und professionellen Investoren Negativzinsen eingeführt. Sie müssen für hohe Einlagen längst fast überall Strafzinsen zahlen. Privatkunden müssen sich nun ebenfalls immer mehr darauf einstellen.

Mehr: Privatkunden müssen auch bei kleinen Ersparnissen mit Negativzinsen rechnen

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