Handelsblatt testet Haftpflicht, Rechtsschutz & Co: Welche Sachversicherungen ergeben Sinn?

Eine Haftpflichtversicherung ist nicht nur notwendig, sondern vor allen Dingen auch sehr günstig.
Düsseldorf Corona geht an die Nerven. Das merken auch die Mitarbeiter in den Callcentern der Versicherungen. Die Kunden sind aggressiver und beschweren sich häufiger. Viele Menschen verbringen derzeit mehr Zeit zu Hause. Sie könnten das zum Anlass nehmen, ihr Versicherungsportfolio unter die Lupe zu nehmen.
Neben der Krankenversicherung zählt eine Berufsunfähigkeitsversicherung zum Pflichtprogramm der meisten Menschen. Unter den Sachversicherungen gilt die Haftpflichtversicherung als unverzichtbar. Aber auch auf eine Rechtsschutzversicherung sowie eine Hausrat- oder Wohngebäudeversicherung wollen viele Menschen nicht verzichten.
Doch wie findet ein Interessent die passende Sachversicherung? „Die Grundüberlegung muss sein, welche Risiken im Einzelfall vorliegen, wie ich sie persönlich bewerte und welche ich davon in welchem Umfang absichern möchte.
Das ist eine sehr individuelle Angelegenheit“, sagt Peter Grieble, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. In der Priorität ganz oben steht die Privathaftpflichtversicherung. „Dabei geht es um Schäden, die ein Versicherter einem Dritten zufügen kann. Das kann schnell den finanziellen Ruin bedeuten“, erklärt Michael Franke, Geschäftsführer der Ratingagentur Franke und Bornberg.
Nicht umsonst besitzen 83 Prozent der Haushalte in Deutschland solch eine Police. Eine Haftpflichtversicherung ist nicht nur notwendig, sondern vor allen Dingen auch sehr günstig. Toptarife gibt es für etwas mehr als 50 Euro pro Jahr. Die Vielfalt der Angebote ist groß. Auch hier sollten Verbraucher ihren individuellen Bedarf genau prüfen.
Das gilt auch für die Rechtsschutzversicherung, die 46 Prozent der Haushalte abgeschlossen haben. Verschiedene Bausteine sind wählbar, die Risiken in Bereichen wie Verkehr, Wohnen oder auch im Privatrecht abdecken.
Eine Hausratversicherung sichert den beweglichen Teil des Mobiliars ab. 76 Prozent der Haushalte sind im Besitz einer solchen Police. Wer Eigentümer eine Immobilie ist, für den ist die Wohngebäudeversicherung Standard, wird hier damit doch der Wert der eigenen vier Wände gesichert.
Verbraucherschützer Peter Grieble empfiehlt die Beratung bei Versicherungsberatern, aber auch bei Maklern. Sie kennen die Bedingungswerke der Versicherungen und können individuell passende Produkte finden. „Ein Berater kann sich gerne auf bestimmte Versicherungssparten oder Lebensphasen spezialisiert haben und Erfahrung mitbringen. Aber auch die Chemie muss stimmen“, sagt Grieble. Aus seiner Sicht vermitteln Bewertungsplattformen einen guten ersten Eindruck, um einen geeigneten Berater zu finden.
Privathaftpflichtversicherung
Sie kostet gerade einmal etwas mehr als 50 Euro und ist dennoch wichtig wie kaum eine andere Police: die Privathaftpflichtversicherung. Sie schützt vor den finanziellen Folgen von Schäden, die zum Beispiel ein Fußgänger im Straßenverkehr verursacht. Eine Unachtsamkeit kann einen Millionenschaden zur Folge haben.
„Eine Haftpflichtversicherung ist ein absolutes Muss für jedermann. Damit lassen sich wichtige Risiken absichern“, sagt Peter Grieble von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Doch auch bei einer Haftpflichtversicherung kommt es aufs Kleingedruckte an. Ganz wichtig ist eine möglichst hohe Versicherungssumme.
Sie sollte bei zehn Millionen Euro liegen, um Schäden vollständig abdecken zu können. Ebenso wichtig: Versicherte sollten unbedingt auf eine Forderungsausfallklausel achten: „Schädigt mich ein Dritter, der aber für die Folgekosten nicht aufkommen kann, übernimmt in diesem Fall meine eigene Haftpflichtversicherung die Kosten“, erklärt Michael Franke, Geschäftsführer der Ratingagentur Franke und Bornberg.
Diese Klausel sollte nicht fehlen: Denn während eine Kfz-Haftpflichtversicherung vorgeschrieben ist, gibt es generell keine Pflicht für solch eine Versicherung.
Die Versicherung sollte auch für Schäden aufkommen, die deliktunfähige Kinder verursachen.
Denn schnell ist beim Spielen der Kinder ein Kratzer am Auto des Nachbarn passiert oder beim Fußballspielen eine Scheibe zerstört. Und schließlich sollte die Versicherung auch Schäden begleichen, die durch fahrlässiges Handeln entstehen.
14 Tarife mit der Höchstnote bewertet
Einen Topschutz bieten die Haftpflichtversicherungen, die die Experten von Franke und Bornberg mit der Höchstnote „sehr gut“ bewerten. Sie bieten einen Versicherungsschutz von mindestens zehn Millionen Euro.
Die Policen schließen auch eine Forderungsausfallklausel ein und kommen für die Kosten eines Schlüsselverlusts auf sowie für Schäden durch Gefälligkeitshandlungen, etwa wenn ein Versicherter im Urlaub auf das Haus des Nachbarn aufpasst und dabei versehentlich die teure Vase zerstört. Von den 40 untersuchten Tarifen für Familien erhielten 14 die Höchstnote „sehr gut“.
Die jährlichen Prämien der Toptarife liegen zwischen 54 und 86 Euro pro Jahr. Zu den Haftpflichtversicherungen mit Topschutz gehört der „Optimal-Tarif“ der WGV-Versicherung. Sie kommt für Schäden von bis zu 75 Millionen Euro auf, die auf 15 Millionen je Person beschränkt sind.
Der Umfang des Versicherungsschutzes ist in den vergangenen Jahren gestiegen. So gehört beim Optimal-Tarif auch die Absicherung von Schäden durch Drohnen mittlerweile zum Leistungskatalog.
Die Versicherten genießen auch Schutz beim elektronischen Datenaustausch rund um den Globus. „Nebenberufliche selbstständige Tätigkeiten sind bis zu einem Jahresumsatz von 17.500 Euro mitversichert“, sagt Torsten Widmann, Abteilungsleiter Produktmanagement bei der WGV-Versicherung.
Eine schnelle und kostengünstige Abwicklung von Schäden bietet der Tarif „Prima E-Dok“ der SLP Vertriebsservice AG. Die Versicherung verschickt alle Dokumente per Mail. Das spart jährlich Kosten in Höhe von 4,40 Euro. „Der Versicherungsumfang wächst seit Jahren stetig und der Beitrag reduziert sich“, sagt Sören Häger, Leiter Team SHU bei der SLP Vertriebsservice AG.
„Viele Kunden wünschen sich individuelle und maßgeschneiderte Produkte, die leicht verständlich, einfach und flexibel sind. Deshalb gehen wir davon aus, dass sich der Trend fortsetzen wird, das Leistungsspektrum stetig zu erweitern“, sagt Widmann von WGV.
Mit der Digitalisierung können Versicherungen individuelle Risiken besser erfassen, kalkulieren und daher auch entsprechend maßgeschneiderte Tarife anbieten.
„Ebenfalls ist der Trend zu höheren Versicherungssummen festzustellen“, betont SLP-Mann Häger. Mittlerweile gibt es Policen mit einer Versicherungssumme bis zu 100 Millionen Euro.
Wer eine alte Haftpflichtversicherung besitzt, sollte unbedingt seinen Tarif überprüfen. „In vielen Fällen macht es sich bezahlt, einen modernen Tarif zu wählen, der eine höhere Versicherungssumme und ein deutlich besseres Produktangebot bietet, als dies früher der Fall war“, empfiehlt Verbraucherschützer Grieble.
Makler oder Versicherungsberater sollten ihre Kunden von sich aus über bessere Angebote informieren. Doch darauf sollten sich Versicherte nicht verlassen. Wer von den besseren Tarifen profitieren will, sollte sich selbst darum kümmern. Die Mühe lohnt sich.
Rechtsschutzversicherungen
Die finanziellen Risiken einer Rechtsschutzversicherung sind im Vergleich zu einer Haftpflichtversicherung oder einer Berufsunfähigkeitsversicherung nicht so groß. Dennoch kann sie aber sehr wichtig sein: „Eine Rechtsschutzversicherung kann notwendig sein, um die Ansprüche bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung durchzusetzen“, sagt Peter Grieble, Versicherungsexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
Wie bei jeder anderen Versicherung gilt es, den persönlichen Versicherungsbedarf individuell zu ermitteln. Am besten im Gespräch mit einem guten Versicherungsmakler oder -berater. Die Versicherungen bieten Bausteine für wichtige Bereiche wie zum Beispiel Privatrechtsschutz, Wohnen, Beruf oder Verkehr.
Paketlösungen sind günstiger. Mitglieder eines Mietervereins genießen Rechtsschutz in Mietsachen. Wer einer Gewerkschaft angehört, bekommt von dieser rechtlichen Beistand bei Streitigkeiten mit dem Arbeitgeber. Dann macht eine zusätzliche Rechtsschutzversicherung keinen Sinn.
Bei einer Familie empfiehlt es sich, die Policen für die gesamte Familie abzuschließen. Die Versicherungen verlangen nur einen geringen Aufschlag dafür. Die Ratingagentur Franke und Bornberg hat für das Handelsblatt 15 Rechtsschutzversicherungen mit einer Selbstbeteiligung von 150 Euro unter die Lupe genommen.

Bei einer Familie empfiehlt es sich, die Versicherung für die gesamte Familie abzuschließen.
Im Musterfall hat die Familie Versicherungsschutz in den Bereichen Privat, Wohnen, Beruf und Verkehr. Neun Tarife werden mit der Höchstnote „sehr gut“ bewertet. Bei den Topangeboten müssen Versicherte zwischen 323 und 398 Euro als Jahresprämie bezahlen.
Beim Test schnitt die Deurag Deutsche Rechtsschutz-Versicherung AG mit dem Tarif „SB 150 €“ am besten ab. Sie erzielt als einzige die Höchstzahl von 100 Punkten und bietet eine breites Leistungsspektrum: „Zusätzlich besteht Versicherungsschutz für ein erstes anwaltliches Beratungsgespräch bei einer Abmahnung, die der Kunde aufgrund eines angeblichen Urheberrechtsverstoßes im Internet erhalten hat“, erklärt Lilia Bourial, Leiterin Marketing freie Vertriebe bei der Deutschen Rechtsschutz-Versicherung.
Mit der zunehmenden Digitalisierung gewinnt auch der Rechtsschutz in diesem Bereich an Bedeutung. Angriffe auf den Computer oder Mobbing über soziale Netzwerke nehmen zu. Der Tarif „SB 150 €“ bietet Rechtsschutz bei einer Straftat, die im Zusammenhang mit der Nutzung elektronischer Daten oder Medien begangen wurde.
Die Anzahl der telefonischen Rechtsberatungen ist im Corona-Jahr 2020 gestiegen. „Unsere Kunden haben einen erhöhten Bedarf an Rechtsberatung, den wir über eine kostenlose telefonische Rechtsberatung ohne Selbstbehalt und für alle Rechtsgebiete anbieten können“, erklärt Bourial. Insgesamt sind die Schadensfälle im vergangenen Jahr aber nur leicht gestiegen. Besonders gefragt war juristischer Beistand vor allem bei allen Fragen rund ums Reisen.
Hausrat- und Gebäudeversicherung
Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg rechnet bei der Zahl der Wohnungseinbrüche mit dem niedrigsten Stand seit 1971. Nach vorläufigen Schätzungen geht die Behörde 2020 von einem Rückgang der Einbrüche um 25 Prozent aus. Das sollte Menschen aber nicht dazu verleiten, ihre Hausratversicherung zu kündigen.
Sie kommt nicht nur für die Folgen eines Einbruchs auf, sondern für Schäden, die an beweglichen Gegenständen im Haus oder in der Wohnung zum Beispiel durch eine Überschwemmung entstehen. Sie sollte auch Schäden begleichen, die durch grobe Fahrlässigkeit verursacht werden.
Zum Beispiel wenn jemand zum Einkaufen geht und die Kerzen nicht ausmacht. Löst die Kerze einen Brand aus, liegt grobe Fahrlässigkeit vor. Bei einigen Tarifen gilt dieser Schutz nicht für die volle Versicherungssummer. Versicherte sollten darauf achten, dass der Schutz nicht begrenzt ist.

329 bis 409 Euro pro Jahr bezahlen Immobilienbesitzer für ein Haus mit 134 Quadratmetern bei den mit sehr gut bewerteten Tarifen.
Zur versicherten Wohnung zählen auch Terrasse und Anbauten, Kellerräume sowie privat genutzte Räume oder Garagen in der Nähe der Wohnung. „Wir empfehlen, den eigenen Hausrat möglichst wertgemäß zu versichern. Dazu empfiehlt es sich, alle Hausratgegenstände zu erfassen, mit dem Neuwert zu bewerten und die Versicherungssumme entsprechend auszugestalten“, sagt Peter Grieble von der Ver- braucherzentrale Baden-Württemberg.
Er empfiehlt, auch den Hausrat per Foto und Video zu dokumentieren, Rechnungen aufzubewahren und zusätzlich digital zu speichern, damit auch im Falle eines Wohnungsbrands der Nachweis gelingt. Beim Test der Hausratsversicherungen untersuchten die Experten von Franke und Bornberg Tarife, die einen Topschutz bieten.
Sie gingen dabei von einer Wohnung mit einer Wohnfläche von 100 Quadratmetern in einem Mehrfamilienhaus aus. Die Versicherungssumme liegt bei 65.000 Euro, also bei 650 Euro pro Quadratmeter. Die Versicherten müssen bei Schäden keine Selbstbeteiligung leisten.
Von 29 Versicherungen erreichten elf die Höchstnote sehr gut. Guter Versicherungsschutz muss nicht teuer sein: Der mit sehr gut ausgezeichnete Tarif „Premium“ der Medien-Versicherung Karlsruhe kostet 115,97 Euro pro Jahr.
Wer eine Immobilie besitzt, benötigt eine Wohngebäudeversicherung. Sie zahlt für Schäden bei Sturm, Hagel, Feuer oder Leitungswasser am Haus oder der Wohnung. Diese Versicherung ist wichtig, schützt sie doch die Immobilie und damit meist das Wertvollste, was ein Mensch besitzt.
Allein 2019 haben Unwetter deutschlandweit Schäden in Höhe von 2,1 Milliarden Euro an Gebäuden angerichtet, davon gingen 1,8 Milliarden Euro auf Sturm und Hagel zurück. Auch die Kosten für den Abbruch eines Gebäudes, einen Sachverständigen oder die Beseitigung umgestürzter Bäume übernimmt die Versicherung.
„Auch die Absicherung von Elementarschäden macht Sinn – und das nicht nur in der Nähe von Gewässern. Sie übernimmt Schäden, die durch Überschwemmung, Lawinen oder Starkregen verursacht wurden“, sagt Michael Franke, Geschäftsführer der Ratingagentur Franke und Bornberg.
Die untersuchten Tarife weisen einen erstklassigen Schutz auf. Eingeschlossen sind neben Elementarschäden auch Überspannungsschäden oder eine Außenversicherung bei einem Diebstahl im Ausland. Von 18 Versicherungen erhalten vier die Höchstnote sehr gut.
Immobilienbesitzer müssen für ein Haus mit 134 Quadratmetern bei den mit sehr gut bewerteten Tarifen eine jährliche Prämie zwischen 329 und 409 Euro bezahlen. Am besten konnte beim Test die Continentale Versicherung mit ihrem Tarif „Immo Guard XXL“ abschneiden.
Zum Leistungskatalog zählen die Übernahme der Aufräumkosten für umgestürzte Bäume nach Blitz und Sturm oder die Reparatur von Gebäudeschäden nach einem Einbruch. Aber auch die Kosten für die Beseitigung von Graffiti gehören zum umfassenden Leistungspaket.
Die Prämie für eine Wohngebäudeversicherung hängt von der jeweiligen Versicherungssumme ab. Das ist der maximale Betrag, den die Versicherung im Schadensfall auszahlen würde. In der Regel ist der Neuwert des Gebäudes versichert – also der Betrag, der benötigt wird, um das Haus in gleicher Größe und Ausstattung wieder aufzubauen.
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